Es schien, als haben Anné's Worte jeden Mann auf diesem Schiff einen Befehl in ihr Gehirn gebrannt. Die anfängliche Feindschaft, die man gehen Elisabeth anfänglich hegte. Man könnte es nicht damit vergleichen, dass sie Teil der Crew sei, aber zumindest eine Art Gast, wie sie in der Rede genannt wurde. Das ganze Schiff betrachtet sie in Ruhe und geht sogar unter Deck. Bis auf den Lagerraum, die Schatzkammer und den Pulverraum. In der Tat ist das Schiff größer als jene, die sie bisher gesehen hatte. Erneut musste sie feststellen, wie schwer bewaffnet die Flying Dutchman doch eigentlich ist. Ein wahres Monster der See, bis an die Zähne bewaffnet und bereit, alles auf den Grund des Meeres zu schicken, was sich ihm entgegen stellt. Kaum hatte sie ihre Runde beendet, lehnt sie sich an Bord der Reling. Der Nebel ist verflogen und nichts außer die blaue See ist zu sehen. Keiner wollte ihre Fragen beantworten, niemand. Obwohl sie kein Feind hier ist, fühlt sie sich so allein. Ihr Patenonkel ist tot und sie muss immer noch einen Weg aus den Klauen dieser Frau und dem Schiff finden, welche sie festhalten und erst gehen lassen, wenn sie ein passendes Lösegeld bekommen hat. Jeder Pirat würde sich wahrscheinlich über ein Kaperbrief freuen, der einem in gewissen Maße Unabhängigkeit bewahrt. Zudem wird man nicht mehr von der englischen Krone gejagt und muss Angst haben, zu sterben oder gehängt zu werden. Doch bei Anné zweifelt sie irgendwie daran, dass sie so etwas benötigt. Mit der Macht der Flying Dutchman und dieses eigenartigen Nebels samt ihrer Unsterblichkeit ist sie Unbesiegbar. Nicht einmal die englische Armada könnte es mit ihr aufnehmen. Wer dann? Was könnte ein einzelnes Schiff aufhalten? Was kann diese Frau stoppen? "Ihr wirkt nachdenklich, Elisabeth. Worüber genau? Wie ihr mich töten könnt und eurem Schicksal an Bord meines Schiffes entgehen könnt?" Genervt wendet sie sich nach links, wo Anné nun steht. Ausgerechnet diese Frau und dann noch neben ihr. "Müsst ihr nicht ein Schiff steuern, Anné Shanel", fragt die Prinzessin etwas genervt. Sie hat kein wirkliches Interesse daran, Zeit mit dieser Frau zu verbringen, da man ihre Fragen ohnehin nicht beantworten würde. "Ich steuer wann, wo und wie ich will, Elisabeth. Im Anbetracht aller bisherigen Tatsachen solltet ihr nicht weiter darüber nachdenken, wie man mir entkommt oder wie man mich tötet. Genießt lieber die Aussicht und den Gedanken, dass ihr hier zwar Gefangene seid, aber meine Kajüte bezieht und euch das Schiff ansehen dürft. Kenntnisse über andere Kapitäne sind mir zu Ohren gekommen, die ihre Gefangenen nicht sonderlich gut behandeln. Seid froh, dass ihr auf meinem Schiff euch befindet. Blackbeard oder Anne Bonny sind da wahrhaft anderer Natur. Wenn mir die beiden vor die Flinte laufen, werden wir sie ihrer gerechten Strafe übermitteln. Die See wird sich holen, was ihr zusteht. Wir werden ihren gierigen Schlund füllen, ihren Durst und Hunger stillen und ihr Werkzeug sein." Elisabeth blickt nun auf das Gesicht von Anné, welches sich auf das Meer richtet und zu einer eigenartigen Maske verzerrt ist. Normalerweise hätte sie solch eine Rede als dummes Geschwätz abgestempelt und aus ihrem Gehirn verworfen. Doch etwas in ihrem inneren sagt ihr, dass an den Worten Shanel's mehr sein muss, als auf den ersten Blick erkennbar ist. "Wer zur Hölle seid ihr?" Es rutscht der Prinzessin einfach so heraus. Es wird von ihr selbst nicht einmal bemerkt, dass sie jenes von sich gibt, was sie vorgegeben hat zu sagen. "Was wir sind, fragt ihr euch? Menschen wie ihr auch, Elisabeth. Bevor ihr sprecht, solltet ihr wissen, dass ich keine eurer Fragen beantworte. Sicher nicht, solange ihr der englischen Krone und nach Macht greift. Eines Tages, wenn ihr euren Prinzen geheiratet habt und uralt seit, eure Kinder mit euren Enkeln auf Wiesen spielen, werdet ihr vielleicht begreifen, wer wir sind und was die Flying Dutchman ist. Aber genug der gruseligen Worte. Gelüstet es euch nach etwas zu trinken oder etwas zu essen?" Elisabeth atmet tief durch und lehnt sich mit ihren Armen auf die Reling, während ihr Blick auf das Meer abschweift. "Nein, aber danke." Von Minute zu Minute scheint ihr diese Frau unangenehmer, die angeblich für das Meer arbeite, so wie es sich anhört. Aber so einfach ist es sicher nicht. Anné ist eine meisterhafte Gegenspielerin, die genau weiß, welche Worte und Karten sie wann und wie ausspielt. Vielleicht hatte sie etwas zu viel gerade preisgegeben, aber es sind immer noch keine Antworten auf die abertausenden Fragen. "Ihr müsst essen, Elisabeth. Sonst vergeht ihr und erleidet möglicherweise die Erkrankungen, welche bei Mangelerscheinungen auftreten. Spätestens heute Abend werde ich euch etwas servieren lassen und ihr werdet essen, ohne wenn und aber." Immer noch betrachtet Elisabeth lieber das Meer, als die elende Mörderin ihres Patenonkels. "Zwingt ihr Leute immer zu ihrem Glück? Ich bin alt genug und kann selbst entscheiden, wann ich etwas zu mir nehme."
"Alt genug schon", antwortet Anné rasch, ohne großartig nachdenken zu müssen. "Aber anscheinend nicht reif genug, um euren Stolz abzulegen und an euer überleben sowie eure Gesundheit zu denken." Die blasse Frau bleibt wie üblich sehr gelassen und entspannt, während die andere Frau langsam ihre Beherrschung verliert und sich zu ihr dreht. "Wollt ihr mich etwa als Eitel und Stolz bezeichnen? Dass ich lieber Dreck fresse, als euch um Hilfe zu bitten?" Anné lächelt siegreich auf. Elisabeth's innerstes. Kraftausdrücke, Wut, Hass. Der königliche Mantel der Lügen fällt und entblößt, was Elisabeth wirklich ist. In ihr steckt Bosheit, Macht, Gier, aber auch andere Dinge, die man nur mit viel Menschenkenntnis auf anhieb erkennen kann. Der Wunsch nach Freiheit, nach Unabhängigkeit. Jetzt endlich versteht Annè vollständig, was die junge Frau auf die See treibt. Sie liebt unvorhergesehene Ereignisse wie Stürme und Regen. Der Duft der süßen See sowie der streichelnde, ehrlich süße Wind und das Leben an Bord eines Schiffes. Elisabeth muss ihr Leben als Prinzessin wahrlich hassen. "Was grinst du so bescheuert vor dich her? Dir wird deine dämliche Visage noch vergehen, wenn dein Kopf aufgespießt vor mir ist. Und ich werde lachen, einfach nur lachen!" Elisabeth faucht wild herum, während der Kapitän der Dutchman nur weiter grinst. "Das ist einer der Gründe, weshalb ihr euch an Bord frei bewegen dürft, Prinzessin." Elisabeth ist nicht einmal aufgefallen, dass sie Anné geduzt hat. Ihr allerdings fallen solche Details schnell auf. "Ihr liebt die See und die Freiheit. Tief im inneren sehnt ihr euch nach der Freiheit, aber auch nach der Macht. Eines Tages wird der Punkt kommen, an welchem ihr entscheiden müsst, welcher Pfad der eure ist. Königin Englands, unglaublich mächtig, reich, wunderschön, aber an einen Thron gebunden. Oder freie Seefahrerin, ohne Land, ohne Reichtum, aber mit Freiheit bestückt. Bis dahin werden wir Wegbegleiter sein." Anné dreht sich dann um und nimmt wieder Kurs auf ihr Steuerrad. Zurück lässt sie Elisabeth, welche gerade verschiedenste Gefühlsebenen durchlebt. Wut, Hass, Freude, Liebe zur Freiheit und See. Wut auf diese Frau, als auch etwas wie... wie Dankbarkeit? "Ich bringe dieses elende Miststück um und hänge sie in Port Royal auf", gibt Elisabeth wütend von sich. "Und wenn es das letzte ist, was ich auf dieser Erde tue."
DU LIEST GERADE
Der Schrecken der Karibik | girlxgirl
FantasyWenn der Nebel über der Karibik aufzieht, ist der Tod nah. Kein Licht lässt den Nebel aufklaren, kein Schrei dringt heraus und jede Hilfe wird zu spät sein. Willkommen auf der Flying Dutchman. Piraten siedeln sich zunehmend in der Karibik an, vor al...