Chapter 5 - Louis

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Er sitzt so nahe an meinem Bett, dass ich nur meine Fingerspitzen ausstrecken müsste, um ihn zu berühren.
Doch weiß ich nur zu gut, dass er es nicht verstehen würde.
Ich möchte am liebsten seine Frage über Eleanor ignorieren.
Aber würde er immer weiter in der Wunde herumstochern. Anscheinend machen wir das jetzt so. Herumstochern und die eigentlichen wichtigen Fragen auslassen.

,,Gut, nett das du fragst.", ich hieve mich aus den Mengen an Bettwäschen hoch und tapse langsam zum Fenster hinüber. Dabei ist mir egal, was der Arzt angeordnet hat. Ich befinde mich schließlich noch immer in einem freien Land.
Mit einem Klick öffne ich es und greife mir die Zigarettenschachtel, sowie ein rotes Feuerzeug vom Beistelltisch. Erleichtert zünde ich eine Zigarette an und atme das Nikotin tief in meine Lungen ein.

,,Man darf nicht in den Zimmern rauchen.", belehrt Harry mich. Nur zu blöd, dass mich seine Meinung nicht mehr interessiert.

,,Das Fenster ist offen."
Rauch quillt aus meinem Mund sowie Nase.

,,Du solltest wirklich aufhören deine Lungen zu verpesten."

,,Seit wann muss ich mir dich als Vorbild nehmen? Jeder hat sein Laster.", blaffe ich ihn an.

,,Ach und was soll meins sein? Etwa ältere Frauen? Zauberpilze? Tattoos?"
Harry erhebt sich aus seinem Stuhl und tritt neben mich ans Fenster. Aufgebracht und mit ernstem Blick sieht er mich an. Weiterer Rauch steigt auf und zieht nach draußen.

,,Oder bist vielleicht du mein Laster? Ist es das, was du von mir hören wolltest?"

Perplex starre ich ihn an. Ich muss husten, als er meinen Blick auffängt und festhält. Zum ersten Mal seit langen bringt er mich dazu, mich selbst zu hinterfragen. Aber, dass er mich direkt in die Offensive drängt überrascht mich.
,,Komm schon Hazza. Das kannst nur du für dich entscheiden.", sage ich neckend, einfach, weil ich das so gerne tue und es schon lange vermisst habe. Ich habe ihn vermisst, auch wenn ich mich schwertue es zuzugeben. Und jetzt wo er so dicht neben mir steht, dass ich sein Aftershave riechen kann, beginnt alles unter meiner Haut zu kribbeln.

Er hat mich verletzt, als er damals fortgegangen ist. Nicht weg aus England, aber weg von dem, was wir zusammen hatten. Und das werde ich so schnell nicht vergessen können. Dennoch stutze ich. Wieso war es nötig mich daran zu erinnern? Wieso brauche ich einen Grund ihn von mir fernzuhalten, wenn ich diesen Teil meines Lebens hinter mich gebracht habe? Warum?

Harry lacht. Laut und voller Ironie. Beinahe, als würde er mich dafür auslachen.
,,Du bist alles mögliche für mich, aber ganz bestimmt nicht mein Laster."
Er lügt, dass weiß ich, weil ich ihn kenne. Viel zu gut.
,,Verstehe.", sage ich trocken und drücke die Zigarette auf dem Fensterbrett aus. Ein Zischen ist zu hören und ein kleines Loch brennt sich in das Holz.
Wie ich erwartet habe verzieht Harry das Gesicht, unterlässt aber einen weiteren Kommentar. Sein Glück.

Mir ist nicht danach wieder zurück in das Bett zu krabbeln, was nicht mein eigenes ist. Ich würde darin nur alleine liegen. Harrys Nähe bringt mich ganz durcheinander.
Dennoch, wenn es nach mir gehen würde, dann wäre ich schon längst nicht mehr an diesem fürchterlichen Ort. Er erinnert mich nur zu sehr an meine tote Mum. Sie ist erst vor einem Monat verstorben, weshalb der Schmerz noch tief in meinem Herzen verankert ist. Ich sollte mich nicht zu sehr an die Vergangenheit Klammern. Das würde mich nur wieder in das dunkle Loch der Trauer zurückwerfen. Und das will ich auf keinen Fall, schon gar nicht, wenn Harry ist.
Ich huste trocken.

Der Unfall war absolut lächerlich und meiner Unachtsamkeit zu verschulden.
Als ich aus dem Café herauskam und auf die verschneite Straße getreten bin, kam ein Taxi um die Ecke gerast und schlitterte in mich hinein. Es ist einfach blöd gelaufen, aber bin ich zunehmend mit Schmerztabletten zu gedröhnt wurden, dass ich beinahe meine Muskeln nicht mehr spüre.
Nur leider sind meine Gefühle alles andere als betäubt.

Ich habe Harry nicht den Grund verraten, weshalb ich überhaupt dort war, in dem Café mitten in New York. Es war Zufall, dass ich ihn dort getroffen habe, aber keiner, dass ich auch dort saß.
Weil ich mit Eleanor verabredet war.
Sie wollte mit mir etwas Dringendes besprechen, hielt sich zu der Zeit in Manhattan auf und bat mich in dieses Café zu kommen. Und genau dort war ich heute. Bin von einer Show in Bosten direkt dort hingefahren und dabei etliche Unannehmlichkeiten in Kauf genommen. Und wofür das Ganze?
Ich habe gewartet, eine Stunde, aber sie ist nicht gekommen. Meine Anrufe wurden abgelehnt, keine Antwort auf meine SMS.
Das ich jetzt im Krankenhaus liege, wird sie daher ebenfalls recht wenig kümmern.
Der Moment, als ich Harry begegnet bin, auf diese merkwürdige Art, hat mich schließlich völlig aus dem Konzept gebracht.
Nur ist er jetzt wenigstens hier, bei mir. Und wenn ich ehrlich mit mir bin, dann möchte ich, dass er noch etwas länger bleibt.

Also setzte ich mich auf seinen vorgewärmten Sessel, gegenüber steht er. Ich begutachte alle Veränderungen, die seitdem an ihm passiert sind.
Er trägt seine Haare immer noch kurz, hat sie nach One Direction abgeschnitten. Sie sind zerzausten, genau wie im Cafe. Seine sonst glattes Kinn lässt heute Bartstoppeln aufweisen. Etwas, das ihn verwegen, aber umso sexyer macht. Er hat ein neues Tattoo, wie mir auffällt, dabei teilen wir so viele.
Seine Lippen und Wangen sind gerötet - wie niedlich.
Verdammt, wieso wirkt er immer noch so anziehend auf mich?

,,Ich komme morgen wieder. Du solltest dich noch etwas ausruhen.", mit diesen Worten wendet er sich plötzlich von mir ab und geht zur Tür.
,,Danke.", sage ich ihm nach, doch verschwindet er bereits wortlos über die Schwelle.
Ich sehe ihm stumm hinterher, mit der Gewissheit ihn morgen wiederzusehen.
Die kommende Nacht wird schwer sein, aber ist sie jede einzelne Sekunde des Wartens Wert, solange es wieder morgen wird.

Ich bereue den Unfall nicht länger, auch wenn mein Körper nach mehr Schmerzmedikamenten lechzt. Ich bereue nur eines, unseren Streit vor einem halben Jahr. Jetzt bekomme ich vielleicht die Gelegenheit, das wieder in Ordnung zu bringen.
Ich vermisse ihn, auch wenn ich das nicht sollte. Schließlich habe ich allem Grund dazu, ihn zu hassen.

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