Mithlond

681 46 3
                                    

Elerína starrte auf ihre Tasche, die vor ihr auf dem Bett lag. Sie hatte ihre Sachen gepackt, solange die Wut noch in ihr gebrannt hatte. Doch seit gut zwei Stunden war dieses Gefühl weniger geworden und hatte eine tiefe Leere hinterlassen.

Sie hatte versucht sich abzulenken. Hatte auf dem Bett gelegen und in der Schriftrolle gelesen, die Gandalf ihr geschenkt hatte. Doch der Gedanke an ihre gepackte Tasche am Fußende war nie ganz verschwunden.

Die Kriegerin verzog das Gesicht und rief sich den vergangenen Abend mit aller Macht wieder ins Gedächtnis. Der wiederaufkommende Zorn gab ihr die Kraft nach der Schriftrolle auf dem Bett zu greifen und sie ebenfalls in die Tasche zu legen. Sie würde den Text Gandalf zurückgeben. Es fühlte sich falsch an, ihn zu behalten. Sie hatte lediglich darin gelesen, weil sie mehr über Vana hatte herausfinden müssen. Nun, da sie ihre Antworten hatte, besaß sie kein Recht mehr die Schriftrolle zu behalten.

Mit fahrigen Händen verschloss sie die Tasche und hängte sie sich um. Sie nahm ihren Bogen, der noch auf der kleinen Kommode gelegen hatte und verließ das Schlafzimmer.

Im Vorzimmer saß Aragorn auf einem der Stühle und sah ihr entgegen.

Sie hatte ihn bereits vor Stunden hereinkommen hören, doch hatte sie gehofft ihre Ignoranz würde dafür sorgen, dass er wieder ging. Sie hatte sich offensichtlich geirrt.

„Geh nicht, Elerína", ergriff er das Wort und erhob sich vom Stuhl. „Nicht so. Tue euch beiden das nicht an. Redet miteinander."

„Wir haben geredet. Du warst dabei", sagte sie müde. „Ich gehe davon aus, dass Gimli gerade bei Legolas ist und genau das gleiche wie du versuchst?"

„Im Gegenteil", antwortete Aragorn. „Wäre Gimlis Sturheit nicht gewesen, wäre Legolas dir sofort nachgelaufen. Aber wir waren der Meinung, dass du dich erst einmal beruhigen musst und Zeit für dich brauchst."

Ein wenig hatte sie sich tatsächlich darüber gewundert, dass Legolas nicht längst bei ihr aufgetaucht war. Doch dann hatte sie es einfach darauf geschoben, dass sie ihn offensichtlich doch nicht so gut kannte, wie sie immer gedacht hatte. Nun, da sie wusste, dass sein Fernbleiben allein an Gimli lag, geriet ihre Entscheidung für einen Atemzug ins Wanken. Im nächsten Moment hatte sie sich jedoch wieder gefasst.

„Ich hätte mich gerne von Gimli verabschiedet, aber vielleicht kannst du ihm ausrichten, dass er mir sehr fehlen wird? Und er soll aufpassen, dass ihm kein Stein auf den Kopf fällt, wenn er Aglarond bewohnbar macht."

„Wir alle werden dich ebenfalls vermissen", murmelte Aragorn und trat zu ihr. „Ich weiß gar nicht, wie ich ohne dich Gondor führen soll."

„Dir ist es vorherbestimmt ein großer König zu sein, Elessar. Du brauchst mich nicht. Namárië."

„Namárië, Elerína."

Sie wandte sich um zur Tür, doch gerade als ihre Hand auf der Klinge lag, kam ihr ein Gedanke. Es gab noch eine Sache, die sie machen musste. Sie zögerte, dann sah sie zu Aragorn zurück.

„Verfalle nicht einem trügerischen Bild, aber sag Legolas bitte, dass ich ihn noch einmal im Wald treffen muss. Er wird wissen, wo er mich findet."

~*~

Elerína stand auf der Waldlichtung mit dem Bach und betrachtete den strahlendblauen Himmel über sich. Die warmen Strahlen der Sonne auf ihrer Haut fühlten sich falsch an. Sie trösteten die Frau nicht, denn sie konnten nicht ihre innere Leere auslöschen.

Ihr war bewusst, dass Gandalf am Rande des Düsterwaldes auf sie wartete. Sie hatten sich zur Mittagsstunde verabredet und die Sonne hatte ihren Zenit beinahe erreicht.

SternengekröntWo Geschichten leben. Entdecke jetzt