6. Kapitel

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     Das Hochgefühl hielt an. Will hatte nicht mehr versucht mich zu erreichen und Mum glaubte noch immer meinen Bildern, die ich ihr schickte. Zwar gingen sie mir langsam aus, doch irgendwie würde mir schon noch etwas einfallen. Im Laden war heute weniger los. Es war wärmer als gestern und weniger windig.
     Die meisten Leute lagen also wohl gerade am Strand und sonnten sich oder schwammen ein paar Runden im Meer. Schwimmen... sehnsüchtig lauschte ich dem Meer, dass sanft gegen den Rand des Hafens schlug, dass man von hier aushören konnte. Ich war seit drei Tagen hier und doch war ich noch nicht einmal im Meer gewesen. Eine wahre Schande. Also beschloss ich später schwimmen zu gehen.
     Schwimmsachen hatte ich in meiner Tasche dabei. Warum auch immer ich sie heute Morgen eingesteckt hatte. Vermutlich Intuition. Laura und ich waren ein eingespieltes Team geworden. Wenn ein Kunde kam, bediente sie ihn und ich wartete bereits an der Kasse. Für sie war es leichter zu bedienen, da ich mich nicht ganz mit ihren Sachen auskannte und kein Kroatisch sprach.
     Einige Bewohner fühlten sich doch abgeschreckt, wenn man Englisch mit ihnen sprach. Für mich war das in Ordnung. So etwas hatte ich mir auch fast gedacht. Darüber war ich nicht wütend. An der Kasse sprach ich so wenig, dass es kaum auffiel. Heute Nacht hatte ich ein paar Zahlen und ein paar Worte wie „Bitte" und „Danke" gelernt. So konnte ich den Preis sagen und noch andere Floskeln.

     Mit jedem Kunden sowie mit jeder Kundin stärkte sich mein Selbstvertrauen. Besonders als ich mir ein paar Wörter von Laura aufschnappte und sie ebenfalls sagte. Der Tag lief gut. Mittags aber wollte sie mich nach Hause schicken, da meine vier Stunden nun um waren. Genau zu dem Zeitpunkt aber brach die Hölle los.
     Immer mehr Menschen kamen herein und sie konnte meine Hilfe gebrauchen. Nicht, dass ich gegangen wäre, wenn nichts losgewesen wäre. Stur wie ein Esel blieb ich auf meinem Platz sitzen und fragte mich, ob diese Sturheit in der Familie lag. Mika war stur. Mum war stur und ich konnte es auch sein, wenn ich wollte.
     Gerade wollte ich stur sein. Laura war selbst überrascht von der Menge der Leute, die in den Laden stürmte. Vielleicht hatte ich den ein oder andern Flyer ausgelegt. Na ja, nur selbstgemalte Flyer, mit ein paar Locksprüchen.
     Es war ein Versuch wertgewesen. Gestern Nacht hatte ich noch viel gemacht, nachdem Damir und ich die Pizza vertilgt hatten. Er hatte sich eine Serie angesehen und nebenbei hatte ich all diese Dinge getan. Gelernt und gemalt.
     Nicht, dass Laura Werbung nötig gehabt hätte, doch ein paar Flyer konnten nie schaden. An diesem Tag lief das Geschäft wohl noch besser als sonst. Um 13:00 Uhr gönnten wir uns ein Mittagessen, das wir aus einem Restaurant bestellten. Danach blieb ich noch drei Stunden länger, bis sie mich schließlich heimschickte.

     Sie musste mich dreimal darum bitten, ehe ich ihrer Bitte folgte und dann schließlich ging. Zielstrebig lief ich zum Hauptplatz. Von dort aus bahnte ich mir einen Weg durch die Menschenmenge, vorbei am Hafenbecken und vorbei an den ganzen Restaurants, um dann auf den Weg zu kommen, der von Cres zum Campingplatz führte. Auf dem Weg dorthin gab es nämlich ein paar gute Badestellen, wie ich heute Morgen auf den Satellitenbildern von Google gesehen hatte.
     Zielstrebig und voller Elan lief ich also aus Cres raus zu einem Strandstück. Die ersten, die ich sah, waren bereits belegt, weswegen ich ein Stück weiter lief und einen kleinen Abschnitt fand, wo niemand schwamm. Zufrieden breitete ich mein Handtuch aus und entledigte mich meines Kleides.
     Kurz darauf lief ich zum Wasser. Erst ging ich nur mit den Beinen hinein und genoss das kühle Nass, dass sich um meine Waden schmiegte. Kleine Wellen schlugen hinter mir gegen Strand und ließen das Wasser schaukeln. Nach einer Weile sah ich Minifische auf mich zuschwimmen. Sie schwammen zwischen meinen Beinen durch und hatten ihren Spaß. Lächelnd sah ich ihnen dabei zu. Sie waren sehr süß.
     Die Sonne brannte nun ungehindert auf meiner Haut. Die Sonnencreme von heute Morgen würde ich später gleich erneuern. Aber erst wollte ich einmal ins Meer tauchen. Also lief ich ein paar Schritte vorwärts, ehe ich mich abstieß und mich in das salzige Etwas tauchen ließ. Kühle Umgab mich und ich genoss es für einen Moment unter der Wasseroberfläche zu sein.
     Hier unter der Oberfläche hörte man alles nur verzerrt. Die Geräusche wurden verzerrt und waren weniger wichtig. Unter Wasser herrschte eine gewisse Ruhe. Eine gewisse Stille. Zwar hörte man in der Ferne Bootsmotoren, doch das war weniger wichtig. Insgesamt war es still. Als meine Lungen protestierten, da ihnen der Schauerstoff langsam ausging, tauchte ich auf und wischte mir meine roten Haare aus der Stirn.

Das Rätsel der GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt