Es ist ein stürmischer Tag. Das Wetter in der Karibik ist unberechenbar, wie auch heute. Dunkle Wolken brodeln über dem Himmel und die See scheint unruhig zu sein. Starker Wind peitscht über die kleine, englische Insel, auf der bisher knapp 2.000 Männer und Frauen ein neues zu Hause gefunden haben. Diese kleine Stadt soll noch weiter anwachsen und später zu einer großen Stadt werden, also ein Anlaufpunkt sowohl für Menschen, die eine neue Heimat suchen, als auch für die Handelsflotte oder das Militär, um das Meer vor Invasoren und vor allem Piraten zu sichern. Auf dieser netten Insel spielt die kleine Chelly mit ihrem Ball und ihrem Hund. Regen und Wind hat den beiden noch nie etwas ausgemacht. Glücklich bellt der Hund auf und die kleine Chelly lacht mir ihrem blonden Haar und ihrem durchweichten Kleid. Sieben Jahre ist sie alt und ihr liebstes Hobby ist das Spielen mit ihrem Hund Benno, ein Familienhund, der seit drei Jahren in der Familie fester Bestandteil ist. Lediglich ein Schiff zu betreten weigert er sich. Die letzte Reise tat ihm nicht sonderlich gut. Sein kompletter Mageninhalt entleerte sich mehrmals während der Fahrt. Aber das ist alles Vergangenheit. Hier haben sie ein neues Leben begonnen. "Chelly! Benno! Kommt bitte herein! Es ist sehr windig! Ihr könnt morgen weiterspielen!" Die Mutter scheint stets besorgt, aber das muss sie auch sein ab und an. Der Vater ist irgendwo auf See und geht auf Piratenjagd und verdient den Unterhalt. Sie als Mutter betreibt einen kleinen Laden und passt auf Benno und ihre Tochter auf. Viel Zeit für Freizeit bleibt da nicht. "Och Mama. Kann ich nicht noch etwas mit Benno spielen? Wir sind gerade mitten im Spiel!" Natürlich mault Chelly herum. Schließlich wurde das Spiel unterbrochen von einer Person, die aktuell nicht mitspielt. Und dies natürlich wieder genau dann, wenn es am spaßigsten ist. "Keine Widerrede! Kommt sofort rein! Sonst erkältest du dich noch und dann kannst du tagelang Tee trinken und dich auskurieren!" Manchmal hat sie einfach keine Geduld mehr für ihre Tochter. Benno hört wenigstens noch, aber ihre Tochter... Lediglich auf Benno scheint sie zu hören, so scheint es ihr zumindest in ihrer mütterlichen Überforderung. "Mama? Was hat den Benno auf einmal?" Statt auf die Anweisungen ihrer Mutter zu hören, wendet sich die Tochter an ihren Spielfreund, welcher das Meer anbellt. Es ist kein verspieltes bellen, sondern ein verängstigtes. Denn schon gleich rennt Benno fort, weit weg vom Meer. "Benno! Warte!" Chelly vergisst alles und rennt mit ihren kurzen Beinen ihrem besten Freund hinterher. "Chelly! Benno! Kommt zurück!" Eigentlich wollte die Mutter den beiden hinterherrennen, als sie etwas sieht, was sie noch nie zuvor gesehen hat. Das ganze Wasser scheint sich zurückzuziehen. "Was im Namen Gottes geht hier vor", flüstert sie zu sich selbst. Ist das ein eigenartiges Phänomen, welches gerade geschieht? Die Blitze donnern und krachen noch immer über den Himmel, als die Mutter nach einigen Minuten entdeckt, was den die Folge des Phänomens war.
Anné steht am Bug des Schiffes mit geschlossenen Augen. Ihre gesamte Wut und ihr Hass manifestiert sie in sich. Die kleine Insel liegt in der Ferne, so friedlich und schutzlos. Leise murmelt sie einige Worte und die gesamte Crew richtet ihren Blick auf ihren Kapitän. Das Meer scheint den Zorn Anné's widerzuspiegeln. Gewitter für Zorn, Regen für Trauer und unruhiger Wellengang für all die Gefühle, welche sie nicht klar definieren kann. Ist es das Gefühl des schmerzlichen Verlustes einer Person, die man liebt? Oder ist sie enttäuscht darüber, dass sie ihre Aufgabe nicht gänzlich erfüllen konnte? Es spielt für sie aktuell keine Rolle. Beherrschung konnte sie ihr eigen nennen und Disziplin, aber als man ihr vor wenigen Stunden Elisabeth nahm, verlor sie den Verstand. Während sie einen Kurs angegeben hatte, schloss sie sich ein, deckte die Tote Prinzessin mit ihrer gemeinsamen Decke zu und weinte anschließend. Sie verfluchte sich für ihre Unachtsamkeit. Wäre sie an Bord der Flying Dutchman gegangen, wäre dies alles nicht geschehen. Aber der Moment war so überwältigend, dass alle Logik verschwand. Es war ihre Schuld, dass man ihr diese wundervolle Frau aus den Armen gerissen hatte. In den Phasen ihrer Trauer hatte sich die Wut manifestiert. "Bei der Macht der Sturm, des Meeres, der See. Bei der Macht der Kälte, der ewigen, tiefen endlosen Weiten", spricht sie vor sich her. Für sie ist diese Sprache klar verständlich. Ihre Crew und jeder andere auf der Welt würde eine Sprache hören, die nirgends schriftlich festgehalten ist. Älter als Latein und älter als das erste von menschengemachte Feuer. Diese Worte und ihr kalter Wille reichen aus, um das Meer ihrem Willen zu unterwerfen. "Danke, Göttin", flüstert sie leise zu sich selbst und erhebt sich wieder. Ihr Schiff liegt auf trockenem Sand, schließlich hatte sich das Wasser komplett zurückgezogen. Hinter sich hört sie jedoch den Zorn der Natur, der sich nähert. Meterhoch hatte sich das Meer aufgebaut. Eine tödliche Welle, ein unnatürlicher Tsunami, erschaffen um alle Sterblichen auf dieser Insel zu töten. Das ist ein Zeichen, welches Anné setzt. Wer ihr Herz bricht und ihre Seele verletzt, der wird teuer bezahlen. Ein Leben gleicht sie mit 2.000 anderen aus. Die riesige Welle gleitet durch das Schiff hindurch, als wäre es von einem Schutzschild umgeben. Weder wird es nass, noch beschädigt oder gar bewegt. Es schwimmt jedoch wieder auf dem Wasser des Meeres vor der Insel, welche von der tödlichen Welle getroffen wird. Das Chelly keine Chance hat sich von Benno zu verabschieden oder eine Mutter ihr Kind nicht trösten kann, interessiert sie nicht. Lediglich Vergeltung für sie zählt. Der Anblick der Welle ist ein wahrer Genuss, wie sie auf die Insel trifft. Die stabilen Häuser aus Stein, Holz und anderen Materialien werden einfach fortgerissen, als wären sie lose, kleine Steine. Die Menschen werden von der Wucht und Kraft erschlagen und ihre Lungen füllen sich mit Wasser. Niemand würde sich retten können. Niemand. "Kurs setzen auf den Schrein unserer Göttin", befiehlt Anné leise, obwohl ihr telepathischer Befehl eigentlich genügt hätte. "Aye Kapitän", ruft die Crew. Jeder geht sofort an seinen vorgesehenen Posten, während Anné mit einem diabolischen grinsen das Steuerrad übernimmt und die Flying Dutchman an ihr Ziel bringt. "2.000 Menschen verstorben. 2.000 Menschen für die See."
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Der Schrecken der Karibik | girlxgirl
FantasyWenn der Nebel über der Karibik aufzieht, ist der Tod nah. Kein Licht lässt den Nebel aufklaren, kein Schrei dringt heraus und jede Hilfe wird zu spät sein. Willkommen auf der Flying Dutchman. Piraten siedeln sich zunehmend in der Karibik an, vor al...