7. Kapitel

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    Der Morgen war komisch verlaufen. Heute Morgen war ich im Bett geblieben, obwohl ich wach gewesen war, als Damir unter die Dusche gestiegen war. Das Wasserrauschen hatte mich geweckt. Dennoch hatte ich ihm nicht Guten Morgen gesagt, weil ich Angst vor seiner Reaktion gehabt hatte.
     Die gestrige Reaktion hatte mir gezeigt, dass er es nicht so gut fand, wenn ich ihn berührte. Um mich selbst davon abzuhalten musste ich ihm dann wohl aus dem Weg gehen. Mein Herz krampfte zwar bei dem Gedanken, aber anders schien es nicht zu funktionieren. Er entfernte sich nur von mir, wenn ich so etwas tat.
     Erst nachdem ich die Haustür ins Schloss fallen hatte hören, war ich aufgestanden und hatte gefrühstückt, ehe ich mich auch geduscht hatte. Jetzt stand ich im Laden und genoss die kühle Luft der Klimaanlage, die mir sanft in den Nacken blies.
     Draußen herrschten bereits 29 Grad. Bis um 14:00 Uhr sollten diese aber noch auf 36 Grad klettern. Es war heiß. Viel zu heiß. Die Leute am Vormittage blieben erneut aus. Es war ruhig im Laden. Vermutlich, weil die meisten am Strand lagen oder selbst arbeiteten. Gedankenverloren saß ich an der Kasse und musterte Laura, die heute wieder vor dem Laden saß.

     Für ihr Alter war sie noch sehr beweglich und hatte noch Freude am Leben. Es schien nicht so als würde sie sich alt fühlen. Im Gegenteil. Sie lebte für diesen Laden. Der Laden schien ihr Ein und Alles zu sein. Wie ich erfahren hatte, hatte sie nur einen Sohn und dieser lebte nicht mehr hier, sondern war aufs Festland gezogen.
    Nur selten kam er sie besuchen. Er lebte in Zadar. Von Mika wusste ich, dass dort aber einer Fähre fuhr, die nach Mali Lošinj fuhr, die Nachbarinsel. Der Weg hier hin wäre also nicht mal so weit und nicht so schwer. Sie redete nicht viel über ihren Sohn, sondern erzählte mir lieber von ihrem Ehemann.
     Er war lange Zeit ein Seemann gewesen. Immer auf dem Meer unterwegs. Er hatte die Freiheit und die Seeluft geliebt, doch als er sie getroffen hatte, hatte er gemerkt, dass es mehr im Leben gab, als nur das Bootfahren.
     Zwar hatte er das Bootfahren nie sein lassen, doch er war für sie aufs Land gegangen und hatte sich ein Haus mit ihr genommen. Das musste Liebe sein... wahre Liebe. Seufzend warf ich ein Blick auf mein Handy und erstarrte, als genau in diesem Moment ein Anruf aufschlug. Will. Schon wieder.

     Wütend drückte ich diesmal seinen Anruf weg. Zwei Minuten später rief er erneut an. Wieder drückte ich ihn weg. Langsam wurde es nervig. Will schien nicht zu verstehen, was ich wollte und was nicht.
     Wut kochte in mir hoch und ließ das Blut in meinen Adern kochen und rauschen. Nicht zu fassen, dachte ich. Noch immer begreift er nicht, dass er mich nicht anrufen soll. Gerade stand ich kurz davor ihm eine Nachricht zu schreiben, als meine Mutter anrief. Eilig stand ich auf und lief zu Laura, um sie zu fragen, ob ich kurz telefonieren konnte.
     Sie nickte und fragte nicht mal, ob es wichtig sei. Sie schenkte mir ein warmes Lächeln, ehe ich ein paar Schritte weiter lief und dann um die Ecke bog. Mit vor Wut zitternden Händen nahm ich ihren Anruf an.
     »Ja, Mutter?«, fragte ich. Keine Begrüßung. Sie grüßte mich auch nie also sah ich mich nicht gezwungen sie zu grüßen. Meine Mutter kam ja auch gleich zur Sache. Wie immer eben. »Will meinte es nicht so, Schatz. Er liebt dich. Es tut ihm leid. Er will es wieder gut machen. Sag ihm doch einfach im welchem Resort du bist und er kommt. Er will dich zurück und kämpft darum. Also warum ignorierst du seine Anrufe? Er hat mir gerade geschrieben, dass du nicht rangehst und ihn ignorierst. Das finde ich nicht gut.«

    Die Wut, die schon vorhin in meinem Blut gekocht hatte, erlangte ein Übermaß. Ich konnte es einfach nicht glauben. Wollte es nicht glauben. Unmöglich. Nach all dem, was er gesagt und getan hatte, nahm sie ihn in Schutz. Einfach so. Als wäre nichts. Langsam konnte ich das einfach nicht mehr glauben. Wann war meine Mutter so vom Kurs abgekommen? Wann?
     Ihre Tochter war ihr nicht so wichtig wie die Hochzeit, die sie hätte haben können. »Mum er hat mir sehr wehgetan und will mich doch gar nicht! Wieso soll ich ihm dann verzeihen? Sein Ego ist verletzt. Mehr nicht«, fuhr ich sie an und bemühte mich auch nicht meine Wut zu verstecken. Warum auch?
     Sie seufzte. »Einen anderen Ton bitte, junge Dame. Will kämpft für dich. Zwei müssen für eine Liebe kämpfen. Es tut ihm leid und er hat eingesehen, dass du die perfekte Frau währst. Er will dich zurück.« Ich rollte mit den Augen, konnte aber nicht verhindern, dass ihre Worte wie Messer in meine Brust fuhren und Schmerzen hinterließen.
     Er war ihr wichtiger als mein Glück. Wollte sie, dass ich mich jede Nacht in den Schlaf weinte? Wollte sie das zu Gunsten einer Hochzeit? War es das? Wollte sie mich leiden lassen sehen? Ich wusste es nicht. In meinem ganzen Leben war es für sie immer nur darum gegangen, dass ich einen Ehemann fand. Den Besten der Besten.
    Will war nicht der beste Ehemann. Jedenfalls nicht für mich. Will hatte mir mit seinen Worten einen Gefallen getan. Er hatte mir die Augen geöffnet. Zwar hatte ich schon länger geplant es zu beenden, besonders da ich nie an eine Hochzeit mit ihm gedacht hatte, doch Mum hatte das wohl nie so gesehen.

Das Rätsel der GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt