Trommeln. Der Klang der Marschtrommeln, die nicht nur dafür eingesetzt werden, wie der Name es zu gedenken scheint. Zeremonien, militärische Anlässe und dergleichen sind ein weiterer Grund dafür, warum man diese Dinger benutzt. Elisabeth ist von dem ganzen Tag nicht nur angewidert. Sie ist vor Zorn erfüllt. Sie steckt in einem schönen, weißen Kleid, was sie wahrscheinlich zur schönsten Frau von England wirken lässt. Hier in der Karibik ist es wahrscheinlich nicht anders. Dieses Kleid, so heißt es, sei ein Geschenk, weil die zukünftige Kronerbin endlich nach Hause zurückgekehrt ist. Es fühlt sich für sie jedoch an, als hätte man schwere Ketten um sie gelegt und sie zu ewiger Knechtschaft verdammt. Mit der Niederlage durch Anné Shanel hat sich auch ihr Leben drastisch verschlechtert. Ihr Stützpunkt, der Schrein wurde einmal mehr niedergebrannt und von Kanonen zerschossen und die Dutchman wurde auf den Meeresgrund befördert. Die gesamte Crew hat sich in Ketten legen lassen und spricht seitdem kein Wort mehr. Selbst Folter bringt die Leute nicht einmal zum Schreien. Anné Shanel. Sie ist das Meer, die Wut der See, die Sanftheit und der Sturm. Oder eher sie wird gewesen sein. Der kleine Mann steht in der Nähe der Prinzessin umringt von Wachen. Das hat den Grund, das Elisabeth versuchte ihn zu erwürgen. Natürlich wurde dies als Hexenkunst von Anné abgetan und dem scheint auch jeder zu glauben, aber die angeblich Betroffene weiß es besser. „Bitte nicht...", fleht Elisabeth leise. Sie hatte schon gebettelt und gefleht, dass Anné verschont wird, dass man sie beide und die Mannschaft weit weg verbannt, wo sie nie wieder plündern werden. Doch auch hier lächelte man nur und behauptete, der Fluch auf ihr würde bald gebrochen sein. So kann man nur sehen, wie Anné zum Hackblock gebracht wird und sie scheint sich nicht zu wehren. Sie beobachtet die Prinzessin haargenau und trägt ein Lächeln auf den blassen, kühlen Lippen. Wenn sie daran denkt, wie sie angefangen haben. Mit Beleidigungen und einem Messer. Und sie waren so kurz davor, einfach ihr Leben zu Leben. Doch der Kapitän weiß, dass dieser Traum wohl aus wäre, für alle Zeit. Eine Frau brachte die kalte Herrschaft über die Karibische See zu Fall, ohne dass sie es wollte und begünstigt hatte. Als sie nun auf dem Hackblock positioniert wurde, rennen der Prinzessin nur stumm dutzende Tränen über die Wange, doch das Schluchzen lässt nicht lang auf sie warten. „Keine Sorge Prinzessin. Ihr seid bald befreit von dem Leid", spricht der Soldat links neben ihr ihr fürsorglich zu. Wie gern sie ihm den Hals umdrehen würde, aber der Soldat befolgt auch nur seine Befehle. Am Hackblock auf einem nahen Podest breitet jemand ein Pergament aus, auf welchem er vorliest. „Auf Geheiß des hier anwesenden Kommandanten in Vertretung des Königs mit Vollmachten ausgestattet, verkündige ich folgendes Urteil gegen den Piraten Anné Shanel und ihre Mannschaft! Ihr liegt zulasten, einen Kult mit schwarzer Magie anzuführen, sich Hexerei zu bedienen, die Prinzessin des hohen Königs geraubt und verhext zu haben, einen Pakt mit dem Tod eingegangen zu sein, Raub, Mord, Plünderung, Diebstahl, Brandstiftung sowie schwere Sachbeschädigung. Die Schuld wiegt über viele Jahre hinweg und das Urteil ist Tod durch den Hackblock, da sich alternative Hinrichtungsmethoden wie erhängen oder erschießen aufgrund der Hexerei als wirkungslos zeigen. Henker? Waltet eures Amtes und vollführt die Vollstreckung im Namen des Königs!" Damit war das Urteil gesprochen. Für diesen Moment setzten die Trommeln kurzzeitig aus und dann setzen sie in einem schnellen Rhythmus wieder ein. Und ab da läuft für Elisabeth alles in Zeitlupe ab. Die Trommeln geben ihre Töne langsam und kaum wahrnehmbar ab, die Stimmen einiger Soldaten nimmt sie nicht wahr, aber was sie hört und was lauter ist als alles andere, ist ihre hektische, unruhige Atmung. Der Puls pulsiert in ihren Ohren, die Tränen krachen auf den Boden wie schwere Steine und ihre Hände und Beine zittern. Zudem hört sie die Schritte des Henkers, der den Tod und Untergang bringt. Mit seiner Henkersmaske ist er nicht erkennbar. Lediglich an seiner kräftigen Statur könnte man ihn erkennen oder identifizieren. Anné blickt die ganze Zeit zu Elisabeth, was auch gleichzeitig der Mittelpunkt des Geschehens für die zukünftige Herrscherin über das englische Königreich sein wird. Sie trägt trotz ihres scheinbar bevorstehenden Todes ein Lächeln auf den Lippen. Endet ihre Unsterblichkeit mit einer Enthauptung und weil der Tempel niedergebrannt ist? Hat das die Bande geschwächt? Hat das die Macht der Dutchman geschwächt? Zu Elisabeths Leid scheint es so, denn sonst würde Anné nicht so verabschiedend Lächeln. Sie beide hatten nicht einmal mehr die Möglichkeit eine Umarmung, einen Kuss oder wenigstens letzte Worte auszutauschen. Seit der Schlacht wurden sie voneinander isoliert.
Der Stahl der erhobenen Henkersaxt wirft eine kleine Reflexion, als sie gehoben wurde. Und dann saust sie nieder, direkt auf den Nacken des Kapitäns, der Jahre für Schrecken und Tod gesorgt hatte, der aber auch zu jemand wichtigem im Leben einer Person geworden ist. Als die Axt ihr Ziel erreicht und der Kopf in den Korb fällt, ist das Einzige was man hört, eine schreiende und weinende Elisabeth. Eine Prinzessin die ihren eigenen Stolz und ihr Königtum aufgab, um sich ihrem Herzen zuzuwenden. Eine Prinzessin, die freiwillig ihr altes Leben aufgegeben hat, um die See mit der Frau zu bereisen, welche sie liebt. Doch all dies gehört der Vergangenheit an.
Stunden später haben die Tränen zwar ein Ende gefunden, aber der Schmerz bleibt. Auf einer Mauer abseits der Garnison und abseits einer Bewachung hat sich die Prinzessin verkrochen mit der Bitte, allein sein zu wollen. Ihr Kleid ist voller Tränen, ihre Augen rot. Nach wie vor zittern ihre Hände und die kleinen Wellen prassen gegen die Garnisonsmauer. Sie hasst das Königsleben. Sie wäre lieber als eine einfache Bauersfrau aufgewachsen, um dem Schicksal zu entkommen. Sie sieht zu den Wellen und beginnt mit ihnen zu reden. „Du hast einmal gesagt, du bist die See. Also musst du immer noch dort sein, denn sie haben deine Leiche ins Meer geworfen. Jetzt bist du eins mit dem, was du genauso geliebt hast sie mich." Die Wellen kommen und gehen. Doch für Elisabeth scheint es, als würde das Meer zu ihr sprechen. Leichter Regen prasselt hinab, nachdem sie gesprochen hatte. Als die Tränen ihr Gesicht berühren, schließt sie die Augen und lächelt auf, wobei ihr doch ein paar kleine Tränen über die Wange rennen. „Ich liebe dich, Anné." Ob der beginnende Regen nun ein Zeichen war oder nicht, ihre Trauer und ihr Verstand signalisieren ihr, dass es ein Zeichen der Frau sein muss, die sie liebt. So steht sie auf, hat ihre Augen geschlossen, trägt ein Lächeln auf den Lippen und geht auf die Kante der Garnisonsmauer zu. „Für immer", spricht sie ganz harmonisch, ehe sie sich nach vorn in das Meer fallen lässt, um für immer mit der Frau vereint zu sein, die sie liebt. Das Meer vereint sie beide im Tode wieder, weshalb die starken Wassermassen, die ihre Lungen füllen, ihr keinerlei Schmerzen bereiten.
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Der Schrecken der Karibik | girlxgirl
FantasyWenn der Nebel über der Karibik aufzieht, ist der Tod nah. Kein Licht lässt den Nebel aufklaren, kein Schrei dringt heraus und jede Hilfe wird zu spät sein. Willkommen auf der Flying Dutchman. Piraten siedeln sich zunehmend in der Karibik an, vor al...