Zu viel und doch zu wenig |F1-FF| |Lando Norris|

Verschneites London

Draußen fallen dicke Flocken vom Himmel, man kann es nicht als segeln bezeichnen, denn sie knallen wirklich wie Vogelscheiße auf den Asphalt, Autos oder andere Oberflächen, die halt so da sind. Mit einer Tasse Kaffee beobachte ich diese, allein schon vom Zusehen wird mir kalt, weshalb ich mich tiefer in Landos Pullover kuschle. Seit ich aus dem Flieger ausgestiegen bin, habe ich keine anderen Gedanken mehr als jener Abend, wo ich ihn in Abu Dhabi beinahe geküsst hätte. Zu gerne möchte ich wissen, was ihn davon abgehalten hat, aber auf diese Antwort werde ich noch lange warten können.

Seufzend sehe ich mich in meiner Wohnung um, überall stehen noch Dinge herum, die darauf warten, eingepackt zu werden. London geht mir auf den Geist, das Wetter meistens nass und kalt, man könnte meinen, es gibt außer Regen und Starkregen nichts anderes, was der Wetterfrosch vorhersagen kann, Sonnenschein ist so unwahrscheinlich wie einmal im Lotto zu gewinnen. Mein Klingelton lässt mich meine Gedanken beiseiteschieben und ich fixiere mich sofort auf Arias Stimme, die ich vernehme, sobald ich den Anruf annehme. "Na, wie geht's dir?", will sie gut gelaunt von mir wissen. "Mhm, was soll ich sagen. Dir?", murmle ich in den Hörer und nehme einen starken Schluck von meinem Kaffee. "Denkst du immer noch an Lando?", will sie sofort wissen, was ich mit einem bewältigenden Grummeln quittiere.

"Mir geht's zumindest gut. Leider habe ich Neuigkeiten, die dich nicht freuen werden", Mitleid ist in ihrer Stimme zu hören. "James hat dir einen Heiratsantrag gemacht und du wirst weniger Zeit für mich haben?", Scherze ich schwach, zumindest reicht es aus, um meine beste Freundin in Schallendes Gelächter ausbrechen zu lassen. "Sherlock, du bist gut. Nicht ganz. Wir fliegen über Weihnachten nach Hawaii und ich wollte da schon immer hin", quietscht sie in die Leitung, instinktiv halte ich mein Handy einen halben Meter von meinem Ohr weg. "Klingt ja super, ich freue mich für dich", ein leichtes Lächeln umspielt meine Lippen, obwohl ich jeden Grund hätte, das Gespräch sofort zu beenden. "Leider kann ich morgen nicht vorbeikommen und James meinte auch, dass Telefonieren da drüben echt schwierig werden könnte", redet Aria weiter.

"Ach, mach dir keinen Kopf. Genieß es einfach. Ich werde schon klarkommen", winke ich locker ab, obwohl meine Körpersprache alles andere als locker ist. Meine Unterlippe bebt, die Hand zittert und meine Augen sind glasig. "Hoffentlich rafft sich Lando auf und ihr verbringt Weihnachten zusammen", damit streut sie unbewusst noch mehr Salz in die Wunde, ich sehe keinen anderen Ausweg als mit "Oh, ich glaube meine Nachbarin hat gerade geklopft. Wir hören oder schreiben uns noch", das Gespräch abrupt zu beenden.

Tränen fließen mir über die Wange. Wie kann sie nur? Seit Jahren verbringen wir jedes Weihnachten zusammen, weil sie genau weiß, dass ich sonst niemanden habe. Aber nein, ihr Freund flieht ja mit ihr nach Hawaii. Ist ja nicht so, als hätten wir gesagt, da machen wir irgendwann mal einen Mädels-Urlaub zu zweit. Es stimmt mich wütend, dass er es wirklich getan hat, und sie findet es auch noch klasse. Seit meiner Ankunft negiert sie es komplett, wie niedergeschlagen ich bin, jedes Mal meinte sie, dass ich mich damit abfinden soll und es schon irgendwie und irgendwann wird.

Schön aber auch, dass ich jetzt Sehnsucht nach ihm haben und jeder verdammte Tag eine Qual ist. Tief in meinem Inneren stelle ich mich auf ein Weihnachten komplett allein ein, denn auf Lando brauch ich nicht zu zählen. Er hat selbst Familie und ich denke auch nicht, dass er sich vor dem ersten Rennen in irgendeiner Form blicken lässt. Dazu kommt noch, dass ich kein Recht auf einen Anspruch oder ähnliches hätte, schließlich ist er eine freier Mann und ich war am Ende diejenige, die ihm hinterhergelaufen ist.

Er ist derjenige, dem ich es nicht übelnehme, schließlich bezeichnet er sich nicht als mein bester Freund. Aria hingegen hat mit dem Anruf gerade eben den Vogel abgeschossen. Wenn ich an ihrer Stelle gewesen wäre, hätte ich meinen Freund gefragt, warum er Sie nicht mitnehmen will. Klar, Pärchen Urlaub ist was Besonderes, aber es hätte jedes Fest sein können, außer Weihnachten. Warum genau das? Ihr Geburtstag ist im Jänner, da hätte das keine Rolle gespielt, auch nicht das mit dem Urlaub nehmen. So manchmal habe ich das Gefühl, James macht den Mist mit Absicht.

Gerade will meinen Kaffee in einem Zug exen, da unterbricht mich erneut mein Handy. Diesmal ist es eine Nachricht von Sandra, was mich doch verwundert. "Hey Fre, Daniel macht mit mir einen Städte-Trip durch England und wir würden morgen in London landen. Also besser gesagt heute um Mitternacht oder 1 Uhr, kann mich nicht mehr so genau erinnern *kicher*. Deshalb wollte ich von dir wissen, ob du morgen Zeit hast zum Bummeln gehen? :)" ihre Nachricht ist so süß geschrieben, dass sich auf meinem Gesicht sofort ein Lächeln ausbreitet.

"Klar, können wir gerne machen. Schick mir einfach das Hotel und ich steh egal um welche Uhrzeit auf der Matte", antworte ich ihr eilig. Auf Sandra kann man immer zählen. Sie mag manchmal quirlig sein, trotzdem habe ich sie ins Herz geschlossen. Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass es schon spät ist. Gähnend stehe ich von meiner Couch auf. Obwohl andere die volle Ladung Koffein als Wachhalte-Mittel sehen, merke ich von der Wirkung eher weniger. Gleichgültig zucke ich aufgrund dieser Erkenntnis mit den Schultern, obwohl ich nicht einmal im direkten Gespräch mit jemanden bin.

Meine Gedanken liegen sofort wieder bei Lando, sobald ich mich bettfertig ins Bett kuschle. An dem Abend wollte ich dann einfach nur noch weg. Wie peinlich kann es eigentlich noch werden? Damals hätte ich ihn fast geküsst, trotz dem Fakt, dass er mir stark gezeigt hat, dass es besser wäre es zu lassen. Über mein eigenes Handeln könnte ich ganze Bücher schreiben und wir reden hier nur von den Teilen des Lebens, die unangenehm wie eine zu enge Unterhose sind. Irgendwann schaffe ich es nicht mehr, bei klarem Kopf zu bleiben und sinke langsam aber sicher in einen ruhigen Schlaf.