Der Schrecken der Karibik - Kapitel 20

1.4K 87 10
                                    

Es ist ein recht sonniger Sommertag. Die heißen Temperaturen und das karibische Klima treibt einem jeden Mann und jeder Frau auf See den Schweiß auf die Stirn. Der Wind steht günstig und nichts scheint die gute Laune des Tages zerstören zu können, welcher das Wetter heute verbreitet. Zwei Personen ist heute nicht nach Lachen zumute. Annß steuert nicht das Schiff heute, sondern blickt durch ihr persönliches, ausziehbares Fernrohr. Fast zwei dutzend Schiffe unter englischer Flagge erblickt sie. "Das sieht nach Brandon aus, Prinzessin. Ihr scheint ja wirklich viel wert zu sein, wenn euch der Commodore persönlich sucht." Elisabeth schweigt schon den ganzen Tag. Auch sie hatte schon die kleinen Punkt am Horizont erblickt und erahnt, dass es sich um die Schiffe ihrer Heimat handeln muss. Es war für sie absehbar, dass man nach ihr sucht. Vater und Mutter würden die ganze Flotte über den Kontinent jagen, nur um ihre Elisabeth wieder im sicheren Hafen der Kolonialmacht zu wissen. "Schade. Ich befürchte, dass selbst die Flying Dutchman gegen diese Flotte versagen wird." Anné blickt rechts neben sich zur Prinzessin, welche immer noch schweigt. Was wohl in ihr gerade vorgeht? Dasselbe wie in ihr gerade? "Sie haben uns mit Sicherheit schon gesehen.  Wir werden hier vor Anker gehen und auf sie warten. Wenn sie euch an Bord erblicken, dann wird wohl bald ihr Flaggschiff aufkreuzen und euch einsammeln wollen. Bis dahin habt ihr Zeit." Ihr Fernrohr klappt sie zusammen und dann wendet sie sich ab. Sie kann es nicht ertragen, in der Nähe einer schweigsamen Elisabeth zu sein, welche ihre Gefühle abwehrt. Mehrmals blickt sie zurück, aber die Kronerbin blickt immer noch auf die Masse an Schiffen, welche sich ihnen nähert. Seufzend und schwermütig läuft Kapitän Shanel auf und ab. Eigentlich hasst sie es nicht, auf etwas warten zu müssen, aber das hier ist etwas vollkommen anderes. Das Schicksal ihres Herzens ist ein anderes, als auf eine Schlacht zu warten. Immer wieder blickt sie zu Elisabeth, aber diese wendet sich nicht um. Nicht ein einziges Mal.

Wie erwartet nähert sich nach einiger Zeit das Schiff von Brandon's Schiff mit weißer Flagge. Ein Zeichen, dass die Absichten diplomatischer Natur sind und kein Kriegsakt. Allerdings haben die restlichen Schiffe sie in einer halbkreisförmigen Formation umzingelt. Nach dem Motto, dass im Fall der Fälle dutzende Kanonenrohre auf sie feuern und sie auf den Boden des Meeres befödern. "Sollen sie es nur wagen", grummelt Shanel mies gelaunt und blickt das riesige, englische Schlachtschiff an, welches auf pure Zerstörung ausgelegt ist. Es ist definitiv ein längeres Schiff als die Dutchman und nicht so flexibel in der Bewegung. Aber wenn man gegen dieses Schiff einen Hagel aus Kanonenkugeln austauscht, dann wird es ein schmerzvoller Kampf. Mehrere Hauptmasten zieren das Schiff und allerlei Leute sind dort beschäftigt. Nicht nur Matrosen, sondern auch zwei dutzend Soldaten mit Gewehren, welche mit Sicherheit alle geladen und einsatzbereit sind. Das riesige Schiff ankert genau neben der Flying Dutchman, die immer noch bedrohlich wirkt, selbst in deutlicher Unterzahl. Große, breite Planken dienen als Verbindung beider Schiffe, welche still im Gewässer nebeneinander ruhen. Commodore Brandon hält die Arme hinter dem Rücken verschränkt und blickt Elisabeth an. Er versucht, seine Freude zu verbergen, den diese Freude ist nicht nur darauf begründet, dass er seinen Auftrag erfüllt hatte. Doch schnell gleitet sein Blick auf Anné, welche ihn die ganze Zeit eindringlich anstarrt. Hass, Wut, Zorn, aber dies gemischt mit einer eisernen Disziplin. "Euer Ruf eilt euch voraus, Kapitän Shanel. Es ist mir ehrlich gesprochen eine Ehre, euch persönlich mal zu Gesicht zu bekommen. Nicht sehr viele können behaupten, eine Begegnung mit euch zu überleben."
"Sparen wir uns diese Worte bitte, Commodore. Ihr seid für die Prinzessin hier und nicht, um Höflichkeiten auszutauschen. Mein Preis ist, dass ihr mich nicht nervt. Eine Woche will ich euch nicht sehen. Dann könnt ihr mich wieder jagen, wenn ihr wollt." Brandon gibt sich weder eine Blöße, noch lässt er sich Gefühle oder ähnliches anmerken. "Einverstanden, Kapitän Shanel."
Elisabeth steht neben Anné, gleich gekleidet wie sie, da ihr Kleid ja im Rahmen des Vorspiels zerstört wurde. "Nun ist die Zeit gekommen, sich zu entscheiden, Elisabeth. Bleibt hier oder geht fort. Diese Entscheidung wird euer ganzes Leben beeinflussen. Ihr werdet keine Möglickeit mehr haben, umzukehren und euer Leben zu verändern. Macht oder Freiheit. Die Entscheidung liegt bei euch." Nach den Worten Elisabeths blickt sie mit kühlen Blick mehrmals zwischen Brandon und Anné hin und her. Was sich in Elisabeth abspielt, kann selbst Anné gerade nur erahnen. Nicht immer ist die Gabe des Lesens von Gedanken und Gefühlen auf ihrer Seite und schon gar nicht bei jemandem, der sie sich nahe fühlt. Innerlich betet sie, dass Elisabeth sich für sie entscheidet und nicht für England. Doch die gegenseitge Gefühlskälte und Distanz, die sie sich die letzten Tage schenkten, trägt nun Früchte. Ohne ein weiteres Wort geht die Prinzessin über die Planken sicher auf das englische Kriegsschiff und positioniert sich hinter dem Commodore. Diesen Blick und diese Ausstrahlung würde Anné wohl ihr ganzes Leben nicht vergessen. Es war keine Wut und kein Zorn, den Elisabeth ausstrahlte. Es war kühle, als wäre zwischen den beiden nie etwas passiert. Als wäre die Nacht vergessen gewesen und ihre kurze, gemeinsame Zeit. Beinah einen Monat verbrachten sie zusammen auf See und das war der Dank dafür. Anné fühlt sich, als hätte man ihr ein Messer ins Herz gerammt und dort mehrmals gedreht, um die Wunde größtmöglich werden zu lassen. Ursprünglich dachte sie, dass die Prinzessin sie wirklich versuchen würde zu töten, wenn auch hinterhältig. Aber das, was sie heute getan hat, war schlimmer als ein Mord. "Abmachung ist Abmachung, Kapitän Shanel. Wir werden wie versprochen eine Woche Ruhe walten lassen." Die Matrosen Englands haben schon angefangen, die Planken einzuziehen und den Anker zu lichten. In den eisigen Augen Anné's sammeln sich mehrere Tränen an, welche sie aber zurückhält. "Ich werde unsere Reise nicht vergessen, Elisabeth. Ich wünsche euch alles Gute." Das letzte Wort steckt voller Schmerz, was auch deulich hörbar war. Auf einen stummen Befehl wird auch der Anker der Dutchman gelichtet und Anné zieht sich in eine Ecke an Deck zurück wo sie niemand erblickt. Wie konnte Elisabeth ihr dies nur antun? Sie liebt diese Frau und nun segelt sie mit einer kühle davon, als wäre nie etwas geschehen. Die eigentlich kühle Kapitänin gibt sich ihren Tränen hin, während sie ihrem zerbrochenem Herz nachtrauert und fortsegelt. Fort von Elisabeth. Für immer.

Der Schrecken der Karibik | girlxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt