"Wie ist es euch ergangen? Würdet ihr es mir erzählen, Hoheit?" Der Commodore hatte sie mit in die persönliche Kajüte genommen, allerdings ohne irgendwelche Hintergedanken wie Begierde oder Liebe. Für ihn ist es nur richtig, die zukünftige Königin so angenehm wie möglich zu quartieren und das ist nur in seiner Kajüte gewährleistet. Einen Tee hatte er zubereitet, welchen er nun zuerst der Prinzessin und dann sich selbst einschenkt. "Ihr schweigt? Ist den alles in Ordnung? Wenn es etwas gibt, dass ich für euch tun kann, gebt mit bitte bescheid." Weiterhin schweigt die Prinzessin welche durch ein Fenster in der Kajüte auf die leicht stürmische See schaut. Das Unwetter war wieder abgezogen. Warme und kalte Luft wechselten sich ab in geringen Maße und leichter Nebel zog sich durch die karibische See. Es erinnert sie an Anné, an die Flying Dutchman, an diese eine Nacht. Der Nebel ist normal in dieser Gegend, aber diese Nacht war es nicht. Es war wunderschön und sie sehnt sich danach. Warum ist sie nocht von Bord gesprungen und zurück zur Dutchman geschwommen? Welche Geheimnisse lagen in der Unsterblichkeit, in dem eigenartigen Schiff und ihrer tödlichen Treffgenauigkeit? Wie spiele die Meeresgöttin da hinein? Fragen über Fragen, doch sie bleiben unbeantwortet wie die Frage, ob sie diese Frau nun doch lieben oder hassen soll. "Meine Königin? Hat sie euch etwas angetan? Hat man euch angefasst oder gar...?"
"Es ist nichts passiert." Sie unterbricht den Commodore mit einer kühlen, eiskalten Stimme, vor welcher sie selbst ein wenig erschrickt, was diesem Mann aber zum Glück nicht auffällt. "Verzeiht. Ich wollte nicht aufdringlich wirken. Wir alle sorgen uns nur um eure Gesundheit und um euer Wohlergehen." So genau hört sie gar nicht zu, was der Commodore da von sich gibt. Brandy oder Brandon oder so... Irgendwie so war sein Name. Er ist unbedeutend, wie alles, was England dient. Nur Zahlen und Armee spielen eine Rolle. Identitäten sind nichts. Farmer William wird unter dem Punkt Wirtschaft zu einer Masse von Bauern zusammengezählt und keiner würde sich seines Namens erinnern. "Zurecht", murmelt die Prinzessin zu ihren Gedankengängen, doch rutscht sie schnell wieder ab davon und denkt an Anné. Zwei Tage ist es nun her. Zwei Tage, an denen sie sich von der Frau mit der Augenklappe trennte, der weder Skorbut auf See etwas anhaben können sowie Hunger und Durst. Manchmal wünscht sie sich, dieser Nebel würde zu Anné gehören. Manchmal wünscht sie sich, alles wäre einfach anders gelaufen.
Anné's Gesicht ist vor Wut verzerrt. Sie würde Elisabeth zurückholen, aber sicherlich nicht nur aus reiner Liebe. Die Dutchman ist bereits samt allen Kanonen beladen. Die Flotte würde sie nicht zerstören können, was sie auch nicht muss. Drei oder vier Schiffe inklusive dem Flagschiff würde sie versenken und der Rest würde die englische Disziplin vergessen und seine eigene Haut retten wollen. Welcher Offizier ist schon so wahnsinnig, sich gegen die Flying Dutchman zu behaupten? Alle Überzahl wird vergessen, da die menschliche Angst einsetzt. Das ist einer der Gründe, weshalb man dieses verfluchte Schiff fürchtet und Anné fürchtet. Angst und Schrecken waren Teil ihres Krieges und wenn man in Tavernen ihren Namen flüsterte, tobte für einige Sekundne plötzlich ein stärkerer Wind auf, der abrupt wieder endet. "Es ist alles bereit, Kapitän." Anné nickt ihrem ersten Offizier nur knapp zu und wendet ihren Blick voraus. Der Nebel in dieser Umgebung würde immer dichter werden. Es war üblich, dass diese Gegend davon öfter betroffen ist und jeder erfahrene Seemann rechnet damit, dass man diese Gegend nebelig durchqueren muss. Darauf hatte Anné zwei Tage gewartet. "Elisabeth gehört mir. Passt gefälligst auf, wo ihr hinzielt, wir brauchen sie schließlich noch. Aber keiner fässt sie an, verstanden?" Ihr Ton ist noch strenger als sonst. Aktuell ist sie eine nicht zu unterschätzende Woge des Zorns. Ihre Fingernknöchel haben sich vor Zorn mehr als sichtbar weiß gefärbt auf der Haut ihrer Hände, da sie diese so zusammenballt. In der Ferne beginnt der Donner erneut zu toben, obwohl das Unwetter gerade erst abgezogen ist. "Wir werden uns nicht von England besiegen lassen! Ich bin Anné Shanel! Kapitän der Flying Dutchman, treue Dienerin der allmächtigen Meeresgöttin Shi'raska und unangefochtene Herrscherin über die See! Versenkt diese Ratten! Einen nach dem anderen!" Es ist lange her, wundert sich der Bootsmann, welchem eine Soneraufgabe in der Crew zukommt. Es ist sehr lange her, dass Anné Shanel so derat in Rage geraten ist und die Wut über ihre Gedanken herrschen ließ. Was ist vorgefallen? War es Elisabeth? Das wäre aber unmöglich, da sich ihr Kapitän nie verliebt. Eher würde sie sterben, meinte sie einmal. "Wir nehmen zuerst Kurs auf das Begleitschiff auf Backbordseite, dann versenken wir das große Schiff des Commodore. Sobald die Prinzessin an Bord der Flying Dutchman ist, versenkt das Schiff." Der erste Offizier, welcher sich eigentlich abewenden wollte, dreht sich erneut zu Anné, um noch eine einzige Frage zu stellen. "Elisabeth wird an Bord von euch gebracht. Was geschieht mit dem Rest der englischen Besatzung? Sollen wir sie Gefangen nehmen?" Den Blick behält die blasse Frau auf die englischen Schiffe gerichtet, welchen sie sich langsam im Schutz der Nacht und des Nebels nähern. Eine letzte Anweisung gibt sie noch, ehe das Gemetzel starten würde. "Es gibt keine Überlebenden."
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Der Schrecken der Karibik | girlxgirl
FantastikWenn der Nebel über der Karibik aufzieht, ist der Tod nah. Kein Licht lässt den Nebel aufklaren, kein Schrei dringt heraus und jede Hilfe wird zu spät sein. Willkommen auf der Flying Dutchman. Piraten siedeln sich zunehmend in der Karibik an, vor al...