Regnerisches London 2

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"Jedenfalls würde ich mich gerne revanchieren für die Mühe", meint dieser Sainz, erst jetzt fällt mir der starke spanische Akzent auf. "Das ist doch kein Problem, dafür sind wir ja hier", mein Vater ist wie immer oberfreundlich, leider ist diese Art an ihm für mich bereits die Normale. "Ihre Visitenkarte, Mister Norris, habe ich bereits in Empfang genommen", hängt er noch hinten dran, der Brite scheint erst etwas verwundert, doch er überspielt das ganze so schnell, dass man es kaum bemerkt. "Das freut mich zu hören", meint dieser, doch die Abwesenheit in seiner Stimme scheine nur ich zu hören.

"Wir freuen uns auf eine erneute Zusammenarbeit", mit diesen Worten verabschiedet sich mein Vater von den beiden. "Die Maße von Herr Norris habe ich bereits in das System eingegeben, kann ich für heute Feierabend machen?", frage ich, aus Angst, ein Nein zu hören, beiße ich mir auf die Unterlippe. "Bei dem Wetter solle eigentlich niemand mehr kommen, aber die halbe Stunde bist du nächste Woche früher hier, schließlich wird man fürs Nichtstun nicht bezahlt", obwohl er sich bemüht, nicht allzu streng zu klingen, läuft mir ein Schauer über den Rücken.

Zu meinem Glück gab es keine weiteren Bedingungen, weshalb ich mir den Weg durch die regnerischen Straßen zu meiner Wohnung bahne. Die Klamotten kleben mir am Körper, ebenso wie die Haare. Gerne würde ich wo anders hinziehen, aber diese Möglichkeit hat sich bisher nicht ergeben. Kurzerhand ziehe ich mich um, eine Dusche kann ich auch morgen in der Früh nehmen. Erst jetzt fällt mir wieder das Gespräch mit diesem Briten ein, keine Ahnung warum, aber ich habe das Bedürfnis mit meiner besten Freundin darüber zu sprechen.

"Was brennt?", sind ihre ersten Worte nach dem Tuten. "London jedenfalls nicht, falls du dieses Sauwetter gesehen hast", antworte ich ihr ironisch, was sie mit einem "Was du nicht sagst", quittiert. "Dafür hatte ich heute einen verwunderlichen Kunden", murmle ich vor mich hin. "War er heiß? Erzähl mir mehr", die Euphorie in ihrer Stimme reicht leider nicht um auf mich überzuspringen. Mit Hintergedanken beginne ich ihr alles von Anfang bis Ende zu erzählen.

"Also zu deinem Glück, habe ich gerade Interessantes gefunden", ein Grinsen liegt auf ihren Lippen, das weiß ich, ohne sie zu sehen. Mein kurzes Schweigen fordert sie dazu auf, fortzufahren. "Dein Kunde war vermutlich Lando Norris", meint sie voller Freude, doch ich verstehe nur Bahnhof. "Muss man den kennen?", will ich abwertend von ihr wissen, auf der anderen Seite der Leitung höre ich sie scharf die Luft einziehen. "Also neben der Bemerkung das er nicht hässlich ist, sollte man erwähnen das er in der Formel 1 fährt, aber nur vielleicht", ihre Stimme trotzt vor Sarkasmus, doch mich lässt das ziemlich kalt.

"Selbst wenn er der Urenkel der Queen wäre, ich werde nie wieder etwas mit ihm zu tun haben, also was soll's", meine ich beiläufig. "Gott, da würde dir einmal ein heißes Schnittchen über den Weg laufen und dann hast du wieder nur negative Gedanken", meckert sie. Insgeheim hofft Aria doch nur, dass ich nicht immer allein neben ihr und ihrem Freund stehe. "Das ist nicht pessimistisch, sondern realistisch", antworte ich ihr kühl. "Okay, anderes Thema, wann treffen wir uns morgen?", schwungvoll wie immer, kann sie keine Viertelstunde bei demselben Thema bleiben. "Morgen bin ich wieder im Café", meine ich leicht gereizt, langsam sollte sie sich das doch merken.

"Dann treffen wir uns eben nach deiner Schicht, damit habe ich auch kein Problem. Wie immer um 13 Uhr?", nichts und niemand kann Aria stoppen, wenn sie sich einmal ihre Flausen in den Kopf gesetzt hat. "Klar, geht super", lüge ich sie an. Eigentlich möchte ich nur den ganzen Tag auf meiner Couch liegen bleiben, mit niemanden sprechen und im besten Fall noch diesen Lando vergessen. Während dem Telefonat hat sie es echt für nötig gehalten, mir die ganze Zeit diverse Bilder von ihm zu schicken. Das erste Mal freue ich mich, dass ihr Freund da ist, da sie ganz plötzlich, ganz schnell auflegen muss. Details kann sie mir gerne ersparen.

Meinen Frust versuche ich möglichst gut vor den Kunden zu verstecken. Die Frau vor mir hat jedoch eine ganz besondere Mission, da sie sich, seit satten zehn Minuten nicht entscheiden kann, welchen Kuchen sie zu ihrem Kaffee möchte. Gerade will ich die bitten, einen anderen um Rat zu fragen, da verlangt sie prompt nach einem Erdbeerkuchen. Kein Bitte, kein Danke, kein leck mich doch am Arsch. Zumindest zählt sie großzügig, weshalb ich mir meinen Kaffee nach der Schicht ausnahmsweise nicht selbst bezahlen muss. Wie gestern ist das Wetter die reinste Katastrophe, zwar bleiben dann die Kunden aus, aber auf der anderen Seite ist mir langweilig. "Hallo", begrüße ich die nächste Kundschaft, doch es herrscht eine bedrückte Stimmung.

"Hallo, Frau Villin", meint der Mann vor mir. "Mister Sainz, mit Ihnen habe ich jetzt gar nicht gerechnet", entfährt es mir, der Spanier lacht bloß. "Dasselbe könnte ich sagen. Haben Sie hier eine Stelle als Aushilfe?" will er von mir wissen. Gerade will ich antworten, da betritt Lando Norris den Laden. Unsere Blicke treffen sich für einen kurzen Moment, aber dann sehe ich schnell wieder zu dem Spanier. "Ja, irgendwie kann ich das hier einfach nicht loslassen und mache jeden Samstag einige Stunden", erkläre ich ihm, was nur die halbe Wahrheit ist. "Du kannst mich gerne Carlos nennen, wie war noch einmal dein Name?", meint er. "Freya, schön dich kennen zu lernen", freundlich halte ich ihm die Hand entgegen, die er, ohne zu zögern, eifrig zu schütteln beginnt.

"Und Lando hast du ja bereits kennen gelernt", ein stolzes Lächeln ziert seine Lippen, erst jetzt bemerke ich, dass der Brite sich neben ihn gestellt hat. Um die Situation nicht in eine eigenartige Richtung rudern zu lassen, halt ich diesem ebenfalls die Hand hin. Erst zögerlich, doch dann scheint ihn etwas zu jagen und er drückt meine Hand fester. "Lando Norris", höre ich seine Stimme in meinem Kopf hallen, doch das Kribbeln, welches quer durch meinen Körper rast, lenkt mich viel zu sehr ab, um genauer zuzuhören. Aus Angst die beiden könnten mein Blut pulsieren hören, presse ich meine andere Hand unter dem Tresen zu einer Faust zusammen.

Zu viel und doch zu wenig |F1-FF| |Lando Norris|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt