Stürmisches Abu Dhabi 10

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"It's lights out and away we go!", brüllt der Kommentator, draußen heulen die Motoren und ich starre wie gebannt auf den Bildschirm. Lando bietet den Zusehern direkt bei diesem Feuer-Start ein geballtes Battle mit George, doch dieser gibt einfach nicht nach. Max Verstappen der ebenfalls gut weggekommen ist, überholt die beiden als wären sie sein Frühstück und ist somit in Führung. Auch auf den hinteren Rängen kam es zu Überholmanövern, die ich aber nicht alle verfolgen konnte. Anders als beim letzten Mal, kommen wir ohne Red-Flag sowie Safety-Car aus. Binnen der ersten Runden fädelt sich jeder an seinem Platz ein, versucht Abstände zu verringern, andere zu überholen oder das Auto nicht in der Kurve zu verlieren. Lewis knabbert noch immer daran, an Lando vorbeizukommen, er verteidigt jedoch jedes Mal geschickt und dieser kommt einfach nicht nach vorne.

Sobald es zu den Boxen Stopps kommt, wird es wieder spannender, sagt zumindest Sandra. Meistens wird von Lewis berichtet, der hinter Lando hängt, doch die Aufmerksamkeit spende ich eher geringfügig bis gar nicht diesem Rennen. Immer wieder lasse ich die Aufeinandertreffen mit ihm durch meinen Kopf wandern "Habe ich etwas übersehen?", ist die Frage die ich mir stelle. Möglicherweise hat er ja einen Hinweis auf sein Verhalten hinterlassen, doch ich finde nichts. "Lando fährt in die Box", aufgeregt schüttelt die Frau neben mir meine Schulter. Ob sie mich damit ‚aufwecken' oder sich selbst beruhigen will, habe ich noch nicht so ganz herausgefunden.

Tatsächlich fährt der Wagen mit der Nummer 4 in die Boxengasse hinein, direkt hinter ihm Lewis. Wie erwartet klappt das Reifenwechseln nicht und Lewis ist ganze zwei Sekunden schneller abgefertigt als Lando, wodurch er nun auch vor ihm liegt. Beide haben den gleichen Reifen aufgezogen bekommen, weshalb das Publikum mit einer mitreißenden Verfolgungsjagt rechnen kann. "Das kann doch nicht wahr sein", murmelt Sandra neben mir, ich hingegen bleibe einfach ruhig und verfolge das Rennen weitestgehend.

Auf den letzten Kilometern führt Max, der seinen Sieg bereits in der Tasche hat. Nicht einmal der Mercedes von George konnte etwas gegen den RedBull ausrichten, Sandra vermutet, dass es einfach am Setup liegt. Auch Landos Überholversuche haben keine Wirkung gezeigt und er steckte den Rest des Rennend hinter Lewis fest. "Max Verstappen gewinnt den Abu Dhabi Grand Prix!", höre ich plötzlich die Stimme des Kommentators, erschrocken zucke ich zusammen.

Mit einem deutlichen Abstand fährt auch George über die Linie, hinter ihm Lewis und Lando. Carlos ist wegen Turbulenzen bloß auf dem 8. Platz wiederzufinden. "Mit nur fünf Punkten Vorsprung gewinnt Lewis Hamilton zum 8. Mal die Weltmeisterschaft! Die ganze Saison über war es knapp und Kopf an Kopf, doch er hat es trotzdem geschafft, den Rekord von Schumacher zu brechen!", zu gerne würde ich die Kommentare einfach abstellen, von der Stimme bekomme ich unausstehliche Kopfschmerzen.

Es wird eine Grafik eingeblendet, auf der man sehen kann, wer wie viele Punkte eingefahren hat. Zu meiner Verwunderung hatte Lando bloß 19 Punkte weniger als Verstappen und lag somit nur 24 Punkte hinter dem Weltmeister. "Was sitzt du noch hier? Jetzt wird gefeiert!", Sandra neben mir ist schon die ganze Zeit am Ausrasten. Es grenzt an ein Wunder, dass sie nicht mit einer Flasche Alkohol neben mir sitzt. "Freust du dich denn nicht?", fragt sie mich besorgt, doch ich schüttle bloß den Kopf. "Mir geht es schon den ganzen Tag nicht so sonderlich", gebe ich zu.

"Du bleibst hier im Motorhome! Rühr dich nicht vom Fleck! Ich muss jetzt aber zu Daniel!", aufgeregt huscht sie raus aus dem Raum, in dem wir uns breit gemacht haben. Sobald die Türe hinter ihr wieder ins Schloss fällt, lege ich meinen Kopf auf der Tischplatte ab. Gerne würde ich einfach nur weinen, zusammenbrechen, aber ich kann nicht. Die vergangenen Tage hat mich Lando nicht beachtet, es hat mich fertig gemacht und es wird mit jeder Minute schlimmer. Die Sehnsucht seiner Arme an meinem Körper, seines Atems der an meinem Nacken abprallt oder seiner Stimme an meinem Ohr.

Warum habe ich ein Verlangen nach einem Mann, der mich stehengelassen hat? Missbraucht hat? Ist es seine Ausstrahlung oder doch der Fakt, dass ich einfach nur hoffnungslos in einen Arsch verliebt bin? Hunderte Fragen dieser Art schwirren mir durch den Kopf und eine einzelne Antwort, würde mir schon genügen, aber ich denke, die werde ich niemals bekommen. "Morgen fliege ich zurück, dann hat sich das alles erledigt. Dann habe ich genügend Zeit, um von dem Kerl loszukommen", flüstere ich vor mich hin, zuversichtlich, dass es besser wird.

"Rate Mal wer wieder da ist und dir einen Tee mitgebracht hat?", ruft Sandra lautstark beim Öffnen der Türe. Verdammt war sie schnell, zu schnell. "Mhm, Lando?", stelle ich mich absichtlich dumm, was die Brünette zu amüsieren scheint, da sie in schallendes Gelächter ausbricht. "Ich kann es ihm gerne ausrichten", meint sie und ich würde es ihr auch zutrauen, weshalb ich eilig mit einem "Nein, nicht nötig", abwinke. "Aber jetzt Mal ehrlich, es sah wirklich so aus als würde er auf jemanden warten" mit diesen Worten setzt sie sich neben mich.

"Bestimmt nicht auf mich", antworte ich ihr trocken, mit direktem Blick in die Augen. "Wenn du denkst", sie überreicht mir den Tee, eigentlich würde ich ja gerne ablehnen, weil ich normalerweise keinen Tee trinke. Weil sie sich aber so sehr um mich kümmert, lasse ich es einfach stehen und nehme einen Schluck. "Du solltest vielleicht heute wirklich nicht mitfeiern, auch wenn es schade ist", mitleidig legt sie ihren Kopf schief. "Ach, für mich geht das eh klar. Heute kurz unter die Dusche und morgen ab in den Flieger wieder nachhause", meine ich mit einem schwachen Lächeln auf den Lippen.

"Wenn du willst, können wir gemeinsam zurück zum Hotel. Das hier dauert eh wieder viel zu lange und dann kann ich zumindest sichergehen, dass es dir gut geht", schlägt Sandra von. So hätte ich sie, um ehrlich zu sein nicht eingeschätzt. "Falls es dir keine Umstände bereitet, nehme ich das Angebot gerne an. Hier auf dem Paddock ist mir auch einfach zu viel los", meine ich, was sie mit einem "Sonst hätte ich es dir ja nicht angeboten", quittiert und steht von ihrem Stuhl auf. "Willst du vorher noch den Tee trinken oder können wir los?", will sie mit einem Lachen wissen, als Antwort erhebe ich mich einfach. 

Zu viel und doch zu wenig |F1-FF| |Lando Norris|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt