"Nehmt doch endlich die Waffen herunter!" Der Offizier ist außer sich und funkelt seine Männer wütend an, die auf das kleine Boot gezielt haben, in welchem eine Frau sitzt. Blass, schwach und kurz vor dem Zusammenbruch sieht die Frau aus, welche in der ganzen Karibik von den Engländern gesucht wird. Nachdem nun auch einige Männer das gestrandete Boot erkannt haben, senken sie auf den Befehl und dank der eigenen Identifikation der Person die Waffen. Der Offizier geht sofort auf das Beiboot zu und nimmt die Frau in ihre Arme, welche zittert und Worte vor sich hermurmelt, welche keinen wirklichen Kontext ergeben. Kein Sinn, kein Zusammenhang besteht in den Worten. "Platz machen! Ich bringe sie in Sicherheit!"
Das Gemach des Offiziers ist recht klein, aber schön warm, wie Elisabeth feststellen muss. Seekarten und Auszeichnungen sowie wichtige Kopien von englischen Schriftstücken zieren die steinerne Ziegelwand, welche kaum Kälte hinein lässt, wenn man den heizt und die Ziegel genug Wärme speichern lässt. Der Offizier, ein taffer Bursche Ende dreißig blickt aus dem Fenster und rümpft mehrmals die Nase. "Dieser Nebel", beschwert er sich über die schlechten Wetterverhältnisse und wendet sich dann der Person zu, welche er aus dem Beiboot geborgen hatte. "Prinzessin Elisabeth. Geht es euch besser? Ihr seht blass aus und ihr tragt ungewöhnliche Kleidung. Was ist geschehen?" Langsam öffnet sie ihre Augen und die braune Farbe blickt direkt den Offizier an. Für sie ist es leicht, den Rang eines Soldaten zu erkennen anhand der Uniform. "Ich weiß es nicht genau. Wie in Trance war ich. Nicht ich selbst war ich, sondern eine Gefangene im Nebel, geblendet von Hass, Wut, Zorn und einem heidnischen Glauben. Weder weiß ich, wo ich war, noch wo mein Kleid ist oder sonstiges. Ich..." Sie schüttelt mit dem Kopf und seufzt angestrengt aus. Ihre Augen richten sich an die Wand mit der Seekarte, ehe sie nach wenigen Sekunden geschlossen werden, um sich zu entspannen. "Ihr... ihr wisst nichts mehr, was mit euch geschehen ist? Gar nichts?" Kurz schüttelt sie den Kopf. "Ich kann mich erinnern, wie ich entführt wurde. Blut und Schweiß liegt mir noch in der Nase sowie einzelne Bilder, die ab und an auftauchen. Aber ich kann mich an nichts mehr erinnern. Gar nichts. Mir geht es gut, aber ich weiß nicht, warum ich so blass wie eine Adelige bin oder warum ich im Boot gesessen habe. Möglicherweise habe ich in einem klaren Moment nur an irgendeine Flucht gedacht. Ich weißt ja nicht einmal, wie lange ich umhergetrieben bin." Elisabeth kauert ihren ganzen Körper zusammen und schlingt dir Arme um sich selbst. Erneut seufzt sie schwer aus und ein leichtes frösteln überkommt sie. "Ich will einfach nur nach Hause. Nach Hause zu Mutter, zu Vater." Der Offizier hört die ganze Zeit zu, weiß aber nicht, was genau er sagen soll, um die Prinzessin aufzumuntern. Alles wird schon gut werden? Es ist eine schwere Prüfung? Man würde ihr helfen? All diese Phrasen scheinen ihm nicht richtig zu sein, aber er wagt es auch nicht, ihre Schulter zu berühren, den sie ist schließlich das Erbe der englischen Krone und keine gute Freundin. Sie ist eine Respektperson, eine angesehene, beliebte Berühmtheit, wenn man so will. "Ich werde ein Schiff vorbereiten, welches euch nach Hause bringt. Seid ihr damit einverstanden, Hoheit?" Ein schwaches nicken, ein dankbares kann er erkennen sowie die leisen Worte einer Zustimmung. "Kann ich euch sonst noch etwas bringen? Kleidung? Getränke? Warme Speisen? Eine Decke?" Leise verneint dies die Prinzessin, welche ihre gemütliche Schutzhaltung verlässt und sich langsam aufrichtet. "Ich würde gern an die frische Luft gehen, allein. Ich... Ich benötige Zeit, um über alles nachzudenken." Selbstverständlich gewährt man ihr diesen Wunsch. In ihrer Piratenkleidung rafft sie sich nach einigen Minuten auf und verlässt das Gemach des Offiziers.
"Sollen wir sie zurückholen", fragt der Bootsmann ihren Kapitän. Anné Shanel hat ihr Fernrohr ausgefahren und betrachtet durch den dicken Nebel hindurch die Insel, auf welcher sich Elisabeth befindet. Für andere ist der Nebel eine dicke Wand, für sie ist er unsichtbar, wenn sie es den will. Sie kann hindurchsehen, als gehöre der Nebel zu ihr selbst. "Habt ihr nichts anderes zu tun, als mich zu belästigen?" Etwas gereizt scheint der Kapitän zu sein, aber der Bootsmann nimmt es ihr nicht übel. Viel steht auf dem Spiel, wenn nicht sogar zu viel. Er geht wieder seiner Arbeit nach und lässt den Kapitän am Steuerrad zurück, welche einen Monolog mit sich selbst führt. "Das sind eine ganze Menge Soldaten. Wenn wir das schaffen, dann würde dies der größte Schlag werden, direkt nach der Versenkung der Insel." Leise lacht sie auf und klappt ihr Fernrohr wieder zusammen. Die See ist ruhig, zu ruhig, als erwarte sie einen baldigen Sturm, der diese Gegend in den Grundfesten erschüttern wird. Ihr Schiff dir Flying Dutchman liegt ruhig vor Anker, außer Reichweite der englischen Kanonen, aber immer noch nahe genug, um schnell gegen diese Garnison Vorgehen zu können. Ihr Schiff folgt nicht den Gesetzen der Seefahrt. Ohne Wind und ohne Seegang erreicht sie Geschwindigkeiten, von denen andere nur träumen können. Breit grinst Anné vor sich her. Es lief geradezu einfach. Keine Waffe auf der Welt könnte sie aufhalten und keine Macht der Welt kann sie in die Knie zwingen. Sie wartet auf den richtigen Zeitpunkt, um zuzuschlagen. Und wer würde sehr bald da sein. Es würde ein Massaker werden. Hunderte, wenn nicht gar tausende werden sterben. Und dann wird es Zeit, der See ihr Eigentum zurückzugeben.
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Der Schrecken der Karibik | girlxgirl
FantasyWenn der Nebel über der Karibik aufzieht, ist der Tod nah. Kein Licht lässt den Nebel aufklaren, kein Schrei dringt heraus und jede Hilfe wird zu spät sein. Willkommen auf der Flying Dutchman. Piraten siedeln sich zunehmend in der Karibik an, vor al...