Chapter 25 - Harry

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„Du siehst ganz blass aus.", meine Mutter betätschelt schon seit ich hier angekommen bin meine Wange.
„Mum, die Leute gucken schon.", ich schiebe ihre Finger liebevoll beiseite, muss kurz grinsen, weil ich es nicht glauben kann, sie endlich wiederzusehen.
Es muss eine Ewigkeit her sein. Wieso bin ich auch immer so beschäftigt ...
Und dann fällt es mir wieder ein. Louis war der Grund dafür.
Und die Tatsache, dass es jetzt anscheinend vorbei ist, die kleine Auszeit von meinem wirklich anstrengenden Leben, lässt mich wieder ernst werden.
Nervös schiebe ich die Gabel zurecht, welche sich neben meinem leeren Teller befindet.

„Tut mir leid, Honey. Ich kann einfach nicht damit aufhören. Du warst so lange weg, was hast du nur getrieben?", meine Mum sieht mich wieder an und schiebt eine meiner Haarsträhnen hinter mein Ohr.
Die Frage von ihr sollte lieber heißen: „Mit wem hast du es getrieben?"
Aber traue ich mich nicht diesen Kommentar abzugeben.
Gemma hat ihr bestimmt erzählt, weshalb ich so lange in New York war. Nur der Grund, warum ich es jetzt nicht mehr bin, scheint ihr nicht bekannt. Und verdammt ich weiß beim besten Willen nicht, wie ich ihr das bei bringen soll... Sie ist meine Mum und ich will sie nicht belügen.
Zu sagen: „Es war nicht meine Schuld, Mum." Dass wäre eine Lüge.
Also stecke ich in der Bredouille.

„Wie geht es Louis?", fragt sie vorsichtig, ihre Hand umfasst meinen Unterarm, welcher noch immer auf dem Tisch ruht.
Also weiß sie es doch, denke ich und schlucke.
Klar, ich war gestern bestimmt nicht der einzige mit Internet.
Als ich nichts darauf sage, beginnt sie meinen Arm entlang zu streichen. Und was soll ich sagen? Es hilft. Ein wenig.
Also fasse ich mir ein Herz– sie ist schließlich meine Mum– und erzähle es ihr.

Das Louis vorgestern Nacht angefangen hat Blut zu husten. Das ich ihn ins Krankenhaus gebracht habe, dass er vermutlich eine Lungenentzündung hat und auch, dass mein Manager mich zurück nach London geschliffen hat. Gegen meinen Willen.

Als ich schließlich fertig bin und mir die Luft ausgeht, sieht sie mich mitleidig an.
Meine Worte scheinen erst nacheinander in ihrem Kopf einzutreffen. Aber wundert es mich nicht, dass sie so viele Informationen erstmal verarbeiten muss. Schließlich habe ich es selbst immer noch nicht. Es verarbeitet.

„Gott Honey, es tut mir so leid. Mach dir bitte keine Vorwürfe deswegen. Bestimmt wirst du ihn bald Wiedersehen und dann wird es ihm besser gehen. Es ist nicht deine Schuld.", sie streicht zärtlich über meinen Handrücken, hält dabei meine Finger fest, als ich mich verkrampfe. Ich weiß, dass sie mich nur aufheitern will. Weil sie weiß, dass es mir in Wahrheit mehr als schlecht geht. Dass ich darunter leide.
Also nicke ich nur stumm und versuche ihr ein leichtes Lächeln zu schenken. Doch als es mir misslingt, sehe ich stumm auf die Serviette vor mir. Ich habe plötzlich überhaupt keinen Hunger mehr.

„Ich komme gleich wieder.", ich erhebe mich entschuldigend von unserem Tisch und gehe in Richtung Toilette. Eigentlich muss ich gar nicht, trotzdem habe ich das Bedürfnis etwas Abstand gewinnen zu müssen. Ihr zärtlichen Berührungen haben mich nur zu sehr an die von Louis erinnert. Auch wenn ich weiß, dass es falsch ist, jetzt daran zu denken.
Ich bin für sie hier. Weil ich ein schlechter Sohn war und sie in New York keine zehn Minuten mit mir Telefonieren konnte. Weil mir Louis wichtiger war. Und ich hasse mich dafür, dass er es in diesem Moment auch ist. Dass ich ihn wie meine eigene, ganz persönliche Familie an sehe. Dass er mir mehr bedeutet, als ich zugeben möchte.
Meine Mum zu sehen und das sie sich auch um ihn sorgt, rührt mich. Immerhin stellt sie mich nicht zur Rede, wie ich überhaupt wieder in seinen Händen gelandet bin. Wieso ich ihn noch liebe nach allem, was in der Vergangenheit zwischen uns passiert ist. Doch liebe ich sie dafür. Sie überlässt mir meine eigenen Entscheidungen, quält mich nicht mit verletzenden Fragen. Und wenn ich doch mal Scheiße baue, steht sie hinter mir. Und macht sich dafür verantwortlich...

Meine Hand gleitet unter den Strom des Wasserhahns, welchen ich angemacht habe. Mir ist plötzlich viel zu warm. Genau wie damals, in dem kleinen Café, als der Schneesturm in New York gewütet hat. Nur weiß ich leider auch, dass es diesmal kein Déjà vu geben wird.

In Gedanken ziehe ich mein Handy aus der Hosentasche und scrolle durch die neusten Nachrichten. Ich sehe auf Instagram, dass Louis wohl gerade aus dem Krankenhaus entlassen worden ist. Ein Taxi rauscht durch das Bild, mehr kann man in dem Video kaum erkenne. Doch für den Bruchteil einer Sekunde, wenn man es im richtigen Moment stoppt, dann sieht man die Umrisse seinen Gesichtes.
Und Verdammt, er sieht nicht gut aus.
Ich kann nicht genau sagen, was ihn so schlecht aussehen lässt. Vielleicht die durchwühlten Haare, der teilnahmslose Blick oder die Traurigkeit in seinen Augen.
Ich merke wie sich mein Körper erneut verkrampft. Wie sich alles beginnt zusammen zu ziehen. Es tut weh. So verdammt weh ihn so zu sehen.
Er ist krank, dass ist es, was ihn schlecht aussehen lässt.

Mit feuchten Fingern wische ich weiter nach unten und finde den dazugehörigen Artikel.
Ich weiß nicht, ob ich ihn lesen will, ob ich das ertragen kann. Aber andererseits sehe ich es auch als meine Pflicht an, auf dem Neusten Stand zu sein. Wenn er es mir schon nicht persönlich sagen kann, dann muss es eben so gehen.

Schlimme Nachrichten ereilten uns heute Morgen am 31. Januar. Es ist offiziell: Louis Tomlinson(26) hat Lungenkrebs.
Die Fans sind besorgt und stehen ihm auf seinem Weg bei. Wie es nun weiter gehen wird, ist für viele unklar. Eines steht fest, der Schock sitzt tief!
Wir hoffen das Beste für ihn und sind in Gedanken bei seiner Familie.

Der Ex–One Direction Sänger hat erst im Dezember seine Mutter, Johannah Deakin, an den Krebs verloren. Ob er nun dem selben Schicksal unterliegt, ist–

Ich breche ab.
Ich muss abbrechen, weil mir bereits die Tränen auf die Hände tropfen. Weil mir so übel wird, dass ich befürchte mich gleich übergeben zu müssen. Alles beginnt sich im Kreis zu bewegen, als würde ich in einer Achterbahn sitzen. Und Fuck, wie ich Achterbahnen hasse!
Dabei geht es gar nicht darum.
Sondern um Louis.
Weil sie mich belogen haben, was seine Krankheit angeht.
Er hat keine Lungenentzündung, sondern Lungenkrebs, was bedeutet, dass er nicht krank ist, sondern Todkrank.
Wie ich damit umgehe? Gar nicht.
Meine Hand schlägt auf das Mamorwaschbecken. Der Aufprall schmerzt, also mache ich weiter. Ich schlage immer wieder auf den harten Stein, drücke unmenschliche Laute aus meinem Mund, bis der Schmerz tief in mich eindringt. Bis Louis nicht mehr das einzige ist, was meinen Körper zusammenzucken lässt.
Ich unterdrücke im letzten Moment einen Schrei, versuche mich zusammenzureißen und drücke lieber die Tränen aus meinen Augen, statt den Frust aus meinen Lungen.
Ich bin wütend. So verdammt wütend, dass ich vollkommen benebelt meine Hand zur Türklinke Strecke und wieder zu den Tischen Taumel. Jemand sollte mich aufhalten.
Aber tut es niemand.

Meine Hand pocht wie wild, sie ist gerötet, genau wie meine Augen es sein müssen.
Alles in mir ist betäubt vor Wut und Trauer. Ich würde meinen Manager am liebsten eine Reinhauen, ihn anschreien, anstatt mich selbst. Aber geht es nicht. Weil er nicht hier ist. Niemand ist bei mir. Bis auf meine Mum.

„Ich muss gehen.", sage ich bestimmt, nicht willens die Worte zurückzunehmen. Ich weiß, dass ich sie damit enttäusche. Mal wieder.
„Harry?", ihr Ton ist ernst, als ich vor ihr stehe, meine Jacke bereits in der verletzen Hand halte. „Was ist passiert?", will sie wissen, ihr Blick liegt auf meinen Fingerknöcheln – habe gar nicht mitbekommen, dass sie Bluten.
„Tut mir leid Mum.", ist alles was mir dazu einfällt. Also wende ich mich von ihr ab und gehe zur Tür.
Die Tränen wische ich beiläufig von meinen rauen Wangen.
Ich habe keine Zeit um zu weinen. Weil ich zurück muss.
Zurück nach New York.
Dorthin, wo Louis ist.

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