30. Kapitel

222 20 8
                                    

Mit zitternden Händen schrieb ich eine Nachricht, in der Hoffnung, dass er antworten würde. Als ich die Nachricht abschickte, bekam sie aber nur einen Haken, der blieb. Nächster Versuch. Anrufen. Ich wählte die Nummer auswendig und wartete. Das Tuten erschien mir endlos.

Wie eine halbe Ewigkeit. Doch es geschah nichts. Am Ende ertönte die blecherne Stimme des Anrufbeantworters: Hier ist die Mailbox von... Sofort legte ich auf. Na toll. Ich konnte ihn nicht erreichen und wusste nicht, wo er war. Panik verbreitete ihren Nebel in meinem Kopf und ließ mich Dinge sehen, die es nicht gab.

Mein Blut geriet in Wallung und meine Brust hob und senkte sich in flachen Atemzügen. Wo ist er? Wo ist? Wo ist er? Auf diese Frage fand ich keine Antwort. Auch nicht, als ich panisch durch das Haus lief. Denk nach, animierte ich mich. Denk nach. Wo würde Damir hingehen?

Für mich gab es da nur eine Antwort, doch ich wollte nicht glauben, dass er das getan hatte. Wieso sollte er das tun? Immer wieder hatte ich ihm gesagt, dass ich vor 12:00 Uhr zurück sein würde und das stimmte auch. Ich war hier. Nur er war nicht hier. Die Frage war, ob er tatsächlich mit dem Boot unterwegs war.

Nein, dachte ich. Oder? Wieso sollte er das tun? Wieso hatte er nicht einfach warten können? Nervös tigerte ich auf und ab und hatte das Gefühl, dass die Wände immer näher und näher kamen. Sie schienen mich fast zu erdrücken. Ich wusste nicht, was das sollte. Wieso hatte er nicht einfach warten können?

Eilig öffnete ich mein Handy erneut und wählte Mikas Nummer. Nach ein paar Sekunden hob sie ab. »Phoenix? Ist alles in Ordnung? Wie ist es gelaufen?«, überschüttete sie mich mit Fragen.

»Mit Mum ist es gut gelaufen. Dazu erzähle ich später mehr. Weißt du, wo Damir ist?« Bitte sag mir, dass du es weißt. Die Stille, die auf meine Frage hin folgte, machte mir nur noch mehr Angst. »Wie? Ist Damir nicht im Haus? Ich weiß nicht, wo er ist. Er hat mir nichts gesagt und mir auch nicht geschrieben.«

Ganz toll, dachte ich. Wenn Damir nicht mal ihr Bescheid gegeben hatte, dann hieß das was. Damir gab Mika immer Bescheid. Immer. Doch jetzt? Jetzt hatte er das nicht und die Panik in mir stieg erneut an.

»Ja. Er... er ist nicht hier. Vermutlich ist er mit dem Boot weg. Aber ich weiß nicht, wo er hin ist. Er könnte ja überall hinfahren. Was ist, wenn er nicht mehr zurückkommt? Oder abhaut? Oder sich verletzt hat? Oder-«

Mika unterbrach meinen Redefluss. »Shh. Damir weiß, was er tut. Vermutlich wollte er einfach nicht rumsitzen und warten. Er musste weg. Damit ihm nicht die Decke auf den Kopf fällt. Damir wird schon nichts passiert sind. Er fährt doch fast jeden Tag Boot. Warum sollte ausgerechnet heute etwas passiert sein? Warte einfach. Er wird kommen. Da bin ich mir sicher. Du musst einfach nur warten.«

Einfach nur warten. Noch nie hat sich etwas so schwer angehört wie das. Wie sollte ich hier warten, wenn ich vor Sorge starb? Eine nette Nachricht wäre schön gewesen. Wie zum Beispiel: Ich bin Bootfahren und komme später wieder. Mach dir keine Sorgen um mich. Bis dann.

Stattdessen hatte ich einfach ein leeres Haus vorgefunden und an sein Handy ging er auch nicht. Sorge und Panik zerfraßen mich von innen und ließen mich Dinge sehen, die gar nicht da waren. Die es gar nicht gab. Das wusste ich und doch... und doch konnte einfach nicht aufhören sie zu denken.

Die Panik flutete meinen ganzen Körper und vernebelte mir den Kopf. Vor mir sah ich Bilder. Bilder von Damir, der bewusstlos am Boot lag. Damir, der an einem Strandstück saß, mit einem kaputten Boot. Damir, der geradewegs auf einen Felsen zusteuerte, ihn aber nicht sah, da das Wasser ihn halb verschluckte. Damir, der verletz war. Ich sah so viele Dinge, von denen ich wusste, dass sie ihm nicht unbedingt passieren mussten. Das wusste ich.

Das Rätsel der GefühleWo Geschichten leben. Entdecke jetzt