Regnerisches London

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Wütend knirsche ich mit den Zähnen als zwei in Regenmäntel gehüllte junge Männer den Laden betreten. Menschen sind nicht nur so abstoßend wie das Wetter hier in London, sondern auch noch scheiße höflich und reden immer lange um den heißen Brei rum. "Herr Sainz, ich habe Sie bereits erwartet", höre ich die gestellte Stimme meines Vaters, der dem Schwarzhaarigen beinahe aus der Hand frisst, wie erbärmlich. Der Schoßhund neben diesem mustert alles mit einem argwöhnischen Blick, den ich ihm gerne aus dem Gesicht schlagen würde. "Mister Villin, ich hoffe es ist für Sie kein Umstand, dass ich meinen Freund mitgenommen habe. Möglicherweise wird etwas Großes aus ihm", brüderlich legt er einen Arm um den deutlich Kleineren.

"Natürlich, Ev, kümmre dich doch bitte um den Herren", meint mein Vater, um ihn nicht anzuglotzen wie ein U-Boot, nicke ich einfach nur. "Folgen Sie mir", deute ich, das "Aber bitte unauffällig", denke ich mir dann aber doch nur. "Bist du sicher, dass du das kannst?", fragt der Brünette nach, wütend drehe ich mich um. "Wenn du dir so sicher bist, dass ich es nicht kann, mach es selbst", fahre ich ihn gedämpft an. Würde mein Vater davon Wind bekommen, wäre ich schließlich einen Kopf kürzer. "Weißt du, wer vor dir steht?", der Mann stellt sich knapp vor mich und trotz seiner unterdurchschnittlichen Größe, bekomme ich bloß seine Brust zu sehen. Der Geruch seines Parfum steigt mir in die Nase, aus einem unerklärlichen Grund, finde ich es anziehend.

"Ein Arsch, den ich nach diesen zwanzig Minuten nie wieder sehen werde", antworte ich ihm ehrlich. Auf eine andere Weise amüsiert mich dieses Gespräch, es fühlt sich so an, als würden wir Freunde sein, die den ganzen Tag nichts anderes tun. "Wie schön, dass wir das gleiche voneinander denken", antwortet er, ein kleines Lächeln umspielt seine Lippen. "Wofür brauchst du den Anzug?", will ich von ihm wissen, da ich gut abschätzen kann, was für welchen Anlass geeignet ist. "Jedenfalls für keine Dates mit dir", meint er hochnäsig, was ich mit einem "Wie gut, denn das würde ich sowieso nicht", kontere.

"Er sollte für geschäftliche Anlässe geeignet sein", antwortet er mir, da ich solche Antworten bereits gewohnt bin, denke ich mir nichts weiter dabei. "Will der Herr noch eine Extrawurst oder darf er auch Standard sein?", hacke ich weiter nach. Seine Augen werden von einem gefährlichen Flunkern bedeckt, was mir jedoch egal ist. Nur weil ich eine Angestellte bin, heißt es nicht, dass ich mir von den Schnöseln dieser Welt jeden Blödsinn gefallen lassen muss. "Es sollte schlicht, aber dennoch elegant sein", meint er, worauf ich nur die Augenbrauen hebe und ihn frech frage "Bei deiner Körpergröße also ein schwarzes Kleidchen, bestenfalls schulterfreier Schnitt?".

Man sieht ihm förmlich an, wie die Wut ins Gesicht steigt, was mich hingegen komplett kalt lässt. "Nein danke, ich nehme lieber einen klassischen Anzug", presst er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. "Wir haben hier einige Modelle, persönlich empfehle ich den ganz links. Hier sind auch einige Probegrößen, damit du siehst, welcher am besten passt. Danach wird gemessen und je nach Aufwand dauert die Anfertigung drei bis sieben Werktage", erkläre ich ihm, doch mit meinen Gedanken bin ich eigentlich wo komplett anders.

Noch nie in meinem Leben habe ich jemanden gesehen, der so lange braucht, um den passenden Anzug zu finden. Hier und dort gibt es etwas zu meckern, bis er schließlich einen findet, der ihm laut seiner eigenen Aussage schmeichelt. Leider hat er damit Recht, man könnte fast sagen, er sieht hübsch aus. "Wenn du dich umgezogen hast, kannst du deine Wünsche äußeren und wir messen noch einmal nach, außer etwas hat deiner Meinung nach perfekt gepasst", meine ich, es ist komisch jemanden absichtlich zu duzen, normalerweise ist es eigenartig, doch irgendetwas hindert mich daran, freundlich zu sein. Doch auch bei ihm scheint eine gewisse Belustigung hinter den ganzen Kommentaren zu stecken, würde das jemand anderer hören und meinem Vater mitteilen, könnte ich im Boden versinken, bevor ich es auf meiner Beerdigung tue.

"Noch nie einem gutaussehenden Mann so nahe gewesen?", die Belustigung in seiner Stimme verstärkt das Zittern meiner Hände. "Wie kommst du auf diese absurde Frage?", will ich von ihm gespielt dumm wissen, nebenbei versuche ich die Zahl zu lesen, doch das ist ein wenig schwierig, wenn meine Hände keinen Moment stillstehen können. "Weil du ziemlich nervös wirkst", sein Ego ist gerade drei Etagen höher als der IQ, das höre ich, selbst wenn ich nicht einmal genau aufgepasst habe. "Jetzt stellt sich mir nur noch die Frage, wer hier von gutaussehend redet", murmle ich abwesend, leider ist es eine Lüge, da er, je mehr ich ihn ansehe, attraktiv ist, verdammt attraktiv sogar.

"Und wenn es geht, eine kleine Stickerei mit LN auf der linken Seite des Kragens", mit diesen Worten beendet er seine Wunschliste, der ich nur mit Mühe folgen kann. "Okay, dass ist alles machbar, aber es wird teuer und der Name, auf den ich es bestellen soll, wäre auch noch offen", sage ich noch, während ich kurz die Liste überfliege, damit ich sichergehen kann, dass ich später noch einmal alles lesen kann. "Darüber solltest du dir lieber nicht den Kopf zerbrechen und bestellt wird auf den Namen Norris", auf seinen Zügen liegt etwas Abwertendes, das mir nicht gefällt. "Nun dann Frau Norris, unter welcher Telefonnummer können wir Sie erreichen, sobald ihr Anzug geliefert wird?", hacke ich gespielt höflich nach, der Sarkasmus sollte bis nach Afghanistan zu hören sein.

"Meine Visitenkarte gibt alle nötigen Informationen preis, diese habe ich bereits dem Ladenführer überlassen", kurz beißt er sich auf die Unterlippe. Moment, warum starre ich überhaupt dorthin. Aber ihm in die Augen zu sehen, ist auch eigenartig. Verdammt, wo reite ich mich jetzt nur schon wieder rein. "Je nachdem wie Notwenigkeit ist, könnte ich versuchen, dass die Ware bereits früher verfügbar ist", merke ich noch an, eine gewisse Freundlichkeit muss schließlich auch vorhanden sein. "Nein, es besteht kein Grund zur Eile", während er spricht, sieht er mir intensiv in die Augen, warum auch immer bin ich von den seinen gefesselt.

Zu viel und doch zu wenig |F1-FF| |Lando Norris|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt