4.5. Der Andersaltrige

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Es ist ziemlich schwer, aus der Sicht einer Figur zu schreiben, die nicht euer Alter hat. Also zum Beispiel viel älter oder jünger ist als ihr. Besonders die Sache mit den älteren Figuren ist problematisch. Schließlich kann es in Fantasy-Büchern auch Spezies geben, die bis zu 1000 Jahre alt werden. Woher sollt ihr wissen, wie solche Figuren denken oder handeln würden, wenn wir Menschen nicht mal so alt werden?

Allgemein hängt das Verhalten einer Figur in einem bestimmten Alter stark davon ab, wie hoch ihre Lebenserwartung ist. Vielleicht ist es euch schonmal aufgefallen, aber eine Person, die weiß, dass sie in einem Jahr sterben wird, verhält sich von einem Augenblick auf den anderen völlig anders. Das liegt daran, dass sie jetzt weiß, wann ihr Leben enden wird und dass sie nicht mehr so viel Zeit hat, um das zu tun, was sie gerne tun würde. Das Thema ist jetzt nicht so angenehm, deswegen an dieser Stelle eine TRIGGER-WARNUNG FÜR DAS GESAMTE KAPITEL!!!!!!

Wenn man jung ist, ist man noch ziemlich naiv und geht automatisch davon aus, dass alle um einen herum nett und freundlich sind. Man ist ziemlich leichtgläubig, was man auch daran merkt, dass Kinder häufig verlangen, dass man etwas versprechen soll. Sie können sich gar nicht vorstellen, dass jemand ein Versprechen brechen würde, weil ihre Eltern ihnen beigebracht haben, dass man das nicht macht. Erst, wenn man älter wird, versteht man, dass alles einfach nur gesprochene Worte sind.

Wie man so schön sagt: Verba Volant, Scripta Manent – Gesprochenes vergeht, Geschriebenes besteht.

Je älter man wird, desto mehr fängt man an, den Ernst des Lebens zu verstehen. Während man vorher immer nur die helle Seite der Welt gesehen hat, kommt sie einem nun immer düsterer vor. Man erfährt, dass es Menschen gibt, die nicht immer gut zu einem oder zu anderen sind. Man bekommt das erste Mal zu spüren, was es bedeutet, verraten zu werden. Man streitet sich das erste Mal mit Freunden. Gleichzeitig versucht man, seinen eigenen Platz in der Welt zu finden und die große Frage zu beantworten: Wer bin ich? Was macht mich aus?

Irgendwann kommt dann der Moment, wo man sich denkt: Was ist der Sinn meines Lebens? Wirklich nur lernen und dann arbeiten, bis man tot umfällt oder schon alt ist und in Rente geht? Was habe ich dann in meinem Leben überhaupt erreicht? Ich möchte auch etwas Besonderes sein. Ich möchte, dass man sich an mich erinnert.

Diese Fragen sind dann meistens das, was die Midlife-Crisis einleitet. Man hat das Gefühl, die Hälfte seines Lebens bereits verschlafen bzw. verschwendet zu haben und möchte jetzt aus seinem »Käfig« ausbrechen und endlich das machen, was man schon immer machen wollte. Das, was einem gefällt. Nicht umsonst kommt es genau während dieser Phase des Lebens zu den meisten Scheidungen. Man ist allgemein enttäuscht von sich selbst. Man hat das Gefühl, zu wenig Zeit zu haben. (Man denke an »Momo« und die grauen Herren bzw. die Zeitdiebe.)

Doch je älter man wird, desto mehr begreift man, dass nicht das, was man haben möchte, das Wichtigste ist, sondern das, was man schon hat. In dem ganzen Gedankenchaos hat man schon fast vergessen, was man eigentlich erreicht hat. Vielleicht sind es nicht die großen Träume, die man als Kind oder Jugendlicher hatte, aber man hat trotzdem sein Bestes gegeben. Man hat Leute kennengelernt, die einem etwas bedeuten und für die man auch wichtig ist. Sie werden einen nicht vergessen.

Die Zeit schreitet weiter fort und man bekommt immer weniger Angst vor dem Tod, denn man weiß, dass man seine Aufgabe in der Welt erledigt hat. Das Leben war vielleicht nicht perfekt, aber das war nunmal das Leben und man hat das Beste daraus gemacht. Man versucht jetzt, jeden Tag auszukosten und all den anderen Menschen mit kleinen Sachen eine Freude zu bereiten. Schließlich geht es nicht immer nur um einen selbst. Wenn man etwas erhalten möchte, muss man auch etwas geben. Aber man kann auch einfach so etwas geben ohne zu erwarten, dass man dafür etwas zurück bekommt.

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