Verschneites London 2

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"Halt die Fresse", grummle ich, ziehe das Kissen mit beiden Händen um meinen Kopf, trotzdem höre ich das Klingeln des Weckers glockenklar. Genervt stöhne ich auf und greife mir einer Hand nach meinen nervtötenden Handy, um zu versuchen, diesen auszuschalten. "Geht doch", grummle ich, sobald der Ton verstummt und traue mich nun auch wieder unter dem Kissen hervor. Manchmal frage ich mich schon, warum ich den Ton so laut eingestellt habe, obwohl ich genau weiß, dass ich ihn sonst überhören und infolgedessen weiterschlafen würde.

Gähnend krabble ich aus dem warmen Bett heraus. Zu gerne würde ich mich wieder in die Federn kuscheln, ein Blitz der Kälte durchzuckt mich, sobald meine Füße den Boden berühren. "Zumindest hast du die Fenster gestern noch geschlossen", denke ich mir, denn sobald ich die Vorhänge aufziehe, erstrahlt vor mir alles bedeckt unter der weißen Schneepracht. Im Schneckentempo schlurfe ich ins Badezimmer, unsicher ob ich eine Dusche nehmen soll oder nicht, bleibe ich einen Moment stehen. Auf der einen Seite wäre mir dann wohlig warm, doch auf der anderen Seite ist es mir zu aufwändig. "Du bist scheiße faul", schimpft meine Gehirnzelle, worauf ich mir aber bloß "Jup und stolz drauf", denke.

Da ich mich später mit Sandra treffe, kann ich nicht wie die letzte Leiche auftreten. Obwohl. Eigentlich schon. Kurzerhand schlüpfe ich in meine weite Jeans sowie den Pullover von gestern. Wegen dem eiskalten Boden, den man beinahe mit einer Eisplatte verwechseln könnte, da die Temperaturen kaum zu unterscheiden sind. Meine nächste Station an diesem Morgen ist mein Sofa, rausgehen würde ich heute noch früh genug. Seit Langem checke ich dort wieder meine Social-Media-Kanäle ab, was sich, um es genau zu nehmen, auf Instagram beschränkt.

Während ich durch die Storys von einigen der Formel 1 Fahrern durchschaue, bleibe ich irgendwann bei der von Aria hängen. Natürlich musste sie die Flugtickets nach Hawaii reinstellen, was auch sonst. Bevor ich beginne mich darüber aufzuregen, tippe ich weiter. Am besten finde ich mich damit ab, daran ändern lässt sich eh nichts mehr und am Ende bin ich diejenige, der es weh tut, nicht ihr. Danach bin ich auch fertig mit meiner Stalking-Runde, so viel gibt es in meinem Feed nie zu sehen. Unter manchen Bildern lasse ich einen Kommentar sowie ein Like da, aber mehr auch nicht mehr.

Ein Anruf von Sandra erreicht mich, den ich, ohne zu zögern entgegennehme. "Hello, rate mal wer wach ist?", trällert die Australierin in die Leitung, offensichtlich nüchtern. "Hey Daniel, schläft Sandra etwa noch?", frage ich sie gespielt dumm, worauf sie sofort beginnt zu lachen. "Bist du schon bereit oder brauchst du noch Zeit?", will sie von mir wissen, somit lässt sie meine Aussage unkommentiert. „Schick mir doch einfach die Adresse und ich bin vermutlich in einer Stunde da, ich rufe dich an", schlage ich vor. Hatten wir es nicht so ausgemacht? "Können wir machen, hier sind einige Parkplätze, also sollte das nicht zum Problem werden", meint sie noch, ehe sie ein "Daniel! Lass das!", entfährt und die Leitung unterbrochen wird.

Damit kann ich mir meinen Morgen-Kaffee sowie eine Runde auf der Couch gammeln abschminken. Nach einer Meinung nach zu kurzen Zeit erhebe ich mich wieder von dem kleinen Sofa und strecke mich ausgiebig. Im Flur angekommen ziehe ich mir meine Winterstiefel an, die sogar ein wenig Absatz haben, was bei meiner Schuhgröße so gut wie unmöglich zu finden ist. Da ich unter den Mantel keinen Pullover tragen möchte, ziehe ich diesen ab, dafür werfe ich mir das andere Kleidungsstück über. Die Handtasche hängt wie immer geordnet am Hacken, weshalb ich sie nur schnappen muss, ehe ich die Haustüre verlasse.

Der Schnee knirscht bei jedem Schritt, den ich mache, zu meiner Verwunderung ist es nicht so kalt wie erwartet. "Da war der Regen schlimmer", meldet sich meine Gehirnzelle zu Wort, verblüffender Weise ist es kein giftiger Kommentar. Trotzdem muss ich nicht unnötig viel Zeit außerhalb meines Wagens verbringen, das werde ich heute nämlich so oder so noch. Bei meiner Rostlaube angekommen, sperre ich diese auf und lasse mich auf den Fahrersitz fallen. Bevor ich die Füße reinschwinge, klopfe ich sie ab, sonst bildet sich auf dem Boden noch ein wandernder Ozean, darauf kann ich wirklich verzichten.

Lässig lenke ich mein Auto auf den freien Parkplatz vor dem Hotel, von wo aus ich bereits die Brünette erkennen kann. "Geile Kiste fährst du da", bemerkt diese lautstark und kommt auf mich zu, da ich das Fenster geöffnet habe. "Sicher doch, Willst du wo anders hin die Straßen unsicher machen, oder hier in der Gegend bleiben?", frage ich sie, worauf sie bloß mit den Schultern zuckt. "Gut, denn hier kenne ich ein paar gute Läden", ohne Vorwarnung lasse ich die Scheibe wieder hochfahren und steige aus dem Ford heraus. "Bist du gewachsen?", entsetzt hält Sandra sich eine Hand vor den Mund. "Nein, aber die Stiefel machen es möglich", bemerke ich mit einem Grinsen auf den Lippen und ziehe sie mit mir.

"Gibt es etwas Bestimmtes, was du suchst?", will ich beiläufig von ihr wissen, halte dabei Ausschau nach mehreren Geschäften. "Also Kleider wären schon Bombe, denn ich habe kaum welche, die mir so wirklich passen", antwortet sie mir, sofort fällt mir eine kleine Boutique um die Ecke ein. Wortlos beschleunige ich meine Schritte. "Willst du eher was für den Sommer oder doch den Winter?", hacke ich noch nach und drehe mich zu ihr. "Wir leben in Australien, ist die Frage jetzt überflüssig genug?", antwortet sie mit einem ironischen Unterton, sofort beginnen wir beide zu lachen.

"Also du willst etwas, womit du die Spinnen weghalten kannst?", frage ich sie belustigt, was sie mit einem "Dafür habe ich den Staubsauger und Daniel", quittiert, der übertriebene Akzent macht das Ganze noch lustiger, weshalb Sandra sogar fast in eine Laterne geknallt wäre, wenn ich sie nicht rechtzeitig weggezogen hätte. "Knutsch doch nicht gleich mit dem nächstbesten Pfosten rum, nur wie Daniel nicht da ist", meine ich gespielt tadelnd, wackle mit meinem Zeigefinger. "Sicher doch, was er nicht weiß, macht ihn nicht heiß", ein freches Grinsen umspielt ihre Lippen. "Aber eine Heizung macht ihn heiß", vor lauter Lachen krümme ich mich schon, Sandra geht es dabei nicht besser. Die Leute um uns herum halten uns für verrückt und wir sind es auch. 

Zu viel und doch zu wenig |F1-FF| |Lando Norris|Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt