8. Kapitel

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     Irgendwie war die Woche vergangen. Der große blaue Fleck an meinem Schenkel war nun auch endlich verschwunden. Damir war ich so gut wie möglich aus dem Weg gegangen und er hatte mir meinen Freiraum gelassen. Zwar hatte er immer wieder nachgefragt, doch ich war seinen Fragen nur ausgewichen. Will hatte mir nicht mehr geschrieben, doch dafür meine Mutter. Jeden verdammten Tag.
     In jeder Nachricht ging es um das Gleiche. Darum, dass ich Will doch verzeihen sollte. Doch ich konnte nicht. Ich wollte nicht. Ich wollte es einfach nicht. Das war zu viel. Wut beherrschte seit diesem Tag meinen Körper. Tag für Tag. Stunde für Stunde. Minute für Minute.
     Die Wut hatte mich noch nicht losgelassen. Besonders, da meine Mutter immer dreister in ihren Nachrichten wurde, da ich ihre Anrufe ignorierte. Jetzt aber war Samstag und mir blieb keine Zeit mehr Damir auszuweichen.
     Zusammen saßen wir am Frühstückstisch, während der Radio lief und kroatische Nachrichten brachte, die ich mittlerweile etwas verstand. Gerade wurde von Temperaturen und Wettervorhersagen gesprochen.
     Damir kaute auf seinem Speck herum und blickte nachdenklich auf seinen Teller. Meine Gedanken drehten sich. Wie so oft in den letzten Tagen. Sie fuhren im Kreis, dann auf und ab. Immer wilder. Immer schneller. Wie bei einer wilden Achterbahnfahrt. Langsam war ich es leid.

     Meine Gedanken fanden selten Ruhe. Besonders, da ich mich immer wieder fragte, ob Damir es leid war mich zu lieben. Bestimmt, dachte ich immer wieder. Die Frustration stand ihm ins Gesicht geschrieben und an schlechten Tagen dachte ich daran einfach wieder zu fahren, nur damit es ihm besser ging.
     Auch jetzt gerade lagen mir diese Worte auf der Zunge. Seit dieser Nachricht von Will war in alte Muster verfallen und fand nicht mehr heraus. Es schien keinen Ausweg mehr zu geben. Gar keinen. Egal wie sehr ich mich bemühte. Immer wieder verfiel ich diesem Teufelskreis.
     Und das nur wegen Nachrichten oder anderen Dingen. Meine Lage war sehr instabil. Egal was geschah, ich verfiel sehr schnell und leicht in alte Muster. Das war nicht gut, doch ich konnte auch kaum etwas dagegen tun.
     Die Luft knisterte vor Anspannung. Damir hatte die Lippen zu einem schmalen Strich verzogen und seine Schultern wirkten verkrampft. Die Art, wie er die Gabel hielt, wirkte so, als würde er sie am liebsten irgendwo reinrammen. Am liebsten in mich. Immer wieder schaffte ich es ihm wehzutun.

     Immer und immer wieder. Dafür hasste ich mich selbst. Denn ich wollte ihm nicht wehtun. Nicht ihm. Hier saß ich aber und tat ihm einfach weh. Nach weiteren Minuten des Schweigens schien er genug zu haben, denn er hob den Kopf und die Entschlossenheit, die in seinen Augen loderte, war unverkennbar.
     »Ich hab genug davon. Du weichst mir die ganze Zeit aus und sagst, dass es dir gut gehen würde, doch das stimmt nicht. Ich sehe es in deinen Augen. Dich beschäftigt etwas. Du weißt doch, dass du mir vertrauen kannst, oder? Ich bin immer für dich da. Ich halte es nur nicht aus, wenn du etwas in dich hineinfrisst.«
     Seine Worte sorgten nur noch für noch mehr Schmerz in meinem Inneren. In meinem Herzen, in meiner Brust, in meinem ganzen Körper. Ich tat ihm ständig weg. Ohne Rücksicht auf Verluste.

     Tränen wollten erneut in meine Augen treten, doch ich lies es nicht zu. Tief holte ich Luft, bereit die Wahrheit zu sagen. Weil er sie verdient hatte. »Will hat mir die ganze Zeit geschrieben. Die ganze Zeit. Er hat auch angerufen, doch ich habe ihn ignoriert. Dann hat meine Mutter angerufen und... ihn verteidigt. Sie meinte, er würde mich lieben und um mich kämpfen und dass ich ihn auch lieben würde und so weiter... das stimmt aber nicht. Ich liebe ihn nicht und ich habe ihn nie geliebt. Niemals. Und er hat mich auch nie geliebt. Ich habe einfach sein Ego verletzt. Mum sieht das anders und steht auf seiner Seite.«
     Ein Muskel an seinem Kiefer zuckte und Wut glomm in seinen Augen auf, doch er ließ mich weitersprechen. »Dann hat Will mir eine letzte SMS geschrieben, da ich ihn auf WhatsApp blockiert habe. Er meinte, dass er mich lieben würde und um mich kämpfen würde und ich mich kindisch verhalten würde. Er... er schrieb... er schrieb, dass es... es anstrengend sei mich zu lieben. Und dass... das glaube ich ihm, weil ich sehen kann, wie anstrengend es für dich ist.«
    Bei meinen letzten Worten riss er die Augen auf und schüttelte wild mit dem Kopf. »Feniks... nein. Wie kannst du seinen Worten glauben? Es mag für ihn anstrengend sein, aber nicht für mich. Natürlich hast du mir damals wehgetan und ja, manchmal ist es nicht einfach, aber welche Liebe ist schon einfach? Keine. Dardan und Mika haben doch auch ihre Probleme, das bedeutet aber nicht, dass sie es anstrengend finden den anderen zu lieben. Es ist nicht anstrengend für mich, Feniks. Bitte glaub das nie wieder. Es ist nicht einfach, aber das ist Liebe nie. Es hält mich nicht davon ab dich zu lieben. Er ist einfach in seinem Ego verletzt und versucht nun dich auch zu verletzen. Am liebsten würde ich den Mistkerl anrufen.«

Das Rätsel der GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt