4. Kapitel

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     Mein Mantra hatte seine Wirkung verfehlt. Der Rauchmelder piepte laut. Der grelle, unerbittliche Laut dröhnte in meinen Ohren und sorgte dafür, dass ich meine Augen zusammenkniff, während ich versuchte den Brand zu löschen. Tatsächlich hatte ich es geschafft Nudeln anzubrennen.
     Gerade als ich sie löschen wollte, sprang die Tür auf und jemand rannte in die Küche. Nein, dachte ich, als ich aus dem Augenwinkel Damirs Gestalt erkannte. Ehe ich etwas tun konnte, nahm er mir den Feuerlöscher ab und löschte das Feuer. Mit großen Augen sah er mich an, die Sorge stand ihm ins Gesicht geschrieben.
    Erdboden, bitte tu dich auf, dachte ich. Die Angst und Sorge in seinem Blick machten es nicht besser. Ich hatte ihm Sorge bereitet. Einfach so. Warum auch immer... Nur weil Kochen nicht gerade meine Stärke war. Super...
    »Was ist passiert?«, fragte er und deutete auf den Herd, der nun unter Löschschaum verschwand. »Ich... ich wollte nur kochen und irgendwie hatte ich noch nie ein Händchen fürs Kochen. Na ja, ich wollte nur mal testen, ob ich zumindest Nudeln hinbekomme. Zuhause bekomme ich gerade mal hin ein Steak zu braten. Mehr auch nicht.«

     Damir runzelte die Stirn. »Dann ist es wohl besser, wenn du ab jetzt nicht mehr alleine kochst. Wir kochen zusammen.« Die Freude rutschte bei seinen Worten in den Keller. Nein, wollte ich schreien, bitte lass es mich weiter versuchen. Doch wen wollte ich verarschen? Das Kochen lag mir einfach nicht.
    Irgendwie. An Kochen hatte ich auch keinen Spaß, aber die Tatsache, dass er mich nicht mehr alleine kochen lassen wollte, tat weh. Es zeigte, dass ich wirklich schlecht darin war und er nicht riskieren wollte sein kleines Haus zu verlieren. Schuldgefühle wirbelten in mir auf und rauschten nach oben, verdrängten jedes andere Gefühl, dass ich noch gehabt hatte. Sie nisteten sich ein. In jeder Pore meines Körpers, in jeder Zelle, bis ich nur noch aus Schuldgefühlen bestand.
    Ja selbst meine DNA schien aus Schuldgefühlen zu bestehen. Schon mein ganzes Leben. Schuldgefühle waren nichts Neues. Immer hatte ich mich schuldig gefühlt, wenn ich aus Freude und Spaß ein Buch gelesen hatte, dass meiner Mutter nicht gefallen hatte. An anderen Tagen war ich zu lange wach geblieben, um den Sonnenuntergang bis zum Ende zuzusehen oder hatte Filme angesehen, die sich „für eine Dame nicht ziemten". Danach hatte ich mich schuldig gefühlt.
    Nachdem ich Mika so angefaucht hatte, als Dardan sie bevorzugt hatte, hatte ich mich auch schuldig gefühlt. Schuldgefühle begleiteten mich schon fast mein ganzes Leben und ich hatte gehofft sie hier ablegen zu können. Vielleicht lag es ja doch an mir... Nur an mir. Sicher nicht an den anderen.

     »Tut mir... tut mir leid«, würgte ich hervor. Die Worte schmeckten vertraut und gleichzeitig bitter auf meiner Zunge. In meinem Leben hatte ich sie schon so oft benutzt, dass sie fast automatisch über meine Lippen kamen. Daran konnte man nichts ändern. Damir runzelte die Stirn.
    »Was tut dir leid? Ist doch alles in Ordnung. Das Haus ist nicht abgebrannt und die Küche steht noch. Die Nudeln kann man vielleicht nicht mehr essen, aber da liegt ja noch eine Packung.«
     Er sagte das so, als wüsste er wirklich nicht, was mir leidtat. Als würde er es nicht verstehen. »Ich hätte fast dein Haus abgefackelt«, erklärte ich, als wäre das nicht Grund genug dafür, dass einem etwas leidtat.
     »Nein, du hattest doch den Feuerlöscher schon in der Hand. Außerdem ist es mir auch einmal fast passiert, dass ich etwas habe anbrennen lassen. Also sei unbesorgt. Es ist nichts passiert und bist du Dinge besser einschätzen kannst, kochen wir zusammen.« Das aufmunternde Lächeln auf seinen Lippen sollte wohl helfen.

     Allerdings konnte ich nur daran denken, was ich fast getan hatte. Das heiße Feuer loderte noch immer in meinen Augen, während ich noch immer das Piepen vom Feuermelder hörte. Damir streckte sich und drückte ihn aus.
     Mein Blick saugte sich dabei an seiner Hüfte fest, der frei zu sehen war, als das Shirt nach oben rutschte. Ein Flaum Haare zog sich von seinem Bauchnabel bis hin zum Bund seiner Hose.
    Wage waren Muskeln zu erkennen und seine Hüftknochen... Das Wasser lief mir im Mund zusammen. Damir war nicht wie Dardan. Dardan war von Muskeln bepackt. Eigentlich das, was viele Frauen wollten. Damir hatte nur einen schwachen Ansatz davon und das sorgte bei mir für Bauchflattern.
     Ja, Dardans Körper war ein Körper für sich, doch ich sehnte mich weniger danach seinen Oberkörper zu sehen, sondern den von Damir. Meine Finger juckten. Ich wollte ihn anfassen. Seine Hüftknochen. Den Flaum seiner Haare.

Das Rätsel der GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt