Zu viel und doch zu wenig |F1-FF| |Lando Norris|

Verschneites London 3

Ohne weitere Unfälle kommen wir zu zweit in dem Geschäft an, nachdem ich gesucht habe. Man könnte es als wunder bezeichnen, denn Sandra ist vorhin schon ordentlich gegen die Laterne gekracht, sie vermutet sogar, dass das eine kräftig blau leuchtende Beule auf ihrer Stirn gib. Trotzdem vergeht ihr das lachen nicht, was ich bewundernswert finde. Aria hätte, wie ich sie eben so kenne, nur gejammert. "Du beginnst schon, die beiden miteinander zu vergleichen", zischt meine Gehirnzelle, damit hat sie allerdings nicht unrecht.

"Die haben aber schöne Sachen, woher kennst du diese Läden?"; will sie von mir wissen, dreht sich einmal im Kreis, um alles im Überblick zu haben. "Wenn dein Vater eine Firma gründet, die etwas mit Mode zu tun hat, dann kennst du so gut wie jedes kleine Geschäft, glaub mir", erkläre ich ihr amüsiert, denn wenn man es genau nimmt, ist diese Boutique hier, alles andere als unbekannt. "Du suchst doch ein Kleid, oder?", will ich von ihr wissen, sofort beginnt sie heftig zu nicken. "Rot wäre schon eine tolle Farbe", meint sie, worauf ich beginne zu nicken. "Falls du was Grünes siehst, das mir passen könnte, dann ist es meins", gebe ich ihr Bescheid.

Als hätten wir es ausgemacht, trennen sich unsere Wege, Sandra geht nach links, ich nach, naja, in die andere Richtung eben. Nach wenigen blicken die ich über Klamotten hier, stelle ich fest, dass das eher Sandras Domain ist, nicht meine. "SanSan, ich denke, hier ist dien Zuhause", rufe ich gedämpft durch das Geschäft, was sie mit einem "Das gleiche wollte ich gerade sagen", meint sie, worauf ich anfange zu lachen. "Kümmern wir uns erst einmal um dich, schwing deinen Arsch her", schlage ich vor, wie bestellt steht sie plötzlich vor mir.

"Was hältst du von dem hier?", frage ich sie und halte ein rotes Kleid hoch, welches ihrer Größe entsprechen sollte. "Das muss ich anprobieren, bevor ich was dazu sagen kann", meint sie breit grinsend, entzieht es mir und macht sich auf die suche nach einer Umkleidekabine. "Dort", mit der Aussage deute ich auf einen halb zugezogenen Vorhang. Ohne zu zögern, hüpft sie hinein, ich hingegen lasse mich auf einen der Ledersessel vor der Kabine fallen. "Kommst du rein?"; will ich amüsiert von ihr wissen, da ich sie immer wieder vor sich hin fluchen höre.

"Nein, ich bekomme den Reisverschluss nicht zu", jammert sie lautstark, worauf ich zu lachen beginne und ihre Aussage mit einem "Warum hast du mich nicht um Hilfe gebeten?", hinterfrage. "Man, ja bitte", fleht sie, worauf ich erneut aufstehe und den Vorhang ein Stück zur Seite schiebe, damit nicht die halbe Boutique davon mitbekommt. Mit einer Hand hält Sandra das Kleid, die andere fummelt an dem Reißverschluss herum. "Anstatt zu fragen, fluchst du lieber, oder?", ziehe ich sie auf, ehe ich den Zipper nach obenhin zuziehe. "Ja, lass mich", nuschelt die Brünette, dass sie mit den Augen rollt, sehe ich im Spiegel vor ihr, lasse es aber unkommentiert und befinde es eher als lustig.

"Zeig dich mal", meine ich und drehe sie an der Schulter etwas zu mir. Der Rote leichte Stoff legt sich um ihre schlanke, dennoch kurvige Figur, einfach ein Traum. "Was sagst du, passt es?"; frage ich sie hoffnungsvoll. "Es fühlt sich echt gut an und es sieht genau so gut aus", meint sie mit einem fetten Grinsen auf den Lippen, welches ich erwidre. "Dann nimm es", vor Begeisterung klatsche ich in die Hände. "Wenn du das sagst, muss es so sein. Sobald ich umgezogen bin, bist du dran", ein verschwörerischer Gesichtsausdruck wird mir zugeworfen, ehe ich kichernd aus der Kabine gedrückt werde.

Binnen weniger Minuten halte ich ein Kleid in der Hand, es ist ähnlich geschnitten wie das von Sandra, bloß deutlich kleiner. Ein weiterer Unterschied ist aber auch, dass ich es selbst verschließen kann, bei dem Gedanken muss ich grinsen. Ohne vorher einen Blick in den Spiegel zu werfen, schiebe ich den Vorhang Beiseite, Sandra hackte alle paar Sekunden nach, weshalb ich sie nicht weiter auf die Folterspannen und warten lassen will. Meine Haare werfe ich noch geschickt nach hinten, um sie über die Schulter zu werfen zu können, müssten sie länger werden.

"Gekauft!", quietscht Sandra, sobald ich hochsehe, ein unglaublich breites Lächeln ziert ihre Lippen. "Ist das so?", frage ich sie ironisch, hebe eine meiner Augenbrauen, muss mir aber ein Lachen unterdrücken. "Wenn Lando dich in dem Kleid sieht, fleht er darum, dass du mit ihm auf ein Date gehst", entfährt es ihr beinahe aufgebracht. Erschrocken reiße ich den Mund auf, schließe ihn aber sofort wieder. "Wie kommst du jetzt wieder auf Lando?", will ich von ihr wissen. Bei dem Gedanken an ihn, fallen mir wieder die Bilder aus Abu Dhabi ein, wo wir uns beinahe geküsst hätten.

"Erde an Freya? Ihre Verbindung wurde unterbrochen, bitten um Wiederaufnahme", energisch schüttelt sie mich durch. Augenblicklich lande ich wieder im hier und jetzt als würde mir jemand den Boden unter den Füßen wegreißen, so hilflos fühle ich mich gerade. Dabei besteht dafür nicht einmal ein Grund. "Jedes Mal, wenn sein Name fällt, oder er in der Nähe ist, verfällst du halb ins Koma", bemerkt Sandra, ihr kritischer Blick entgeht mir dabei nicht. "Vielleicht habe ich Gefühle für ihn, aber nur vielleicht", nuschle ich vor mich hin. In meinem Kopf suche ich gerade nach dem richtigen Schachzug zu finden, sonst komme ich aus diesem Thema so schnell nicht mehr heraus.

"Du ziehst dich um und danach suchen wir ein Café, ungeschoren kommst du mir nicht davon", Sandra lässt keine Widerworte zu, seufzend lasse ich meine Schultern sinken und kehre zurück in die Kabine. Zumindest habe ich, bis wir ein Café gefunden haben, genug Zeit, um mir zu überlegen, was ich sagen kann. Irgendetwas gibt mir das Gefühl, dass ich mich zwar mit Lando, aber nicht mit dem bevorstehenden Gespräch auseinandersetzen werde. Geschwind ziehe ich mir meine normalen Klamotten an, irgendwann möchte ich schließlich auch hier raus. Wortlos sehe ich sie an, wir deuten uns mit einem Blick, dass es zu Kasse geht, wo wir dann auch bezahlen. Jetzt heißt es für mich Kreuzverhör.