Der Schrecken der Karibik - Kapitel 38

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Der kühle Wind der See streicht durch die Haare von Elisabeth. Neben Anné steht sie, welche das Steuer des Schiffes bedient und die Flying Dutchman über das Meer segeln lässt. Manchmal kommt es den beiden vor, als würde das verfluchte Schiff über das Meer fliegen, anstatt wie andere Boote zu fahren. Fische scheinen vor dem Schiff keine Angst zu haben. Der Schwarm weicht lediglich dem riesigen Kahn aus, aber sonst behandeln sie ihn wie ein Wesen des Meeres. "Uns gehört nun das Meer, Elisabeth. Ich habe dir geschworen, dass ich dir diesen Wunsch erfüllen werde." Wenn der Kapitän nur an die Zeiten von damals zurückdenkt, in welchen Elisabeth sie hasste, verfluchte und an den Galgen wünschte. Es gab Zeiten, da hat sie sich selbst auf dem Deck gewälzt und um Erlösung gebeten, doch erhöhrte sie keine Göttin und auch sonst niemand. Vielleicht wusste die Göttin des Meeres damals schon, was ihr Schicksal sein wird. Diese Frage wurde ihr allerdings nie beantwortet werden. Die Göttin ruht nun als Seele in Elisabeth und hat keine wirkliche Macht mehr über ihren Körper. Lediglich die Kräfte hat sie übertragen. Für Götter spielt eine Existenz keine Rolle, auch nicht ihre eigene. Sie haben kein Denken wie Menschen und klammern sich fest am Halm des Lebens. Ihre Bestreben beruht darauf, immer ihre Seele am Leben zu erhalten. Dies tun sie mit der Übertragung von Erwählten. Welche Menschen erwählt sind, lag nie in der Macht der Göttin. Es ist Zufall, wann eine Hülle auftaucht. Und manchmal wie in diesem Fall dauert es mehrere Generationen. "Ich will nur noch dich und die See. Das ist alles, was ich brauche und liebe. Kein töten mehr, kein England, keren Piraten. Ich will einfach nur meine Ruhe mit dir." So sanft wirkt sie Prinzessin nun wieder, fällt Anné auf. Seit zwei Tagen segeln sie ohne Kurs umher und suchen nichts, abgesehen von gemeinsamer Zeit. Küssen, Sex, lachen und Zärtlickeiten. "Und das alles sollst du bekommen." Noch immer ist Elisabeth in den Armen ihrer Geliebten wie ein zahmens, braves Lamm, welches nicht einmal eine harmlose Fliege etwas anhaben könnte. "Nein. Es geht hier nicht um mich, Anné. Es geht um uns beide. Wir sollen unsere Ruhe bekommen. Du hast so viele Jahre lang auf Frieden hingearbeitet und nun soll es auch dir gegönnt sein." Der Kapitän schüttelt mit dem Kopf und lacht amüsiert auf. Auf die Nachfrage, was den so witzig sein, antwortet Anné nur: "Ich musste gerade zurückdenken. Vor ein paar Wochen wolltest du mich ausgeweidet sehen und jetzt liebst du mich. Das ist wie..." Einem Vergleich findet sie nicht, was aber auch an dem Kuss auf ihrer Wange zuzuschreiben ist. Weich und kühl sind die Lippen von Elisabeth geworden und sehr oft bereut Anné, dass sie ihre Geliebte zu einer auf ewig Lebenden verdammen musste. Aber andererseits hätte sie diese Frau dann für immer verloren. Doch werden ihre Gedanken unterbrochen, als sich der erste Offizier nähert und salutiert. Die Crew wirkt zwar immer noch gespenstisch, aber so etwas wie ein Lebenssinn regt sich in ihnen, seit die Göttin in die Trägerin gewandert ist. "Kapitän Shanel! Am Horizont sind dutzende Schiffe zu sichten. Sie tragen die englische Flagge. Es ist eine ganze Flotte!" Selbst Elisabeth scheint panisch geworden zu sein und löst sich von Anné, welche in ihren Mantel mit der Hand fährt, ihr Fernrohr zückt, um durch das Spezialglas in die Ferne zu sehen. Was sie erblickt, entspricht im ungefähren der Wahrheit des ersten Offiziers. Es sind nur nur einfache Schiffe, wie sie England benutzt, um Piraten zu jagen. Es sind schwere Kriegsschiffe dabei mit dutzenden Kanonen beladen. "Na schau mal einer an. Die sind immer noch scharf auf dich, Elisabeth." Das Fernrohr klappt sie wieder zusammen und verstaut es in ihrem Mantel. "England? Sie jagen uns immer noch?" Die Schiffe am Horizont scheinen langsam sich zu nähern und einen Kreis zu bilden, um die Flying Dutchman einzuschließen. "Sie haben gewartet, Elisabeth. Ich weiß nicht wie sie uns gefunden haben, aber sie scheinen auf uns gewartet zu haben. Dann Mal alle an die Kanonen und auf meinen Befehl warten!"

Der kleine Mann steht an Deck seines Flaggschiffes und besieht sich seines langen Erzfeindes. Persönlich hat er Anné Shanel nie getroffen, aber die Geschichten über sie reichen aus um zu wissen, dass kaum einer überlebt hat und wenn dann nur, weil es diese Frau wollte. "Das Schiff wird versenkt. Sollte die Prinzessin dabei sterben, ist es ein tragischer Tod gewesen, da sie von Shanel als Geißel benutzt wurde. Was für ein trauriger Tag für das englische Reich", murmelt er zu sich selbst, während er seine Arme hinter dem Rücken verschränkt hält. Er hat mehrere Taktiken, um Anné im Gefangenschaft zu bringen. Er ahnt, dass die beiden mehr gemeinsam haben, als eine einfache Zusammenarbeit. "Und genau deshalb werde ich gewinnen. Wenn ich Elisabeth in meine Gewalt bekomme, dann wird Anné sicherlich ihre Schwäche zeigen." Er zeigt kein lachen, keine Freude, sondern pure Konzentration. Lange hat er auf den Tag gewartet, an welchem Kapitän Anné Shanel eine Schwachstelle zeigt, offenbart oder bis ihm eine einfällt. Nun ist der Tag endlich soweit. "Volle Kraft voraus! Wir müssen ihr Schiff schnell erreichen oder die Dutchman verschwindet wieder. Feuer erst auf mein Zeichen!" Befehle werden von Schiff zu Schiff mithilfe von Flaggensignalen gesendet. Beide bekämpfende Parteien wissen, dass es hier um alles oder nichts geht. Während der kleine Mann mit neutralen Blick gegen seine Feinde segelt, sticht Anné mit Zorn in See gegen ihren Feind. An ihrer Seite ist Elisabeth, welche schon Lust hat, ihre neuen Kräfte an einer ganzen Flotte zu testen. Und sie sehnt sich nach dem Tod ihrer Feinde, wie man auch ihren glühenden Augen ansehen kann. Die Brutalität in Elisabeth steigert sich, wenn sie einen bevorstehenden Kampf sieht und vor allem, wenn sie die Seelen der See übergeben kann.

Der Schrecken der Karibik | girlxgirlWo Geschichten leben. Entdecke jetzt