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Mehrere Stunden oder waren es möglicherweise doch nur Minuten? Er weiß es nicht, jedoch ist eine gewisse Spanne an Zeit vergangen, seit dem nun verflogenen Aufenthalt im Keller.

Während sich alle im Wohnzimmer zusammengefunden haben und eher ruhig, als auch mit versuchter Gelassenheit, miteinander reden, hat Taehyung einen anderen Weg eingeschlagen. Sie alle wollen auf andere Gedanken kommen und nicht in eine Sucht der wahrscheinlich gedanklichen Verzweiflung verfallen. Jedoch kann der Schüler dies nicht. Seine Gedanken mit Gesprächen überspielen oder gar bei der Aufstellung von Plänen dabeisein, wenn er wahrscheinlich eh nichts versteht.

Er sitzt lieber im Schlafzimmer. Wie so oft am Boden, mit dem Blick durch die Wand aus Glas zu der gebotenen Aussicht gerichtet.

Dabei ist diese heute gar nicht so schön. Der Himmel ist düster, von Wolken bedeckt kann die Sonne daran keine Änderung bewirken, während noch dazu die Nässe herabfällt. Platschend rieseln die dicken Tropfen vom Himmel herab auf die Erde. Ab und zu konnte er Menschen beobachten, die keinen Schirm bei sich trugen und deswegen mit Hand oder, wo auch immer, aufgegabelter Zeitung ihre einzelnen Zuckerbestandteile des Körpers vor dem Auflösen bewahren wollten. Die Gefahr dahinzuschmelzen ist wohl zu groß. Wobei bei den meisten eher die Angst vor einer von Kälte erschütternden Erkrankung mehr Gewicht und Grund für diese Handlung bereitet. Denkt er jedenfalls. Er ist sich so unsicher.

Weiß nicht, weswegen er dieses Geschehen betrachtet. Weiß nicht, was für Gefühle in ihn brodelnd heraustreten und seine Laune einer Erscheinung beeinflussen wollen und gar wohl gewagt seine Handlungen sabotieren könnten. Denn tief im Inneren ist da dieses Gefühl, welches er doch noch deuten kann; wenn die anderen nicht bald handeln, wird er allein losziehen. Wann die anderen wohl seine Abwesenheit bemerken würden?

Wahrscheinlich zu spät.

Dieses Bedürfnis Suga zu suchen, unterdrückt er jetzt schon seit Beginn dieser Stunden oder vielleicht doch nur Minuten. Denn wenn ihm eine Sache bekannt ist, dann die klare Realität. Er kann rein gar nichts bewirken, nicht in seiner psychischen als auch körperlichen Schwäche, als auch, vor allem, nicht mit dieser festgebunden und bestehenden Unwissenheit zur eigentlichen Lage.

Was passieren wird, kann er nur abwarten. Ob dies nun wie bei den anderen in eingebildeter Ruhe oder doch in einsamer Furcht geschieht, ist wohl gar nicht so relevant. Ein so großer Unterschied wird nicht erkennbar sein. Da ist er sich sicher. Oder doch eher unsicher. Er weiß es nicht.

Immerhin weiß er rein gar nichts..

Ausschließlich in die Dunkelheit starren und einzelne Tropfen beobachten, wie sie vom Winde gegen die Scheibe gedrängt wurden und diese inzwischen ein Rennen abliefernd herunterlaufen, dies kann er. Natürlich kann er auch seinen Ohren vertrauen, dem vereinzelt zerstörend grellen Hupen lauschen, während die Gleichmäßigkeit des Regens ein Rauschen der fast schon entspannenden Schönheit ähnelt.
Auch als er Schritte wahrnimmt, hat er dies seinem Gehörsinn zu verdanken. Seiner Muskulatur immerhin nicht. Diese scheint seine sitzend krumme Position nämlich äußerst zu genießen und ist heruntergefahren in Entspannung verfallen, während er doch dem Geräusch folgend, seiner unwissenden Neugier nachgehen und zur Tür sehen möchte.

Als er dann, seinem Gespür vertrauend, eine Hand auf seiner Schulter wahrnimmt, realisiert er auch schon, dass ein Wecken der Muskeln keinen Sinn mehr in sich trägt. Die neu angekommene Präsenz ist schon bei ihm und wenn dies jetzt sein Tod ist, konnten seine Augen zum Gehirn leitend dies nicht mal vorwarnend erahnen.

Als die Hand sich jedoch löst und gegen die umfahrende Fläche von Armen eingetauscht wird, ist ihm klar, dass dies kein Mörder, sondern ein niederkniender Jimin, ist. Kaum nach dieser Realisierung nimmt er auch schon die zart sprechende Stimme seines besten Freundes wahr.
„Warum bist du hier so allein?"

„Warum wohl?"

„Gesellschaft hätte dir frische und ruhige Gedanken bringen können, während Einsamkeit und der dazugehörig wunderbar motivierende Regen deine Frustration nur unterstützt."

„Ist doch toll. Am liebsten würde ich raus, dann würden meine Tränen auch gar nicht mehr auffallen!" Kaum hatte Jimin seine Angst wieder angesprochen, fingen auch seine Tränen an zu rinnen. Passend zum Regen, folgen sie dem gleichen Lauf und auf dem Boden klatschend ertönen sie im gleichen Takt. Es wäre ihm fast nicht aufgefallen, dass er weint. Aber als er dies dann realisiert hatte und eh mit dem Sprechen dran war, hat er es gleich mal fein in seine Aussage eingebaut.

Einer der Arme, seines besten Freundes, verlässt seine neu festgelegte Position und leicht stockend, fährt er vom Widerstand eingenommen, rau, zart und schleifend über die Brust von Taehyung, bis es ausreicht und seine Hand die Wange des Jüngeren streift. Behutsam streicht Jimin über diese, entfernt die Tränen, nimmt diese auf seiner eigenen Haut auf, während er mit der noch umfassenden Hand zu einer beruhigenden Streicheleinheit übergegangen ist.

„Alles wird gut. Suga ist ihr Boss, jeder bemüht sich ihn zurückzubekommen und setzt dafür sein eigenes Leben aufs Spiel. Keiner wird zögern und Suga bald wieder bei dir sein. Das verspreche ich dir."

„Du kannst mir nichts versprechen, die Entscheidung über Leben und Tod ist noch lange nicht in deinen Händen gelegen."

„Das ist mir schon klar, aber ich werde alles tun, um dich wieder glücklich zu sehen!"

„Bitte bring dich nicht in Gefahr, ich will nicht noch einen weiteren Menschen verlieren.."

Seine Arme lösend, überreicht Jimin seinem besten Freund eine Kälte der sofort übermittelten Einsamkeit. Unverzüglich verlässt die Kehle des Jüngeren ein ungewolltes Wimmern. Als er kurz darauf dann mitbekommt, wie Jimin sich neben ihn setzt und seinen Arm um seine Schulter legt, lehnt er sich sofort gegen den Älteren. Während dieser Taehyung auch noch näher an sich zieht.
„Mich wirst du nicht so schnell los und Suga ist auch alles außer schwach. Du wirst hier niemanden verlieren. Ich werde an deiner Seite bleiben und wenn das Schicksal alles zerstört, werde ich dich ziehend in ein gemeinsames Ende begleiten."

„Klingt auf jeden Fall besser, als in einsamen Leid weiterzuleben."

„Red das Leben nicht so runter. Eigentlich wollte ich doch mal Optimist spielen, aber auch die andere Möglichkeit nicht vergessen-"

„Und schon bist du dem Pessimismus verfallen.."

„Man soll positiv denken, aber sich nicht selbst anlügen und dich, könnte ich gar noch weniger belügen."
Leicht schmunzelnd, entlockt Jimin mit dieser Konversation auch Taehyung ein zartes und dennoch trauriges Lächeln.
Nach seinem Satz ist Taehyung wieder auf den Bruch der sonst so Wasser haltenden Wolken konzentriert. Seine Augen verfolgen den Fall, seine Ohren fangen das Rascheln auf und sein Körper spürt das beruhigende Streichen von Jimins Daumen.

Während auch Jimin das Wetter beobachtet, ist seine Gesellschaft eine unglaubliche Hilfe für Taehyung. Er wird ruhiger, sein Körper entspannt sich und während beide komplett monoton den dunklen Moment des eigentlich schönen Zeitpunktes des baldigen Sonnenunterganges beobachten, ist die Stille schön. Nicht bedrückt und in ihrer Existenz komplett gewollt, einfach nur toll.

Eine Befreiung der heutigen Folter. Einer Realität, die von jeglicher eingetreten schönen Harmonie verlassen ist.

illegal. | taegi & jikook  ✔Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt