Verschneites London 4

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"Du hast es endlich zugegeben", quickt SanSan beim Verlassen des Ladens. "Ja, ist ja auch wieder gut jetzt. Aus uns wird eh nie etwas", antworte ich versucht locker, den Fakt überspielend, dass es mir das Herz aus der Brust reißt daran zu denken. "Sag das doch nicht! Ihr würdet super zusammenpassen und dazu habe ich gesehen, welche Blicke er dir zugeworfen hat", wie verrückt gestikuliert die Frau neben mir mit den Händen. Wir laufen beide einfach irgendwo hin, möglicherweise sollte ich nach einem Café oder ähnlichem Ausschau halten.

"Mag schon sein, aber trotzdem. Er hat am Wochenende viel Arbeit vor sich und auch ich führe mein Leben", versuche ich sie zu überzeugen. "Ihr wohnt aber nicht tausend Kilometer voneinander entfernt also versuch doch mal positiv zu denken", redet die Brünette weiter auf mich ein. "Kann ich ja über Weihnachten machen, gerade habe ich besseres zu tun", gebe ich locker zurück, ihr verwirrter Gesichtsausdruck spricht Bände. "Wie meinst du das?", will sie wissen, was ich mit einem "So wie ich es gesagt habe", quittiere.

"Das ist mir schon bewusst, aber warum? Normalerweise ist gerade für uns Frauen Weihnachten stressiger als alles andere im ganzen Jahr", Sandras Gesichtsausdruck spricht Bände, doch ich zucke bloß die Schultern, ehe ich ein "Bei mir feiert niemand Weihnachten, oder besser gesagt, keiner hat die Zeit dafür", gleichgültig von mir gebe. "Was ist mit Familie?", die die Brünette von mir wissen. "Mein Vater ist nur unterwegs und meine Mutter starb als ich noch klein war", antworte ich ihr in einem neutralen Ton. Nach all den Jahren war es für mich normal, dieses Fest allein mit meiner Freundin und ihrem Kreis zu feiern, doch selbst das wird heuer nicht passieren.

Sandra bekommt sich gar nicht mehr ein, ihr Gesicht weist Anzeichen von Schock sowie Mitleid auf, was aber bereits eine gewöhnliche Reaktion ist. "Das wusste ich nicht", haucht sie, die Hände vor den Mund geschlagen. "Es wissen auch nicht viele, schließlich möchte ich wie ein Mensch behandelt werden und keine Sonderberechtigungen bekommen, nur weil ich keine perfekte Familie habe", winke ich ab, doch sie schüttelt daraufhin bloß heftig mit dem Kopf. "Verstehe ich, aber hast du nicht einmal eine Freundin oder einen Freund?", hackt sie nach, doch ich schüttle bloß den Kopf. "Meine Freundin ist dieses Jahr mit ihrem Freund auf Hawaii, sie war sonst immer der Ersatz, falls man das so nennen kann", erzähle ich ihr in Kurzform.

"Okay, das ist wirklich mies. Auf der anderen Seite verstehe ich es, so ein Urlaub zu zweit ohne dritte ist schon etwas Feines", meint Sandra. Meinen Kommentar bezüglich dieser Aussage verbeiße ich mir, über dieses Thema muss nicht noch mehr reden als eh schon. "Ja, stimmt schon. Sie hat ja Recht", antworte ich stattdessen. "Trotzdem verbringst du Weihnachten allein, wenn ich könnte, würde ich ja sagen, dass du mit Daniel und mir mitfliegen kannst, wenn wir die verschiedenen Länder besuchen und uns duzende von Städte ansehen", entschuldigend sieht sie mich an, mit meiner Rechten winke ich bloß ab.

"Da ich so oder so ein wenig zu tun habe, schaffe ich es schon, die paar Tage zu überbrücken. Es ist im Allgemeinen kein Problem für mich, auch mal Zeit mit mir allein zu verbringen und die Seele baumeln zu lassen", meine ich locker, zwar liegt auf ihrem Gesicht ein Kritischer Ausdruck, nickt dann aber doch. "Wenn das so ist, aber falls du jemanden zum Reden willst, du kannst dich gerne bei mir melden", sie setzt ein ehrliches Lächeln auf, was mich direkt ansteckt. "Mache ich, aber ich glaube, ich werde dich da schön allein mit Daniel lassen. Das Telefonat heute hat mir schließlich gezeigt, dass ihr nicht die Finger voneinander lassen könnt", anzüglich wackle ich mit meinen Augenbrauen, prompt läuft sie rot an.

"Also, uhm. Das war. Also. Nicht so wie du denkst", stammelt Sandra vor sich hin, was ein breites, wissendes Grinsen auf meinen Lippe erscheinen lässt. "Ja ja, ich weiß schon Bescheid", meine ich locker. "Schau! Dort ist ein Café!", sie will flott das Thema wechseln und zieht mich zeitgleich in die kleine Stube hinein, welche mir bisher nicht einmal bekannt war. Es ist in Pastelltönen eingerichtet, helle, freundliche Farben, so dass man sich sofort wohl fühlt. Außer der Dame hinter dem Tresen kann ich niemanden erkennen. "Guten Tag, was möchten Sie beide?", will die etwa Mitte Vierzigjährige von uns wissen.

"Für mich bitte einen Espresso und ein Stück Bananenkuchen", Sandra gibt, ohne zu zögern, ihre Bestellung auf, während ich noch über die Tafeln lese. "Wenn Sie noch haben, ebenfalls einen Bananenkuchen und einen Latte Macchiato", bestelle ich nach kurzem Überlegen. "Setzen Sie sich und ich bringe ihnen die Bestellung an den Tisch. Viel ist ja nicht los", die Frau setzt ein Lächeln auf. Sobald wir bezahlt und uns noch einmal bedankt haben, lassen wir uns auf einem der kleinen, runden Tische nieder.

Der Nachmittag vergeht wie im Flug. Nach unserem Besuch im Café haben wir noch mehrere Läden unsicher gemacht. Nicht einmal der Schnee konnte uns nicht aufhalten. Im Winter tritt die Dämmerung jedoch bereits gegen 16 Uhr ein, ehe wir uns versahen, tappten wir im Dunklen herum und wir brachen unseren Trip ab. Da ich sowieso Hunger hatte und die Fahr nachhause länger andauert, kam es mir sogar ganz Recht. Mit einer festen Umarmung verabschiedeten wir uns voneinander, ehe ich in meine Rostlaube stieg und für die Fahrt die Musik laut aufdrehte.

Zuhause falle ich beinahe mit der Tür ins Apartment. Der Schneefall war schrecklich, Stau machte es nicht unbedingt besser. Da mich der Hunger plagt, kann ich mich nicht einfach auf die Couch oder das Bett schmeißen, weshalb ich mich zu meinem geliebten Kühlschrank begebe. Dieser brummt mir zufrieden entgegen, was mir aber nichts bringt, da darin so gut wie gähnende Leere herrscht. Unwillig jetzt noch in einen Supermarkt zu fahren, schnappe ich mir eines der abgelaufenen Joghurts sowie einen Löffel und vernichte dieses auf meinem Sofa.

Gerade will ich das geleerte Glas in die Spüle stellen, da höre ich meine Klingel. Bevor ich mich zu dieser begebe, fülle ich den Behälter noch schnell mit ein wenig Wasser, damit sich die Reste lösen, ehe ich mir hastig die Hände abtrockne und zur Tür laufe. Diese reiße ich auf, doch dort steht niemand. Es ist auch niemand, der unten vor der Eingangstüre steht, sonst würde es erneut klingeln. Mein Blick gleitet auf den Boden, wo ein Strauß Blumen liegt. Mein Puls schießt in die Höhe als ich ihn aufhebe und den Zettel der daran hängt, bemerke. 

Zu viel und doch zu wenig |F1-FF| |Lando Norris|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt