Der Pass des Caradhras

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Lelyaël biss die Zähne zusammen, während sie neben Gandalf den schmalen Pfad hinauf ins Gebirge stieg. Seit dem Vorfall mit den Crebain waren inzwischen drei Tage vergangen, in denen sie stetig weiter in Richtung des Gebirgspasses gewandert waren.

Sie hatte in der gesamten Zeit kein Wort mit den anderen Gefährten gewechselt, außer mit Gandalf. Nicht einmal die Hobbits hatten sie angesprochen, weil sie ihre schlechte Stimmung gespürt hatten. Von Legolas hatte die Frau sich komplett ferngehalten und darauf geachtet ihr Nachtlager so weit weg von dem Elben wie möglich aufzuschlagen.

Lelyaël war aufgefallen, dass die misstrauischen Blicke ihrer Reisegruppe irgendwann besorgten gewichen war und zumindest in Aragorns Augen hatte sie einen Funken eines schlechten Gewissens gesehen. Während einer seiner Nachtwachen hatte er sogar versucht mit dem Elbenprinzen zu reden, um ihn davon zu überzeugen Lelyaël ein wenig Vertrauen entgegen zu bringen, doch in diesem Fall war Legolas so stur wie die ihm verhassten Zwerge.

In seinen Augen hatte sie es sich selbst zu zuschreiben, dass man ihr misstraute. Immerhin war sie diejenige mit den Geheimnissen und den magischen Kräften. Was der Elbenprinz jedoch nicht wusste war, dass Lelyaël ihm im stillen Recht gab.

Ihr war bewusst, welche Wirkung sie auf die Gruppe hatte und dass sie selbst die Schuld an dem Misstrauen, das man ihr entgegenbrachte, trug. Doch sie wünschte sich trotzdem ein wenig mehr Verständnis für ihre Situation. Ihre Vergangenheit war eine lange, blutige Geschichte und sie konnte diese nicht mit jedem teilen.

Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen als etwas Nasses und Kaltes ihr Gesicht berührte und verwundert sah sie zum Himmel auf. Es hatte zu schneien begonnen.

„Das ist nicht gut", sagte Lelyaël mehr zu sich selbst, doch die gesamte Gemeinschaft hatte es gehört und sah sie nun überrascht an. Immerhin waren es die ersten Worte, die sie seit drei Tagen laut aussprach.

„Ein bisschen Schnee wird uns schon nicht aufhalten", meinte Gimli, der sich als erstes wieder gefasst hatte. „Wir Zwerge vom Erebor sind an Schnee gewöhnt."

„Das will ich nicht abstreiten", antwortete sie leise. „Aber ich befürchte, dass es nicht bei diesem leichten Schneetreiben bleibt."

~*~

Lelyaël sollte Recht behalten. Es dauerte nicht lange und der Schnee fiel dichter, während der Wind aufbrauste. Es fiel ihnen zunehmend schwerer den Weg nach oben zu erklimmen und inzwischen musste sogar Gimli zugeben, dass es nicht mehr mit rechten Dingen zugehen konnte. Sie waren bereits zu weit im Süden und noch nicht hoch genug im Gebirge, um auf solche Verwehungen zu stoßen. Gandalf stimmte dem Zwerg zu, dass dies nicht normal war.

Erst als sie den schmalen Gebirgspfad verließen und einen breiten Berghang emporstiegen, hörte das Schneegestöber auf, der Wind legte sich und die Wolken machten einem strahlend blauen Himmel Platz.

Doch das bedeutete nicht, dass die Gemeinschaft nun schneller vorankam. Sie waren alle erschöpft, der Schnee reichte ihnen nach wie vor bis zu den Knöcheln und verwandelte den Boden unter ihren Füßen in eine rutschige Fläche.

Plötzlich stürzte Frodo und rollte ein gutes Stück den Berg wieder hinab. Aragorn war es schließlich, der den Hobbit auffing und ihn wieder auf die Füße zog. „Alles in Ordnung, Frodo?"

Der dunkelhaarige Hobbit nickte und klopfte den Schnee von seinem Mantel als er innehielt und hektisch an seinem Hemd herumtastete. Lelyaël beobachtete ihn und kniff die Augen zusammen als Boromir plötzlich aus der Gruppe trat und etwas goldglitzerndes aus dem Schnee hob. Es war die Kette, an der Frodo den Einen Ring um den Hals getragen hatte.

Sofort spannte sie sich an und beobachtete, wie der Mann den Ring fasziniert und mit einem abwesenden Ausdruck in den Augen betrachtete.

Leise murmelte er etwas und streckte seine Hand nach dem Ring aus.

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