2. Kapitel

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Der Weg nach Hause war kurz. Ich musste nur wenige Straßen gehen, bis ich am allzu bekannten Kaffeestand vor meiner Wohnung ankam.

Bevor ich lange überlegen konnte, bestellte ich einen Cappuccino für mich und einen Milchkaffee für meine beste Freundin Zoe. Wie ich sie kannte, war sie bestimmt noch nicht aus dem Bett gekrochen. Und genauso wie ich, war Zoe kein Morgenmensch – also war Kaffee das Einzige, dass uns vor 10 Uhr aus dem Bett brachte.

Ich flitze auf die andere Straßenseite und balancierte die beiden Becher Kaffee in einer Hand, während ich mit der anderen den Haustürschlüssel aus meiner Hose zog. Nachdem ich die große Holztür geöffnet hatte, trat ich durch die kühle Eingangshalle zu den Stiegen wenige Meter vor mir.

Ich machte mir nicht die Mühe den Aufzug zu rufen, denn entweder steckte der noch immer im dritten Stock fest (wie auch schon die letzten Wochen), oder ich würde das Glück haben, heute noch den Liftservice rufen zu dürfen. Beides keine sonderlich schönen Aussichten.

Seit dem einen Jahr, in dem Zoe und ich nun in diesem Gebäude wohnten, hatte ich den Aufzug einmal benutzt – und meiner Platzangst nicht unbedingt einen Gefallen getan. Seitdem vermied ich es tunlichst auch nur an die enge Kabine, die unser Hausmeister Aufzug nannte, zu denken. Auch wenn unsere WG im vierten Stock lag, und ich eigentlich wenig Lust verspürte hinaufzulatschen.

Doch mein Gejammer half nichts – als ich endlich vor unserer Wohnungstür ankam, schwang diese bereits auf und ein bekanntes Gesicht blickte mir entgegen.

„Dein Geschnaufe hört man bis in die Wohnung hören.", raunzte Zoe und riss mir den Milchkaffee aus dem Arm. Wie ich schon vorausgesehen hatte, war Zoe bester Laune.

Ihr blauen Augen erstrahlten, als sie den ersten Schluck machte und aus der Tür trat. Ihr ansonsten so glattes, aschblondes Haar war zerzaust, und anstatt der eleganten Blazer und Hosenanzüge, trug Zoe immer noch ihren Pyjama.

Im Gegensatz zu mir besaß Zoe eine schmale Taille und breite Hüften. Ich hingegen war eher mit einer kargen, drahtigen Statur gesegnet. Mehr als einmal war ich schon auf meine beste Freundin und Mitbewohnerin eifersüchtig gewesen – sie hatte einfach den perfekten Körper. Angefangen von den tiefen blauen Augen, den schulterlangen blonden Haare, bis zu ihrer wohlgeformten Statur, die es ihr erlaubte so ziemlich in jedem Outfit heiß auszusehen.

Ich hingegen konnte mich glücklich schätzen, wenn mich die Hosen und Kleider nicht als eine abgemagerte Leiche mit Sommersprossen erscheinen ließen. Einzig und allein meine orangen Haare, die ich von meiner Maman geerbt hatte, verliehen mir etwas Selbstbewusstsein.

„Gut geschlafen, Schnarchnase?", fragte ich zurück und stellte meine Tasche neben dem Eingang ab.

„Klar", sagte sie schnaubend und begann sich langsam Richtung Wohnzimmer zu verziehen. „Warum warst du eigentlich so früh draußen?", hörte ich sie zwischen dem Geschepper von Geschirr fragen.

„Ich hab dir doch erzählt, dass mir noch ein Buch für meine Sammlung fehlt! Madame Dubois hat sie natürlich sofort bestellt und mir gestern Bescheid gegeben, dass ich mir meines morgen abholen kann."

„Und du Bücher-Freak bis natürlich gleich aufgesprungen und hast es dir geholt, nicht wahr?", murmelte sie nicht im Geringsten überrascht und ich hörte erneut, wie sie in unserer Küche herumräumte.

Ich begann zu grinsen und tapste zu Zoe in unser kleines Wohnzimmer. Da wir direkt unter dem Dach wohnten, war dieser Raum, genauso wie der Rest unserer Wohnung, von schweren, schwarzen Balken durchzogen.

Direkt neben dem Eingang befand sich eine kleine Küchenzeile, in der Zoe gerade herumwerkte, davor ein gemütliches, blassblaues Sofa mit gelben Kissen, ein runder Esstisch. Eine schwarze Lampe baumelte von der Decke und die altbekannte Spinnwebe, die sich in einem fast haargenauen 45° Winkel von der Decke zum Lampenschirm zog. Irgendwann, das schwor ich mir, würde ich mir ein Geodreieck schnappen und den Winkel messen...

Ich ließ mich auf den Sessel plumpsen und sah begierig zu Zoe, die gerade Ham&Eggs zubereitete. Seit wir eingezogen waren, hatten wir es so aufgeteilt. Ich lieferte ihr Kaffee, auch wenn ich Milchkaffee mehr als hellbraune Brühe bezeichnen würde, und Zoe servierte das Frühstück. Zu Mittag waren wir meist beide nicht da, ich war in der Uni, Zoe hatte Dienst in der Kanzlei, in der sie arbeitete. Für das Abendessen war ich zuständig, und das war auch besser so. Denn außer Ham&Eggs konnte Zoe nur eines kochen – Nudeln.

„Und, hast du das Buch?"

„Jup", erklärte ich und präsentierte es stolz vor meine Brust.

Zoe quittierte das ganze nur mit einem Hm, und ich wendete mich dem übervollen weißen Bücherregal zu, das beinahe zu bersten drohte. Ich fand einen geeigneten Platz am rechten oberen Eck und begutachtet unsere Sammlung mit Stolz.

„Sieht doch super aus!"

Zoe schnaubte nur zur Antwort.

The Way of our Hearts - Ist Liebe Stärker als die Angst?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt