Der Schrecken der Karibik - Kapitel 39

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Auch wenn beide Parteien siegessicher sind, so gibt es auf beiden Seiten eine Minute des Schweigens. Der Wind umweht die Segel und die Gesichter aller, die an Deck stehen und nicht die Ruder bedienen. Es ist die letzte Minute, in denen Schiffe positioniert, Waffen gezogen und Waffen geladen werden. Der letzte Augenblick Ruhe, bevor alles in einem Hagel aus Kanonenkugeln, Schießpulver, Blut und den Schreien Sterbender versinkt. "Bist du bereit, Elisabeth? Wenn wir diesen Kampf gewinnen, dann haben wir England in der Karibik besiegt, zumindest die militärische Seestärke. Und dann werden wir in Ruhe leben können. Wir werden die Welt erkunden und niemand wird uns aufhalten." In diesem letzten Moment vor dem entscheidenden Kampf liegen die beiden Frauen Stirn an Stirn. Sie sind durch die Hölle gegangen, um wieder hier zu sein. Anné hatte viel verloren. Die Insel, Freunde und Bekannte, Mitglieder ihrer Religion. Sie hatte das Leben als Sterbliche als erste geopfert, um ihren Glauben und ihre Verbundenheit zu präsentieren und segelte tagein, tagaus umher, um die Schätze zu finden sowie die Erwählte, welche den Körper für die Seele von Shi'raska sein sollte. Als sie jene gefunden hatte, war es Elisabeth, welche Anné zutiefst verletzte, sie zusammenbrechen ließ und an sich selbst zweifeln lies. So ähnlich war es auch mit der Prinzessin, welche nie in ihr Leben gepasst hat, ihren Patenonkel verlor und sich eine Frau anvertraute, welche sie entführt hatte und tausende Morde auf dem Gewissen trägt. Nun stehen sie beide an Deck der Flying Dutchman, vereinen ihre Lippen ein letztes Mal, ehe sie im Getümmel der Schlacht sein werden. "Wenn das hier vorbei ist, möchte ich, dass wir eine Zeremonie abhalten. Eine Zeremonie, die unser Leben noch inniger aneinanderbindet." Harmonisch, flüsternd und voller Emotionen wie Freude und Verliebtheit sind die Worte der Erbin Englands, welche sie nach dem gemeinsamen Kuss formt. "Ich will meinen verfluchten, englischen Namen ablegen. Ich will Elisabeth Shanel genannt werden und als solche in Frieden mit dir Leben. Das wünsche ich mir und nicht brennt in mir sehnlicher als dieser Wunsch nach dir, nach uns." Diese Worte treiben dem Kapitän mit Augenklappe ein Lächeln auf die Lippen. Etwas Wasser sammelt sich in ihrem Auge, was sie versucht zurückzuhalten, aber es gelingt ihr nicht. "Das ausgerechnet die sture, egoistische Frau diese Worte an mich richtet. Normalerweise wäre dies meine Aufgabe gewesen, dich danach zu fragen, dich darum zu bitten." Es ist eine der seltenen Momente, in denen Anné eingeht und ihren Schild für einige Minuten vergisst. Ihre ganze Seele und ihre Verletzlichkeit sind dann entblößt und zeigen, wie verletzlich sie ist. Regelrecht klammert sie sich an Elisabeth, als diese die Worte ausspricht. Ein Antrag unter zwei Frauen in dieser Zeit. Selbst für Anné ist dies schon recht beeindruckend. Sie kann sich nicht erinnern, davon schon einmal gehört zu haben, zumal es in diesem Teil der Welt verpönt ist. Doch warum sich mit den Gedanken anderer beschäftigen, wenn man selbst mehr als glücklich ist? "Wie lautet deine Antwort?" Statt auf die Worte von Anné einzugehen, spricht sie Anné erneut auf den Antrag an. Sie benötigen keinen Ring, keine christlichen Zeremonien. Alles, was sie wollen, ist ein friedlicher Tag nach dieser Schlacht, damit sie sich endlich das Ja-Wort geben können. "Sie lautet Ja, Elisabeth. Ja." Mehr bringt sie nicht hervor. Sie blickt zu der Erbfolge Englands auf, um ihr Gesicht zu sehen. Diese strahlende, blasse Haut, dieses Haar, ihre Augen, diese Lippen. Langsam kommt sie letzterem näher, wie auch Elisabeth sich ihr nähert, doch wird ihre romantische Stimmung unterbrochen, als die ersten Schüsse fallen. Anné reißt sich gezwungenermaßen von ihrer Liebsten los und verschafft sich einen Überblick über die Lage. Das Schlachtfeld ist in Nebel gehüllt, aber der Feind scheint zu erahnen, wie ihre ungefähre Position ist. Ein Meisterstratege ist ihr Gegner und kein Commodore mit ein paar Schiffen oder ein Edward Teach. Hier und heute steht Anné ihrer größten Herausforderung gegenüber. "Alle Kanonen feuern", spricht sie in Gedanken ruhig zu ihrer Mannschaft. Ein Schiff gegen eine Flotte. Das erscheint selbst ihr etwas niederschmetternd. Sie ist gut, hat Taktiken, den Nebel, aber eine ganze Flotte? Sie wäre nicht so wahnsinnig in ihren Tod zu segeln, wenn sie an Bord nicht diejenige Frau hätte, welche die Seele der Meeresgöttin in sich aufgenommen hat.
Ihre Kanonenkugeln treffen wie von Zauberhand die ersten englischen Schiffe. Zwei vernichtet, doch ist dies eine unbedeutende Anzahl für ihren Gegner, der mit ganzer Stärke auf sie zu segelt. "Sie sind wirklich so wahnsinnig, auf uns zuzusegeln. Elisabeth? Demonstriere ihnen doch einmal die Macht, die in dir schlummert." Jene grinst nur böse auf. In der Prinzessin verbarg sich schon immer etwas Mörderisches und nun lässt sie es erneut frei, wie einst auf der Insel, auf der sie den Stab abschlachtete. "Mit größtem Vergnügen, mein Kapitän."

Der kleine Mann hat die Flying Dutchman in einem Halbkreis umzingelt und segelt mit ganzer Stärke auf sie zu. Einige wenige Schiffe nehmen die Dutchman ins Visier, die anderen steuern direkt darauf zu. "Wollen wir doch mal sehen, ob ich recht habe. Diese verfluchte Prinzessin schleife ich zurück nach England, wenn sie sich aufführt wie ein kleines Kind. Und Anné bekommt eine Verabredung mit dem Galgen, nachdem wir diese Insel erneut versenkt haben." Er spielt wie gewohnt mit einer Münze in seiner Hand. Sein Plan nimmt langsam Gestalt an. Er wusste von Anfang an, wo sich die Insel der Meeresgöttin befindet und hat nur auf einen passenden Augenblick wie diesen gewartet. Es ist nicht seine ganze Flotte, welche heute auf Anné trifft. Es ist nur ein Teil. Damals wurde das Gold von der Insel Anné's geraubt und es kostete ihn Wochen an Archivarbeit, um diese Insel zu finden. Doch fand er sie auf einer sehr alten Seekarte. Sei grinsen verwandelt sich jedoch in ein erschrockenes. Der Nebel lichtet sich so schnell, wie es nicht sein dürfte. Stattdessen erblickt er mehrere große Wellen und Strudel, welche beginnen, ein Schiff nach dem anderen in die Tiefe des Meeres zu reißen. "Das ist nicht möglich", bringt er überrascht hervor. Er nimmt seinen Hut, wirft ihn auf das Deck vor Wut und schreit einen Befehl, dass sie schneller rudern sollen. Ein Schiff nach dem anderen wird versenkt und allmählich beginnt seine große Flotte zu schrumpfen und das gefährlich schnell. Sind die Geschichten war? Gibt es tatsächlich eine heidnische Meeresgöttin, welche Besitz von Menschen ergreift oder ihre Kräfte an jene übertragen kann? Ist dies er Grund dafür, dass Anné Shanel unsterblich ist? Ist das der Grund, wieso sich die See gegen ihn verschlägt und Anné jede noch so aussichtslose Schlacht zu gewinnen scheint? Während seine ängstlichen Gedanken ihn kurzzeitig beherrschen, nähern sich die Schiffe der Flying Dutchman auf eine Nähe, welche es der geisterhaften Crew erlaubt, die englischen Schiffe zu entern. Und auf einem dieser Schiffe steht der kleine Mann. Er sieht seine Männer kämpfen, sie Gegner erschießen, die jedoch nicht sterben. Er kannte die Unsterblichkeit und die Verbundenheit mit dem Altar, aber nicht, dass die Göttin die Fähigkeiten zur Kontrolle eines Meeres übertragen kann. Doch das spielt keine Rolle. Er ist ein sehr guter Schütze und Fechter. Er zieht seinen Revolver und für einen Moment läuft alles in Zeitlupe. Er hat keine Ahnung, wie viele seiner Schiffe noch existieren, noch wie viele Männer er noch hat. Aber dieser eine Schuss der fällt, ist lauter als alle anderen. Er hatte auf eine Frau gezielt, welche gerade selbst mit dem Fechten beschäftigt ist und diesen Schuss nicht kommen sieht. Sein ganzer Plan liegt in diesem Schuss, auch wenn er nicht mit einer Art Göttin gerechnet hat, die seine Schiffe versenkt. Seine ganze Konzentration lag darauf. Und nun fliegt die Kugel unaufhaltbar auf Anné Shanel zu, um sich in ihr Fleisch zu bohren. Nur ein paar Sekunden Ablenkung benötigt er, die ihm durch die Kugel gewährt wird. Dann hätte er gewonnen. Dessen ist er sich sicher.

Der Schrecken der Karibik | girlxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt