Der Schrecken der Karibik - Kapitel 30

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Ein metallischer Geschmack breitet sich im Mund der jungen Prinzessin aus. Sie spuckt diesen gleich aus und rappelt sich wieder auf die Beine. Den Degen richtet sie auf ihren Feind, welchen sie ernst und ohne Emotion anblickt. Trotz ihrer Selbstbeherrschung fällt es ihr schwer, die nachfolgende Parade abzuwehren. Keinen Gegenangriff kann sie starten, sondern lediglich eine Abwehr ist möglich. Durch einen geschickten Angriff an der unteren Hälfte ihrer Klinge wird ihr diese aus der Hand gerissen. Neben ihr landet ihre Waffe im Holz der Flying Dutchman. Beinah schon leblos blickt sie ihr gegenüber an, ohne zu wissen, was sie denken soll. Normalerweise wäre sie jetzt tot, enthauptet oder schlimmeres. "Du hast ein paar Stunden Übungen schon bekommen, oder? Du bist nicht gerade ungeschickt, aber dir fehlen die richtigen Griffe. Du verbrauchst viel zu viel Kraft im Schwung, wenn du meine Angriffe abwehren willst. Das kostet dich nicht nur unnötig viel Kraft, sondern auch Zeit." Selbst in ihrem Outfit samt den schwarzen Stiefeln sieht Anné in den Augen von Elisabeth wunderschön aus. Im Kampf kann sie diese Gedanken abschalten, aber sobald sie außerhalb dessen sind, kann sie einfach nicht widerstehen, diese Frau zu betrachten. Das eisige Auge, die blasse Haut, das grauweiße Haar auf ihrem Haupt, welches im Wind weht. "Ich weiß doch, Anné. Gib mir einfach etwas Zeit." Seit etwa zwei Stunden trainieren sie schon den Kampf mit dem Degen. Außer Atem scheint nur eine der beiden Frauen zu sein, die es nicht gewohnt ist, stundenlang zu kämpfen. Die Ausdauer des Kapitäns beneidet Elisabeth mehr als sowie die Kraft und Schnelligkeit. Ob das etwas mit der Abstammung zu tun hat? Schließlich hat Anné keine normalen Eltern oder zumindest ein normales Elternteil und ein göttliches. Immer noch schwebt die Frage im Raum, wieso auch die anderen der Crew unsterblich sind oder das Schiff einen eigenen Willen zu besitzen scheint, aber mittlerweile ist es ihr egal. Die Antworten wird sie schon bekommen. Wie und wann ist ihr aktuell egal. Sie träumt immer noch von der vergangenen Nacht, in der sie den ganzen Körper von Anné samt den Muskelansätzen berühren und liebkosen durfte. "Nimmst du den Degen nun wieder oder nicht?" Mit einem leichten lächeln sieht sie Elisabeth an und hält ihr den Degen entgegen, seit etwa einer Minute. Die Gedanken liegen ihr offen wie ein Buch vor. "Auch ich habe deinen Körper genießen dürfen, Elisabeth. Doch bis zu diesem erneuten Zauber bitte ich dich, bis heute Nacht zu warten." Leicht maulend nimmt man dann endlich den Degen entgegen und steckt diesen zurück. Ihr Kleid hatte sie nun endgültig gegen ein Outfit eingetauscht, welches dem von Anné ähnelt. Die englische Seite, die der Krone legt sie nach und nach ab. Erst äußerlich und nun langsam beginnt sie sich auch im inneren zu wandeln. "Wie lange noch", fragt sie in Bezug auf die Reise, aber auch um von dem Thema Nacht abzulenken. Wenn sie daran nur wieder denkt, dann überkommt sie das Gefühl einer Sucht, sich auf Anné stürzen zu müssen und sie zum Stöhnen und Keuchen zu bringen. "Etwa drei Tage. Bist du dir sicher, dass du mitgehen willst? Ich habe dir bereits gestern gesagt, dass es ein Massaker werden wird. Keinen werden wir verschonen und es werden viele sterben, die zu deiner... Art gehören." Anné hat sich zusammen mit Elisabeth an die Reling des Schiffes auf Steuerbordseite gestellt. Einen Arm schlingt sie um die Hüfte der Prinzessin, während jene ihren Kopf auf der linken Schulter des Kapitäns angelegt hat. "Es ist mir gleich, Anné. Du weißt, dass ich von den Menschen nicht sehr viel halte. Ob sie nun sterben oder nicht ist mir egal. Es ist mir auch egal, ob Mutter oder Vater sterben oder ganz England brennt. Ich will mit dir die See befahren und alles tun, damit du und ich glücklich sein können. Wenn es bedeutet, für Shi'raska ihre alten Schätze zurückzubringen und dabei einen Berg aus Toten zu hinterlassen, dann werde ich dies gern auf mich nehmen. Ich habe außerdem kein Problem damit, wenn ich einen Engländer töten muss oder hunderte. Was soll mir schon passieren? Keiner weiß, wie man uns erledigen kann, oder?" Anné gibt lange keine Antwort. Zum einen will sie den Moment genießen, zum anderen denkt sie über Elisabeths Worte nach. Hat sie unterschätzt, wie grausam und brutal die Prinzessin wirklich sein kann? Nicht dass es sie stören würde, aber manchmal hat Anné eine Ahnung, warum die Frau neben ihr auserwählt wurde, die Seele der Göttin in sich aufzunehmen. Doch da ihr Verdacht nur ein Verdacht ist und es keinen logischen Beweis dafür gibt, hält sie sich lieber zurück. Es wäre auch aktuell keine gute Idee, neue Karten und Verdächtigungen offenzulegen. Das könnte die Frau ihrer tiefen Seeträume nur noch mehr irritieren als ohnehin schon. "Sie können uns nichts anhaben, Elisabeth. Solange sie unseren Kopf nicht abreißen oder uns in mehrere Einzelteile mit Kanonen schießen, werden wir ewig leben. Diese Schwachstelle wissen die einfachen Menschen nicht zu nutzen. Wozu auf uns mit Kanonen feuern, wenn man doch liebend gern die Flying Dutchman versenkt sehen würde? Doch solange es mich gibt, kann sich dieses Schiff erneut zusammensetzen. Selbst, wenn es in zehntausende kleine Teile zerschossen werden würde." Elisabeth seufzt angenehm aus und verbleibt eine Weile ruhig. Sie ist bereit zu töten. Für die Meeresgöttin Shi'raska. Für die Flying Dutchman. Und vor allem für Anné. Bald schon würden sie eine größere Kolonie Englands erreichen und die Schätze an den Altar ihrer Göttin zurückbringen. Einst wurden sie unehrenhaft gestohlen durch einen perfiden Raub, doch würden sie bald zurückkehren. Überrascht schaut Anné ihre Elisabeth an, als sie eine Frage stellt, welche ihre Theorie unterstreicht. Scheinbar legt sie es darauf an, Engländer zu töten, egal aus welchem Grund. Gespannt ist sie, wie sich die Prinzessin schlagen wird und ob sie ihren Worten gerecht werden würde. "Ich will töten. Bitte bringe mir das Schießen bei. So kann ich unsere Feinde vernichten. So kann ich dich beschützen, Anné."

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