Der Schrecken der Karibik - Kapitel 1

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"Wir nähern uns der karibischen Küste. Unsere Begleitschiffe, die Mannschaften und meiner Patentochter Elisabeth geht es gut. Die Männer an Bord sind etwas misstrauisch, dass sich eine Frau an Bord befindet, aber sie beugen sich meinen Anweisungen. So gern fährt sie zur See und wie könnte ich ihr nur den Wunsch verwehren? Bald wird sie einen Adeligen Prinzen heiraten, Alexander ist sein Name. Ein wundervoller Bursche!" Jedes Mal, wenn Walter sein Tagebuch oder Logbuch schreibt, spricht er den Text vor sich her. Er ist im Auftrag Englands unterwegs, um Materialien in die Karibik zu bringen und dort den Aufbau eines Stützpunktes zu überwachen. Seine Patentochter Elisabeth wollte er unbedingt mitnehmen, welche er immer als seine Tochter ansieht und bezeichnet. Zuweilen ist sie eine störrische Kronerbin, die sich aber sehr wohl zu benehmen weiß. Gegenteilig zu ihrem königlichen Benehmen liebt sie die See. Jede Gelegenheit suchte sie mit ihm, um hinaus zu fahren, die Welt zu sehen. Auch, wenn sie nach wenigen Tagen schon wieder das Schiff zurück in die sichere Heimat nehmen musste. Allerdings nahm Commodore Walter Santkins Elisabeth nur mit, wenn sein Schiff begleitet wurde. Piraten und allerlei Gesindel wüteten in dieser Gegend und überfielen gern einmal Schiffe mit schwerer und wertvoller Fracht, wie es bei seinem Schiff mehrfach der Fall ist. Sorgen bereitet er sich allerdings wenig. Kein Mensch wäre so Wahnsinnig, seine schwer ausgerüsteten Begleitschiffe anzugreifen, welche wohl jedem Kriegsschiff ein Dorn im Auge wären. Sein Tagebuch schließt er und begibt sich an Deck des Schiffes. In zwei Tagen würden sie die Karibik erreichen und er würde etwas Zeit mit Elisabeth verbringen, den schließlich haben sie kaum welche. So geht er langsam aus seiner Kabine, in der eine Kerze brennt, welche er beim verlassen löscht. Das Wetter in dieser Gegend ist launisch und unzähmbar, wie die Piraten immer behaupten. Stürme kommen und gehen, wie der Wind, der über dem schottischen Gebiet liegt. "Zieht ein Sturm auf, Steuermann", brüllt er fragend über das Deck der Royal England, einem für seiner Zeit sehr schnellem und modernen Schiff. "Wahrscheinlich, Commodore Santkins!" Walter scheint mit der Antwort zufrieden. Er beschließt, sich an der Steuerbordseite seines Schiffes an die sichere Reling zu lehnen und dort auf den blauen, klaren Atlantischen Ozean zu starren. "Er verleiht mir immer die Ruhe, die ich benötige." Manch einen mag es erschrecken, wenn der Commodore einfach ohne sichtlichen Grund anfängt zu sprechen, aber Selbstgespräche waren Teil seines Lebens. Gerüchte behaupten, er sei ein sehr einsamer Mann. So richtige Fakten oder Dinge aus seinem Privatleben kann niemand benennen und die Person, die darüber etwas weiß, schweigt. Elisabeth gesellt sich nach einer kleinen Zeit zu ihrem Patenonkel, den sie liebevoll mit Vater anzusprechen pflegt. "Vater? Wie ich erblicke, bist du in bester Zufriedenheit." Sie lächelt sanft und redet ruhig, in gehobener Sprache. Goldenes, langes Haar weht im Wind, ein ebenes, helles Gesicht mit braunen Augen und einer süßen Stupsnase. Ihr Mund wirkt etwas groß im Vergleich zu ihrem schmalen Gesicht, aber dennoch ist sie sicherlich eine Augenweite. Oft kleidet sie sich in weißen, langen Kleidern, wie es der Adel ihr vorschreibt. Ihre Pflicht als Erbin erfüllt sie mit Präzision und bald schon würde sie den hübschen Alexander heiraten. Das wird sicher ein wundervoller Tag. "Ich bin auf See mit dir und der Ozean ist noch ruhig. Was könnte schon besser sein, als das? Wie geht es dir, meine Tochter?" Ihr lächeln könnte traurige Herzen fröhlich Stimmen, wenn sie nicht im Allgemeinen etwas gemein wäre und dies ist nicht auf eine freche, süße Art bezogen, sondern auf eine wahrlich hinterhätlige. Vom Volk hält sie nicht viel und ihre Gedanken zu einer explosiven und zur Not gewalttätigen Expansion grenzen mit ihrer Genialität wahrlich an diktatorisches Tyrannenverhalten der besonderen Art. Aber auf See verliert sie dieses Verhalten und wird zu einer besonnenen, ruhigen und netten Frau, zumindest ab und an. "Ausgezeichnet Vater. Nun bin ich wieder in Freiheit. Weit entfernt von dem Königshaus und dem Lehrgang üner Außenpolitik." Angenehm seufzt Elisabeth aus und blickt auf das Meer. Zwischen beiden herrscht ein angenehmes Schweigen, während sie auf den ruhigen Ozean sehen. Das Wetter verschlechtert sich etwas, Wind zieht auf und Wolken verdunkeln etwas den Himmel, aber es ist nichts, was tragisch wäre. Kein Sturm, ruhiger Wellengang. Lediglich ein leichter Nebel zieht auf, aber keine Gefahr schein in Sicht zu sein. "Commodore! Commodore! Dichter Nebel voraus!" Walter winkt ab. Sein erster Offizier hatte schon alles im Griff. Er vertraute ihm, da Walter ihn persönlich lange ausbildete. Sein erster Offizier hatte in verschiedenen Situationen einen klaren, kühlen Kopf bewahrt und stets das beste daraus werden lassen. Walter ist ein strategisches Genie und seine erster Offizier ist ist ein verlässlicher Mann. "W-Walter! Sie...Sie..."
"Das heißt immer noch Commodore Walter, erster Offizier", berichtigt er ihn. "Sir! Der.. der Nebel... er..." Kanonenfeuer ertönt. Das rechte der beiden Begleitschiffe verliert seinen Hauptmast und bekommt mehrere Treffer im Bug. "Was in Gottes Namen ist hier los?" Der Nebel verdichtet sich immer weiter und wird zu einer Suppe, in der man kaum noch die Begleitschiffe erblicken kann. Unzählige Kanonenschüsse sind zu hören, während Walter sich panisch aufrichtet und überlegt. Schreie stören seine Gedanken und der erste Offizier brüllt eilig Befehle über das Deck. Immer mehr Kanonenschüsse fallen in einer Schnelle, die unmöglich ist für die Verhältnisse dieser Zeit. Das Begleitschiff auf der Backbordseite gibt zuerst Schreie von sich, Kanonenschüsse ertönen, aber kein Säbel klirrt, keine Handfeuerwaffe mit Schießpulver oder Kugeln. Schreie verstummen, die Spannung an Deck gewinnt an angsteinflößende dichte wie der Nebel. Abgesehen davon, dass die Begleitschiffe durch den Nebel nicht mehr zu sehen sind, ist auch kein Lärm mehr zu hören, wie es sonst die letzten Tage der Fall war, wenn ein Befehl gebrüllt wurde oder einem anderen Schiff zugebrüllt wurde. Sind sie allein? "Elisabeth. Versteck dich unter Deck. Komm erst wieder heraus, wenn ich es dir sage. Das ist ein Befehl!" Seine Stimme ist nur ein flüstern und die eigenwillige Königstochter will schon protestieren, als Walter erneut spricht. "Keine Widerrede! In mein Quartier." Grummelnd zieht sie davon. Ihre Schritte hört man auf dem ganzen Deck, so still ist es in dem Nebel. Selbst die See scheint noch ruhiger als sonst zu sein und selbst Wolken und Vögel oder gar Meeresbewohner wagen es, auch nur ein Geräusch abzugeben. Angst erfüllt die Mannschaft. "Das ist kein natürlicher Nebel", flüstert einer der dreißig Matrosen des Schiffs, welchen hörbar die Angst gepackt hat. Selbst Commodore Santkins läuft Schweiß über die Stirn aus Angst. Er hatte schon ein paar Überfalle erlebt, gegen Piraten gekämpft und mehrfach die Klingen gekreuzt. Dieses Erlebnis hier ist ein anderes. Irgendwo da draußen ist ein Schiff, welches zwei vollwertige englische Kriegsschiffe in wenigen Minuten versenkt hat. Das allein ist schon ein Ding der Unmöglichkeit. Um so ein Schiff zu versenken, muss man die Schwachstellen absolut perfekt kennen und jede Kanonenkugel muss treffen, was völlig unmöglich ist. Sind die Gerüchte etwa war, die er hörte? Das Monster der Karibik? Der Schrecken aller Engländer und Piraten zugleich? Schreie erfüllen plötzlich das Deck und reißen den Commodore aus den Gedanken. Auf Backbordseite sind zwei seiner Männer von Säbeln durchbohrt worden. Über Enterhaken kamen die Fremden Angreifer an bohrt, die ebenso lautlos platziert worden sind wie sie angegriffen haben. "Wie haben die das angestellt", fragt sich Walter insgeheim, doch seine Fragen müssen warten. Er zieht sein Einhandschwert und brüllt einen Angriffsbefehl. "Zeigt ihnen, wozu England die stärkste Klonialmacht der Welt ist. Für König und Königin!" Seine Männer schwören ebenso für König und Königin zu kämpfen und wehren sich gegen ihre Angreifer. Englische Disziplin gegen die geheimnisvollen Angreifer heiße es nun. Kugeln aus Pistolen werden geschossen, aber hauptsächlich ist das klirren der Säbel zu vernehmen. Walter achtet nur auf sich, da die Angreifer wie ein Schwarm Ratten auf das Schiff kommen. Mehrere der von ihm erkannten Piraten streckt er nieder, ehe sich eine Stimme räuspert. "Walter Santkins. Eure Kampfkunst ist selbst in meinen Ohren berühmt." Sofort wendet er sich der Stimme zu, welche sich einen Weg auf der Mannschaftskabine zu ihm bahnte. Das krumme Säbel der Person ist voller Blut, was wohl heißt, dass keiner seiner Kanoniere überlebt hat. Darüber muss er später trauern. Seine Aufmerksamkeit glit nun der in schwarz gekleideten Frau mit Dreispitz und einer Augenklappe am linken Auge. Ihr Haar ist grau und schulterlang. Narben ziehen das Gesicht seiner Gegnerin, aber sie kann nicht einmal Älter als fünfundzwanzig sein, seiner reifen Einschätzung nach zu urteilen. "Anné ist mein Name und ich werde Euch und eure kleine Mannschaft auf den Grund des Ozeans schicken. Gebt auf. Es hat keinen Sinn, sich gegen den Zorn der Meere zu stellen." Walter schaut seine Feindin hasserfüllt an, ehe er die Augen weit aufreißt und seine Hand leicht zu zittern beginnt. Anné. Anné Shanel. Sie ist eine Legende unter jedem Seefahrer und eine bestätigte dazu. Manche sagen, sie sei ein Dämon und ihre Mannschaaft verflucht. Andere behaupten, sie sei der Tod persönlich, der sich die Seelen holt, welche ihre vorgesehene Lebenszeit überschritten haben und wieder andere sehen sie als einen Engel Gottes, der die Sündigen von der Erde wäscht. "Also sind die Geschichten wahr. Anné Shanel. Ich weiß zwar nicht, wie Ihr uns gefunden habt, aber heute ist Euer Todestag!" Anné lacht nicht, grummelt nicht, knurrt nicht. Noch nie hatte Commodore Satkins eine derat präzise und emotionslose Person getroffen. Ihre Augen sind braun, aber absolut kühl und ihre Gesichtszüge sind unleserlich, ja sie zuckt nicht einmal. "Piraten. Engländer. Spanier. Ihr seid alle dieselben wertlosen Ratten. Ich übergebe Euch der See." Schon schnellt seine Angreiferin vor und platziert äußerst präzise und schnelle Hiebe. Gegen einige Feinde hatte Walter schon gefochten, aber diese hier ist so genau wie kein anderer. Er pariert mehrfach, holt zum Gegenangriff aus und schafft es kurz, ihr Gesicht mit seinem Schwert zu streifen. Es ist nur eine minimale Schnittwunde an Anné's Gesicht, keine gefährliche oder gar ernstzunehmende. Die Fechtgeräusche an Deck nehmen ab, aber keine der beiden leistet sich einen Fehler in Sachen Konzentration. Walter kämpft mit aller Verbissenheit, vor allem für seine Patentochter. "Zurück in die Hölle, Teufel", schickt Walter ihr als Fluch entgegen. Diese Frau ist kein Mensch. Er schiebt ihr die Entstehung des Nebels zu, die schnellen, präzisen Schüsse der Kanonenkugeln sowie das lautlose entern. Sie muss ein Werkzeug Satans sein! Sie muss. Mit frisch entfachtem Eifer und neuem Mut fechtet er gegen Anné, kann aber keinen weiteren Treffer kassieren. Er entschließt sich, zu einer ehrenlosen Tat. Viele Fehler hatte er in seinem Leben begangen, unglaublich viele. Er ist ein guter Commodore und wird selbst von der Queen geschätzt, aber seine Ehre hatte er schon lange verloren, weil er den Kodex nicht beachtete. Mit seiner freien, linken Hand zieht er eine Pistole und schießt auf Anné, welche direkt in die Brust getroffen wird. Selbst im Angesicht des Todes verzieht sie keine Miene und fällt einfach so nach hinten um. Ihre Brust hebt sich nicht mehr und senkt sich nicht mehr. "Hört her, Angreifer! Eure augenscheinliche Anführerin ist Tod! Wenn Ihr Euch ergebt, bekommt ihr einen fairen Prozess und vielleicht sogar einen Kaperbrief, um als Englands Freibeuter zu agieren!" Tatsächlich werden alle Kämpfe eingestellt und alle Augen richten sich auf ihn. Selbst Elisabeth ist Aufmerksame Zuschauerin. Als ob sie sich verstecken würde, wenn es um das Leben ihres Patenonkels ginge. Seine Worte haben trotz höheren Alters viel Kraft in sich. Er zieht zudem die Aufmerksamkeit zu sich, als er alle vernehmen lässt, wen er da gerade getötet hat. Unehrenvoll, aber getötet. Mehr spielt für ihn keine Rolle. "Wir lehnen dankend ab, Commodore Santkins."
"Bitte was", flüstert er nur heraus. Das ist unmöglich. Absolut unmöglich! Ein Schmerz durchzuckt seine Brust und strahlt auf seinen ganzen Körper aus. "Elisabeth. Rette dich. Gott sei... mit... mit... mit..." Als ihm das Schwert aus der Brust gezogen wird, kippt er nach vorn, während Anné sich ohne eine Wunde das Blut von der Klinge wischt. Elisabeth hält sich eine Hand vor den Mund und unterdrückt ihren Schrei, um ihre Position nicht preiszugeben. Tränen und unendlicher Schmerz erfüllen sie. Wie gut sie sich erinnern konnte, was sie erlebt haben auf der See. Gelacht und gekämpft haben sie. Gespeist und Inseln erkundet. "Nein. Walter", flüstert sie nur leise zu sich. Ihr Zorn auf diese Frau ist unerschütterlich. Alles würde sie daran setzen, um diese zu töten und ihr den Kopf von den Schultern zu trennen. Nein... Elisabeth hatte eine bessere Idee. Jeden einzelnen Knochen würde sie ihr brechen, jedes Körperteil einzeln in Stücke schneiden, ehe sie diese Anné in einer Mischung aus eigenen Eingeweiden, Blut und Schweiß ersticken lässt. Ja... diese Frau würde ihre finstere Seite kennen lernen und das in vollem Ausmaß! Ein Geräusch über ihr reißt sie aus ihren Rachegedanken. "Süße Träume, Kleine." Irgendetwas trifft sie am Kopf. Ihr wird schwindelig und ihr wird schwarz vor Augen. Ihr Blick richtet sich nur auf Anné, ehe sie ohnmächtig wird. Ihre letzten Gedanken gelten der Mannschaft, die hoffentlich siegreich sein wird. Ansonsten würde sie sich in Anné's Händen wiederfinden. An Bord des legendären Schiffes, das Angst und Schrecken verbreitet. An Bord der Flying Dutchman.

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