Der Ring wandert nach Süden

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Lelyaël saß am Rande des Schießübungsplatzes und überprüfte die Federn an ihren Pfeilen. In wenigen Stunden würde die Gemeinschaft in Richtung Süden aufbrechen und das unmögliche Versuchen.

Die vergangenen Wochen waren eine Zerreißprobe für alle Anwesenden in Bruchtal gewesen. Es wurde viel überlegt, geplant und vorbereitet und Lelyaël hatte zusätzlich dazu noch weiter ihre Kräfte trainiert. Inzwischen hatte sie fast ihre alte Stärke wiedererlangt, was ihr ein kleines Hochgefühl gegeben hatte. Gleichzeitig war ihr jedoch auch bewusst geworden, dass sie ihre Kräfte nur im äußersten Notfall würde einsetzen können, denn zweifellos würden diese bei ihren Reisegefährten Fragen aufwerfen, die sie noch nicht bereit war zu beantworten.

Schritte nährten sich ihr und suchend sah sie sich um. Schließlich betrat der Düsterwald-Elb den Platz und kam zu ihr herüber. Sie hatte kurz nach dem Rat erfahren, dass Legolas nicht irgendein Gesandter des Waldlandreiches war, sondern der Sohn König Thranduils, dem letzten großen Elbenkönig in Mittelerde.

„Habe ich die Zeit vergessen?", fragte Lelyaël ihn und stand auf, während sie die Pfeile wieder in den Köcher steckte der an einem Gürtel an ihrer Hüfte hing.

„Nein", erwiderte Legolas kopfschüttelnd. „Ich wollte nur mit dir reden."

Überrascht sah sie den blonden Elb an und zog abwartend eine Augenbraue hoch.

„Ich glaube, es wäre besser, wenn du hierbleibst", meinte der Elbenprinz schließlich und sah ihr fest in die Augen. „Ich denke dir ist nicht bewusst, wie lang und gefährlich unsere Reise sein wird, vor allem für eine Frau. Willst du es wirklich riskieren dein junges Leben in diesem Krieg zu verlieren?"

Lelyaël brauchte eine Minute, bevor sie etwas erwidern konnte. Im ersten Moment hatte sie empört reagieren wollen, da der Elb sie offensichtlich für schwach hielt, weil sie eine Frau war. Doch als er den Satz über ihr Alter fallen ließ, war ihr Ärger sofort Belustigung gewichen und so verschränkte sie nur grinsend die Arme. „Verzeih mir, aber deine Aussage ist sehr amüsant. Du solltest als Elb doch am besten wissen, dass man nicht nach Äußerlichkeiten gehen kann, wenn es um das Alter einer Person geht. Sei also unbesorgt. Ich weiß, was ich tue und damit du beruhigt bist versichere ich dir, dass Herr Elrond das auch weiß. Wir haben schon Seite an Seite gekämpft."

Legolas war davon ernsthaft überrascht und hätte gerne nachgefragt, doch sie lief einfach an ihm vorbei und rief über die Schulter zurück: „Wir sollten lieber zum Südtor gehen. Die anderen werden bereits dort sein und auf uns warten."

Sie wusste nicht so recht, was sie von dem Gespräch mit dem Prinzen halten sollte. Auf der einen Seite war es nett, dass er sich Gedanken um sie machte, doch auf der anderen Seite wollte sie nicht erst noch beweisen müssen was sie alles konnte, bevor ihre Reisegefährten aufhörten sie mit Samthandschuhen anzufassen.

Als sie schließlich die Stufen zum kleinen Hof vor dem Südtor hinunterlief, waren die übrigen Mitglieder der Gemeinschaft tatsächlich bereits versammelt. Genauso wie ein kleines Abschiedskomitee von Elben und Zwergen. Es hatte Lelyaël überrascht, dass die Zwerge nicht wie die Besucher aus Gondor direkt nach dem Rat abgereist waren. Sie war der festen Überzeugung gewesen, dass das Gefolge von Glóin so wenig Zeit wie möglich in der Elbenstadt verbringen wollte, doch der alte Zwerg hatte sich nicht so schnell von seinem Sohn Gimli trennen können und hatte deswegen die mehr oder wenige herzliche Einladung der Elben angenommen.

Lelyaël entdeckte in einer Ecke des Hofes Glorfindel und ging zu ihn hinüber, um sich von ihrem alten Freund zu verabschieden.

„Was ist so lustig?", fragte der Elbenfürst sie, als er das leichte Lächeln auf ihrem Gesicht bemerkte.

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