Der Schrecken der Karibik - Kapitel 13

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Einige Stunden kam Anné nicht wieder. Die Prinzessin fing an, sich zu langweilen und Anné zu verfluchen, aber statt irgendetwas zu tun oder die Insel zu erkunden, bleibt sie brav an der Stellen stehen und wartet, wie man es ihr befohlen hatte. Unterwirft sie sich allen ernstes dem Befehl einer Piratenfrau? Sie, die Erbin des Throns von England, dem mächtigsten Land der Welt? Doch ihre Gedanken werden unterbrochen, als Anné endlich wieder hervortritt. "Na endlich seid ihr wieder da. Ich hatte schon die Befürchtung, vor Langeweile zu sterben, weil ihr uns so lange habt warten lassen." Anné's Gesicht ist neutral. Normalerweise hätte sie Elisabeth direkt Parolie geboten, aber ihr Gesicht wirkt ernster als sonst. Die Stimmung nach Scherzen scheint ihr nicht unbedingt zu sein. "Ist etwas passiert, Anné? Sagt schon!" Doch statt direkt zu antworten, geht sie zielstrebig auf die Ruderboote zu, wobei ihre Crew ihr stumm folgt. Elisabeth läuft neben Anné und belagert sie ständig mit Fragen, was den gerade passiere und warum sie ignoriert wird. Erst, als sie in den Beibooten sitzen und schnell losfahren, gibt Anné eine Antwort. "Ihr werdet es gleich sehen, Prinzessin." Damit war Elisabeth nicht zufrieden, doch ihr stürmischer, unzufriedener Protest blieb aus, als sie langsam aber sicher in der Ferne etwas sah. Es ist noch relativ weit für das menschliche Auge von der Insel sowie der Flying Dutchman entfernt, aber die Schiffe nähern sich mit aggressiver Geschwindigkeit. "Von wegen. Und ich glaubte, dass diese Insel nicht auf den englischen Seekarten eingezeichnet sei", murmelt Elisabeth zu sich selbst, welche dachte, dass England noch nicht alle Flecken der Welt gefüllt hatte. Offenbar traf ihre Theorie nicht auf die karibischen Gewässer und Umgebung zu. Ganz England sucht scheinbar nach ihr. Sie kann sich schon denken, wessen Werk dies ist. Ein kleiner Zwerg mit einem Dreispitz, eine von außen betrachtete Witzfigur, aber im inneren ein gefährlicher, brillanter Mann. "Das sind englische Schiffe, Anné!" Die Kronerbin sieht es als ihre Pflicht, die Kapitänin zu warnen. Warum warnt sie diese Frau eigentlich, wo sie doch gerade im Begriff war, ihre Freiheit und ihre Macht wiederzuerlangen? Oder erhält sie doch nur die Macht wieder und verliert die Freiheit? Den schließlich wäre sie eingesperrt in diesem Gefängnis namens Königshaus. Ihre einzige Freiheit ist die See und diese würde man ihr verweigern, solange die Dutchman auf dem Meer segelt. "Das weiß ich schon. Ihr dürft euch noch nicht entscheiden, ob ihr bleiben oder gehen wollt, Elisabeth. Noch nicht. Ich werde diese Schiffe dort versenken und keiner von ihnen wird überleben." Elisabeth ist es recht egal, ob die Piraten sterben oder die Männer im Dienste seiner Majestät. Das Leben anderer war ihr schon immer recht egal, zumindest der meisten anderen. Die Ruderboote beziehungsweise Beiboote erreichen schnell die Flying Dutchman, auf welcher schon reges Treiben herrscht. "Woher wusstet ihr, dass uns feindliche Schiffe angreifen? Ihr wart in einer dunklen Höhle, in der man wendet etwas hören noch sehen konnte!" Sie erklimmen das Deck und  erst dann erhält sie eine Antwort, was sie nicht stört. Aber die Antwort treibt ihren Geist wieder zur Weißglut. "Magie, Elisabeth. Belassen wir es vorerst dabei." Noch bevor es wieder zu einem Gespräch des Streits kommt zwischen den beiden Frauen, brüllt Anne schon Befehle über den Deck. "Kanonen laden! Volle Kraft voraus! Steuert zwischen die beiden Schiffe hindurch und versenkt sie. Ich will keine Überlebenden sehen!" Anné selbst eilt an das Steuerrad und der Anker wird eingeholt. Die Flying Dutchman setzt sich mit Anné unnatürlich schnell in Bewegung, schneller, als es physikalische Gesetze erlauben, vor allem bei diesem schwachen Wind. Organisiert und höchst professionell geht die Crew vor. Elisabeth gesellt sich an die Seite von Anné, welche ihr kurz zunickt und minimal lächelt, als wolle sie Elisabeth sagen, dass alles ein gutes Ende nehmen würde. Trotz der noch innerliche bestehenden Feindschaft, hat Elisabeth das Gefühl, Anné vertrauen zu können. Sicherheit, Kraft, Mut und Kontrolle über sie Situation strahlt sie aus. Stets ist sie Herrin über die Lage und behält die Kontrolle. Selbst der Wahn zwischen zwei englischen, schwer bewaffneten Kriegsschiffen hindurchzusegeln erscheint der Prinzessin eher wie ein kluger Schachzug als reiner Selbstmord. Unaufhörlich nähern sie sich den Schiffen Englands, welche Elisabeth momentan recht unbewusst als Feinde betrachtet. "Glaubt ihr an Schicksal, Elisabeth? Bestimmung oder eine uns vorgegebene Ordnung?"
"Ich bin mir nicht sicher. Aber ich glaube keinem Gott oder einer übergeordneten Macht, die mein Leben steuert." Elisabeth erhält darauf keine Antwort mehr, was sie aber instinktiv erwartete hatte. Diesmal stört es sie nicht. Sie begnügt sich damit, Anné zu beobachten, wie sie in den Kampf segelt. Die Schiffe Englands teilen sich auf, eins auf Backbordseite, das andere auf Steuerbordseite. Auf den anderen Schiffen wird etwas gebrüllt, aber der Inhalt dessen ist nicht verständlich für die junge Thronfolgerin, welcher schon das Herz vor Aufregung rast. Bald schon würde Hauptmast an Hauptmast stehen, zumindest in einer ähnlichen Linie. Und dann würden die Kanonen feuern. Sie ist sich der Gefahr zweier englischer Kriegsschiffe bewusst. Dass Anné den Kampf gewinnen wird, scheint ihr sehr sicher zu sein. Aber der Schaden, welchen die Flying Dutchman davontragen würde, wäre immens. Wie kann diese Frau so selbstsicher hinnehmen, dass ich Schiff für einige Wochen schwer beschädigt sein wird? "Feuer", flüstert Anné leise. Dutzende Kanonenrohre lassen die Töne des Todes erklingen. Unzählige Schüsse fallen sowohl auf Seiten Englands als auch auf der Seite der Dutchman. Wie gewohnt werden die Schiffe, welche sich vor die Kanonen der Dutchman wagen so präzise getroffen, dass es an Hexerei grenzt. Nach dem Austausch zweier gegenseitiger Bombardements sind einige Schäden an dem verfluchten Schiff von Anné entstanden, welche nicht ganz unerwähnenswerter Natur sind. Doch die Schiffe Englands werden deutlich schwerer getroffen. Hauptmast der beiden Schiffe fällt, die Kapitänskajüte existiert nicht mehr und bereits mehrere Kanonen sind nicht mehr funktionsfähig. Während die Verluste der Flying Dutchman sich auf null Personen belaufen, sind auf beiden Schiffen der Gegner etwa ein halbes Dutzend bereits gestorben oder soweit außer Gefecht, dass sie diese Schlacht ohnehin keine Bedrohung mehr sind. Beinah aneinander sind die Schiffe vorbeigefahren. Dieses Spiel kennt Elisabeth von Büchern. Die Schiffe würden wenden und zu einem neuen Angriff ansteuern. Doch bevor sie alle wenden würden, erfolgt eine letzte Kanonade. Leider so ungünstig, dass beinah eine Kugel Elisabeth trifft. Ihr Herz bleibt stehen, als die Kugel ein reißendes Loch an die Stelle reißt, an welcher sie steht. Vor Schreck und aus Reflex läuft sie einige Schritte nach hinten. Da sie sich ohnehin schon nah an der Reling befand, kreischt sie laut auf, als ihr Rücken sich über die Reling beugt und sie kopfüber ins Wasser fällt. Allein der Aufprall ist unangenehm, aber die Tatsache, dass sie in Panik ist und im offenen mehr nicht lange schwimmen kann, treibt ihr die Todesangst in Herz und Seele. Auf dem Wasser treiben mehrere Stücke Holz, welche aus den drei Schiffen herausgebrochen sind. Ebenso treiben zwei Menschen leblos auf der Oberfläche des Wassers als bisherige Zeichen der Schlacht. Panisch versucht sie, die Oberfläche zu erreichen. Allerdings ist es so, als würde ein schwerer Stein sie nach unten ziehen. Verzweifelt versucht sie zu schreien und ihre Arme nach der Oberfläche auszustrecken, doch das Wasser schluckt ihre Stimme und füllt nur ihre Lungen und ihre Hände würden niemals die Oberfläche erreichen. Sie will nicht sterben! Nicht heute, nicht morgen! So viel hatte sie noch vor, so viel wollte sie erkunden und wissen, herausfinden und fühlen. Doch das einzige, was sie immer stärker verspürt, ist die zunehmende Schwärze. Sie nimmt immer mehr ihr Bewusstsein ein, lässt sie schwarz sehen. Ihre Kraft scheint nur noch ein winziger Hauch zu sein. Die Kraft des Körpers erschlafft und gehorcht ihr nicht mehr. Mit ihren Namen flüstert sie ein letztes Wort. Es hat genau vier Buchstaben. Das ist das letzte, woran sie denkt, als sie sich im Meer verliert und den Kampf aufgibt.

Der Schrecken der Karibik | girlxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt