Regnerisches London 5

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"Das hier ist mein feines Gästezimmer, fühle dich wie zuhause. Dort drüben kannst du deine nassen Klamotten aufhängen. Zahnbürste, Zahnpasta und Konsorten bringe ich dir gleich noch", mit diesen Worten verschwindet er. Die Zeit nutze ich, um meinen Blick durch das mit einem Bett sowie einer Kommode eingerichteten Zimmer schweifen zu lassen. Neugierig trotte ich in das Badezimmer, welches gegenüber liegt und nicht direkt mit dem Raum verbunden ist. Zu meiner Verwunderung hängt hier ein mickriger Apothekerschrank, der sogar befüllt ist.

Sobald ich das nächste Mal kurz in den Spiegel sehe, erschrecke ich mich, da Lando direkt hinter mir steht. "Alles gut bei dir? Kann doch nicht sein, dass ich dich innerhalb weniger Minuten zwei Mal so sehr erschrecke", meint dieser amüsiert. Unwissend zucke ich mit den Schultern, obwohl ich mir nur zu gerne gegen den Kopf schlagen würde, das ist ja mal wieder ober peinlich. "Eigentlich wollte ich dir nur schnell die paar Sachen hier bringen, aber bist du sicher, dass du keinen Sitter brauchst, um die paar Meter zum Gästezimmer zu laufen?", er provoziert mich gekonnt, doch ich versuche meine aufsteigende Wut zu zügeln. "Danke, ich denke, das ist nicht notwendig" antworte ich ihm so freundlich wie möglich, was ihn komplett aus der Bahn zu werfen scheint.

So wie ich den lieben Herr Norris einschätze, hat er mit einem giftigen Kommentar gerechnet, den ich ihm jedoch nicht heute liefere. Das ist schließlich erst die Ruhe vor dem Sturm. Etwas verwirrt stelle ich fest, dass er mir sogar eine Kleinigkeit zum Abschminken mitgegeben hat. Normalerweise besitzen Männer so etwas doch nur, wenn sie eine Freundin haben, oder denke ich da falsch? Dann wünsche ich dir noch eine gute Nacht, bis morgen, mit diesen Worten wendet er sich von mir ab, so dass ich alleine im Badezimmer stehenbleibe. Sobald ich mit meiner abendlichen Hygiene fertig bin, schleiche ich so leise wie möglich hinüber, damit Lando auf keinen Fall wach wird, falls er bereits am Schlafen sein sollte.

Zu gerne würde ich mich einfach nur auf die Matratze fallen lassen, jedoch kann ich das Risiko zu verschlafen nicht eingehen. Im Dunklem taste ich nach dem Handy, welches eigentlich auf dem Nachtisch liegen sollte. Nach mehreren Versuchen habe ich es gefunden. Die Helligkeit ist definitiv zu hoch eingestellt, da ich die Augen zusammenkneife. Seufzend stelle ich mir mehrere Wecker, da es keine Seltenheit ist, dass ich einen verpasse. Leider neigt sich auch mein Akku dem bitteren Ende, trotzdem lasse ich mich lieber auf das Roulette ein, anstatt jetzt Lando nach einem Kabel zu fragen.

Gähnend halte ich mir die Hand vor den Mund, während ich im gemächlichen Tempo eine Stufe nach der anderen nach unten trotte. "Was machst du denn hier?!", höre ich einen entsetzten Spanier, wodurch ich ruckartig mehrere Stufen nach vorne springe. "Von wem redest du?" mischt sich Lando ein, der aus der Küche herauskommt. Geschockt halte ich mir die Hand an die Brust, in welcher mein Herz heftig schlägt. "Freya ist gestern Abend noch vorbei gekommen wegen dem Anzug, aber da hast du schon geschlafen" meint der Brite gleichgültig.

Sein Blick liegt auf mir und huscht über mein Gesicht, als würde er etwas suchen. "Euch auch einen schönen guten Morgen", nuschle ich, um diese eigenartige Stimmung zu brechen. "Kann ich nur zurückgeben. Was gibt es zum Frühstück, Lando?", Carlos drückt sich an mir vorbei, ein leichtes Lächeln umspielt seine Lippen, was mich stutzig macht. "Das gleiche wie immer", ruft Lando zurück. Wie suspekt mir die Situation hier vorkommt, kann ich nicht einmal in Worte fassen. "Willst du auch was essen?", will er von mir wissen. Keck linst er um die Ecke, da ich wie angewurzelt auf den Stufen verweilt bin, ohne es zu merken. "Nein danke", lehne ich freundlich ab und setze mich wieder in Bewegung. "Wie überlebst du das?", will Carlos kopfschüttelnd wissen, woraufhin ich jedoch bloß mit den Schultern zucken kann.

Lando, kann ich kurz mit dir sprechen?, frage ich den Brünette. Seufzend geht er auf mich zu. Mir ist die Situation etwas unangenehm, weshalb ich nicht genau weiß, wohin ich blicken soll. Was ist los?, will er wissen, er klingt weder erfreut noch genervt, was zumindest ein positiver Punkt ist. Meine Klamotten von gestern sind noch nicht durchgetrocknet, murmle ich, schaffe es jedoch ihn anzusehen, was schon einmal ein Meilenstein ist. Daran hätte ich auch denken können, ich such dir was raus, ohne mit der Wimper zu zucken dreht er sich um und verschwindet in einem anderen Zimmer.

Hiermit solltest du für den heutigen Tag auskommen. Falls etwas gar nicht passt, Hobbit Größe habe ich leider nicht, mit diesen Worten drückt er mir einen Stapel Klamotten in die Hände. Soll ich einen giftigen Kommentar ablassen, einen giftigen Blick aufsetzen oder gleich beides?, hacke ich bei ihm mit hochgezogenen Augenbrauen nach. Davon rate ich dir ab, oder du trägst meine Klamotten ganz schnell nicht mehr. Such es dir aus, die Zweideutigkeit in seiner Stimme kann nicht einmal ein Gehörloser überhören, was mich schlucken lässt. Jedenfalls kannst du sie einfach bei Gelegenheit zurückgeben, einen Mangel habe ich schließlich nicht, ein schelmisches Grinsen legt sich auf seine Lippen, mit welchem er sich erneut von mir abwendet, diesmal um die Treppen nach unten zu trotten.

Im Gästezimmer stelle ich fest, dass er sogar an Unterwäsche gedacht hat. Auch wenn mir die Socken und seine hoffentlich frisch gewaschene Boxershorts deutlich zu groß sind, sollte ich damit durch den Tag kommen. Die anderen Klamotten gehen sogar ganz gut, da ich die Jeans hochkrempeln und das Shirt einfach in den Hosenbund stopfen kann. Trotz all dem, sind mir meine eigenen Kleidungsstücke lieber. Nicht weil sie bequemer sind, eher weil ich nicht von einem solch intensiven, aber dennoch angenehmen Geruch umgeben bin, der selbst meine letzte Gehirnzelle benebelt.

"Danke noch einmal für die Gastfreundschaft sowie die Kleidung, aber ich sollte mich auf den Weg machen, die Arbeit ruft", meine ich mit kritischem Blick auf die Uhr. "Du bist doch viel zu früh dran, lass dir Zeit", der Spanier hebt verwundert beide Augenbrauen. Der Verkehr hier in England ist selbst, um diese Uhrzeit nicht zu unterschätzen, meine ich gleichgültig. Festhalten können wir dich schlecht, hoffentlich hast du eine gute Fahrt, mischt sich Lando ein, der für diese Aussage einen tödlichen Blick von seinem Freund einstecken muss. Wiegesagt, danke noch einmal und man sieht sich möglicherweise wieder, beginne ich erneut, mich zu verabschieden.

Wäre schon nett, antwortet Carlos darauf, der Brite hingegen schweigt. Ohne auf eine Reaktion zu warten, verlasse ich das Haus. Leider konnte ich nicht viel vom Einrichtungsstyl erkennen, der vermutlich nicht einmal von ihm selbst kommt, sondern von einem Innenarchitekten. Aber anstatt mir über solch irrelevanten Fragen den Kopf zu zerbrechen, setze ich mich mit der ausnahmsweise guten Wetterlage hier in England auseinander. Zwar ist es arschkalt, was zum Glück von Landos Pullover ein wenig abgedämpft wird.

Zu viel und doch zu wenig |F1-FF| |Lando Norris|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt