Die Dutchman. Elisabeth dachte immer, dass dieses Schiff aus den Legenden immer gruselig aussieht, zerfällt und doch wieder nicht zerfällt. Ein grünlicher Schimmer solle das Schiff umgeben und selbst das kreischen der Seelen, welche es verschlungen hat, soll man hören. Davon ist nichts wahr, zumindest fast nichts. Das Deck der Dutchman sowie der Mast sind teilweise mit Moos belegt. Der Rest jedoch scheint unberührt und geradezu perfekt zu sein. Auffällig sind die unzähligen Kanonen und die Bauart des Schiffes. Zwei Dutzend Kanonen auf jeder Seite und sechs Bug- und Heckkanonen. Der Bau des Schiffes ist recht eigenartig. So richtig erklären kann es Elisabetz doch nicht. Die Kanonen und das dazugehörige Material müssen sehr schwer sein. Solch ein Schiff wäre kaum manövrierfähig und schon gar nicht schneller als englische Kriegsschiffe. Und dennoch hat des die mit Moos bedeckte und viel zu schwer beladene Flying Dutchman geschafft, einen schnellen Sieg zu erringen und sogar haargenau zu treffen, was sich die Prinzessin des Königreichs England immer noch nicht erklären kann. Sie kann sich kaum mehr umsehen, da wird eine Tür geöffnet und sie wird vom Bootsmann herein geworfen. Ein paar Stufen rollt sie hinab und schlägt dann in dem neuen Zimmer auf. "Viel Spaß da unten beim Kapitän, Prinzessin", raunt er nur noch, ehe er verschwindet und die Tür offen stehen lässt. "Warte nur, Piratenabschaum! Wenn du vor dem englischen Galgen bist, wirst du diese Worte noch bereuen!" Grummelnd erhebt sich die Prinzessin und zieht ihr Kleid zurecht. In ihren Worten steckte viel Wut, schließlich ist die von königlichem Blut und muss sich mit solchen Gesocks berühren und herumwerfen lassen. Kurz darauf beschließt man, sich in der Kabine umzusehen. Sie erwartet Dreck, Moos und ein Haufen Alkohol, doch wird sie überrascht. Gar Königlich wirkt die Kapitänskajüte. Es erstrahlt in edlen Bettbezügen, in teuren und hochwertigen Möbeln aus dem feinsten Holz. In einem Schrank sind Weingläser nach der Größe und Form geordnet und allerlei Weinflaschen zieren ebenjenen Schrank. Bücher sind in Regalen alphabetisch geordnet. Einige Titel nimmt sie wahr von berühmten Dichtern und Künstlern oder Theorien der Wissenschaft sowie die Erforschung der Welt und Historie. Alles scheint so rein wie in ihrem königlichen Palast. Allgemein ist diese Kajüte sogar wertvoller als die mancher Kapitäne und Veteranen, die lange auf See gedient haben. Ist dies alles nur Täuschung? Oder ist diese Anné Shanel doch gebildeter, als es den Anschein haben könnte? Wenn sie wirklich so gebildet ist, wie kommt es dann, dass sie mit einer Bande von Piraten die See auf einem gefährlichen Schiff bereist? Einem Schiff, dessen Crew unsterblich ist, schwer bewaffnet ist, Nebel erzeugen kann und entgegen aller Wahrscheinlichkeiten und Berechnungen wahrscheinlich auch noch schneller fährt, als jedes Schiff auf der ganzen Welt. "Entschuldigt die Unanehmlichkeiten, Hoheit. Meine Männer sind leider nicht unbedingt Gastfreundlich. Bitte entschuldigt meine grob Redensart und die Manieren der Crew." Anné schließt die Tür zu ihrer Kajüte und läuft mit schweren Stiefeln die hölzernen Stufen hinab, welche nicht einmal wirklich knarren. Von draußen hört man nur den Lärm ihrer Mannschaft, welche wohl allerlei Vorräte an Bord der Dutchman bringen. "Wenn ihr jetzt glaubt, dass ich den Tod meines Patenonkels euch verzeihe, dann irrt ihr euch gewaltig!" Elisabeth funkelt Anné wütend an, welche mittlerweile neben ihr steht und die Prinzessin betrachtet. "Ach? Walter Santkins war euer Patenonkel und eine Vaterfigur? Ich entschuldige mich für mein benehmen und das meiner Mannschaft, aber es ist mir relativ gleichgültig, ob ich euren Patenonkel abgestochen habe oder nicht. Für mich seid ihr allesamt gleich. Piraten, Engländer, Spanier...", zählt sie auf und noch einige mehr, ehe sie sich an ihren Schreibtisch setzt und wahrscheinlich ihr Logbuch schreibt, wozu auch immer Anné eines benötigt. "Die See fordert ihren Preis. Und ich übergebe der See, nach was sie gelüstet. Nach den Seelen von euch allen." Elisabeth versteht die Kernaussage lediglich nur als ein abschlachten all jener, die Anné nun einmal töten will. "Und warum tötet ihr mich nicht dann? Ich bin mir sicher, dass es für mich ein hohes Lösegeld gibt. Selbst wenn euer Schiff allen Armeen der Welt entkommt und trotzen kann, warum tötet ihr mich nicht einfach?" Elisabeth hatte nie vor, Anné höflich anzusprechen, aber die Ausdrucksweise der Frau und ihr Bildungsstand haben sie wahrlich beeindruckt. "Ihr versteht es einfach nicht, Elisabeth. Eure Aufgabe ist es, für das Volk hübsch und klug auszusehen, Politik zu gestalten, eure Beine für den zukünftigen Prinzen zu spreizen und daraus nach neun Monaten ein Kind zu pressen, was sich wieder auf den Thron setzt, um König oder Königin zu spielen. Aber so wie ich euch einschätze, Elisabeth, interessiert euch der Thron nicht, Politik nicht. Vielleicht euer Traumprinz, welchen ihr bald heiraten sollt, aber was noch?" Anné schlägt ihr scheinbares Logbuch zu und blickt die Prinzessin ernst an, welche mit einer Mischung aus Angst, Verblüffung und Respekt Anné betrachtet. "Erwischt, euer Hoheit? Ihr würdet für euren eigenen Vorteil auch ein ganzes Land brennen lassen, nicht? Wir sehen uns gar nicht mal so unähnlich." Da lacht die Kapitänen des Schiffes, während Elisabeth zittert. Die Erbin weiß durchaus, was sie will und kennt ihre finsteren Seiten. Vollkommen ins schwarze hatte Anné getroffen und sie Schachmatt gesetzt. Sie mag sicher ihren Prinzen heiraten und ihm Kinder schenken, aber sonst hatte sie nur vor, Dinge nach ihrem Vorteil zu erledigen. Der Thron war ihr nur wegen der Macht wichtig und für ein Volk oder sonstiges hatte sie nicht viel übrig. "Ihr seid gerissen, Anné." Es nützt nichts, sich dieser Frau zu widersetzen. Auf Strich und Faden hatte diese gruselige Frau sie durchschaut, als könnte sie direkt in die Seele von Menschen sehen. "Wie habt ihr das gemacht, Anné?" Lachend erhebt sich die Kapitänin. Es ist eher ein amüsiertes lachen, kein spottendes oder verachtendes. Nachdem sie sich beruhigt hatte, sucht sie nach einem Wein und schenkt sich dieses in ein passendes Glas. "Ich habe viele Gesichter gesehen, Elisabeth. Mehr müsst ihr aktuell nicht wissen und ich bezweifel, dass ihr mehr aus mir herausbekommt", antwortet sie, während sie sich Wein in ein Glas schenkt, um dannach einen Schluck zu nehmen. Elisabeth verweigert auf Nachfrage einen Schluck und auch Essbares wünscht sie nichts. "Wie amüsant Prinzessin. Ihr seid wahrlich zurückhaltend und zu stolz, als das ihr etwas von mir annehmen würdet. Irgendwann wird euch Hunger und Durst übermannen. Dann werdet ihr ankommen und euer mächtiges Haupt vor mir beugen." Anné lacht erneut auf, während Elisabeth sich streubt. Sie ist eine Prinzessin, die wahrlich Macht in sich trägt. Selbst jetzt könnte sie eine ganze Flotte ausschicken, um ein ganzes Land zu vernichten. "Ich werde mein Haupt nicht vor euch verneigen", brüllt sie ihr entgegen. Doch sie hat das Gefühl, dass das lachen von Anné machtvoller und stärker ist, als ihre Macht. Stärker als sie, stärker als Kriegsschiffe und sogar stärker als England. Wer in Gottes Namen ist diese Frau nur?
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Der Schrecken der Karibik | girlxgirl
FantasyWenn der Nebel über der Karibik aufzieht, ist der Tod nah. Kein Licht lässt den Nebel aufklaren, kein Schrei dringt heraus und jede Hilfe wird zu spät sein. Willkommen auf der Flying Dutchman. Piraten siedeln sich zunehmend in der Karibik an, vor al...