20. Kapitel

205 19 4
                                    

     Mein Wecker klingelte und erinnerte mich daran, dass heute Montagmorgen war und ich somit zur Arbeit musste. Der sonnige Morgen war allerdings nicht wie in einem Film. Obwohl ich mich auf die Arbeit freute, stand ich mit wenig Elan auf und rieb mir über die trockenen Augen.
     Gestern waren wir wohl doch noch etwas lange in Cres unterwegs gewesen. Nach dem Essen haben wir uns noch ein Eis geholt und sind durch unzählige Gassen gelaufen, nur um dem Trubel der Stadt zu entkommen.
     Julio war nicht müde geworden. Egal wie lange wir herumgelaufen waren. Schrecklich. Auch als wir Zuhause waren, hatte er keinen Anflug von Müdigkeit gezeigt. Im Gegenteil. Er hatte noch eine Runde UNO mit uns spielen wollen.
     Also hatten wir auch das getan. Bis es Mitternacht gewesen war und ich verkündet hatte, dass ich langsam ins Bett musste. Daraufhin hatte er schmollend die Unterlippe vorgeschoben und mich noch nach einer Runde gebeten.

     Aus einer Runde waren vier weitere geworden. So war ich um ein Uhr morgens in Bett gefallen und stand nun, sechs Stunden später, wieder auf. Langsam und wie in Zeitlupe richtete ich mich auf. Knochen für Knochen rutschte an seine Stelle. Träge schob ich meine Beine über die Bettkante.
     Das helle Licht, dass hereinschien, als ich den Vorhang öffnete, half mir ebenfalls nicht dabei wach zu werden. Im Gegenteil. Es blendete mich nur und sorgte dafür, dass ich die Augen zusammenkniff. In diesem Moment fühlte ich mich wie ein Vampir. Ich war so müde, dass ich im ersten Moment nicht mal begriff, dass mein Handy noch immer klingelte. Eilig stellte ich den Ton aus.
     Daraufhin suchte ich halb blind nach frischen Klamotten, ehe ich ins Bad schlurfte, um mich zu duschen. Die kalte Dusche half dabei mich wach werden zu lassen. Adrenalin rauschte durch meine Adern, um mich wach werden zu lassen.
     Ein paar Minuten später war ich also wach, trotzdem fühlte ich mich noch etwas träge. Das Zähneputzen brachte mein Blut in Wallung, doch auch jetzt fühlte ich mich noch etwas träge. Erst als ich mich anzog und einen Blick in den Spiegel warf, spürte ich langsam, wie ich wach wurde.

      Minute für Minute wurde es besser. Die Trägheit verschwand aus meinen Gliedern und ich fühlte neues Leben in mir. Mit dieser Entwicklung zufrieden verließ ich das Bad und hätte beinahe aufgeschrien, als ich die Person sah, die vor dem Bad wartete. Julio. Ein Grinsen huschte über seine Lippen.
     Eilig wünschte er mir einen guten Morgen, dann rauschte er ins Bad. Etwas verwirrt blieb ich stehen und verstand nicht, wieso er es so eilig hatte. Dann zuckte ich mit den Schultern und lief in die Küche. So leise wie möglich goss ich mir Orangensaft ein und machte mir etwas zum Frühstück.
     Später, heute Mittag, nach der Arbeit, würden wir erneut mit dem Boot rausfahren. Das erinnerte mich daran, dass ich Laura fragen musste, ob ich auch fest bei ihr arbeiten konnte. Dann fiel mir aber auf, dass das vermutlich nicht ging, solange ich nicht ganz hier lebte. Seufzend fuhr ich mir über das Gesicht.
    Um von meiner Mutter wegzukommen, brauchte ich diesen Job und ich musste beantragen hier zu leben. Die Frage war nur, ob Damir mich überhaupt in seinem Haus wollte, oder ob ich nicht lieber in einem eigenen kleinen Heim lebte.

    Heute Nacht hatten mich auch diese Gedanken wachgehalten. Mittlerweile war ich mir sicher, dass ich nicht mehr zurück wollte. Ich wollte hier leben. Bei Damir. So viel stand für mich fest. Meine Mutter würde damit leben müssen. Ob sie wollte oder nicht. Mein Konto lief ja bereits auf mich, was bedeutete, dass sie keine Macht darüber hatte. Sie konnte mir also keinen Strich durch die Rechnung machen.
     Es gab nichts, was sie tun konnte. Garnichts. Mein Entschluss stand fest. Ob es ihr gefiel oder nicht. Sie würde damit leben müssen. Wütend biss ich in den Apfel und kaute ausgiebig darauf herum.
     Bei jedem Biss stellte ich mir das Gesicht meiner Mutter vor. Allein der Gedanke, wie sie mein Leben ruiniert und ich das auch noch zugelassen hatte, drehte sich mir der Magen um und die Wut kochte über.
     Noch immer konnte ich nicht glauben, dass ich sie das hatte machen lassen. Das war... ich wusste nicht, was ich dazu sagen sollte. Ich hasste es. Ich hasste es, dass sie das mit mir getan hatte. Nie wieder würde ich zulassen, dass das jemand mit mir tat. Nie wieder. Das konnte sie sich abschminken.
     Mein Leben bestimmte ab jetzt ich. Niemand sonst. Mit diesen Gedanken, die sich immer mehr festigten, aß ich gleich noch einen zweiten Apfel und dann noch einen dritten, bis ich das Gefühlte hatte, voll zu sein. Danach stand ich auf. Julio schlürfte in die Küche und rieb sich über die müden Augen.
     »Ich hätte wohl nicht so viel Eis essen sollen«, jammerte er und hielt sich den Bauch. Er schlurfte zum Kühlschrank und holte sich ein Wasser heraus. Besorgt musterte ich ihn. »Alles okay?« Er nickte. »Jetzt schon.«

Das Rätsel der GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt