14. Kapitel

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Ich starrte Thomas noch immer an, als ein anderer Gast um Lauras Aufmerksamkeit verlangte und sie sich für einen Moment von uns entschuldigte. Weitere Sekunden vergingen, in dem keiner von uns etwas sagte, dann räusperte Thomas sich. „Hast du Romeo und Julia fertiggelesen?"

Doch selbst als ein entschuldigender Gesichtsausdruck über mein Gesicht huschte, nahm Thomas gute Laune kein Ende. „Wie weit bist du denn schon?"

„Ende Akt vier. Dort, wo Julia scheintot von ihrer Amme gefunden wird."

„Und wie ist dein jetziger Eindruck?"

„Ich... Es ist nicht so als würde es mir nicht gefallen. Die Geschichte ist einfach nur nicht so meins." Als Thomas mich nur weiter anstarrte, begann ich hilflos in der Luft herumzufuchteln. „Es ist ja nicht einmal die Tatsache, dass ihre Liebesgeschichte ein absoluter Wahnsinn ist – selbst die Eltern haben nicht mehr alle!"

Bevor ich jedoch fortfahren konnte, wurden wir von Lauras glockenheller Stimme unterbrochen. „Also, ihr zwei Turteltauben, was darf ich euch bringen?"

„Für mich bitte zwei Pain au Chocolat, einen Café au lait und einen kleinen Orangensaft", bestellte ich und sah wartend zu Thomas, der nochmal in der Karte las.

„Hm, ein starker Kaffee wäre nicht schlecht. Ah – und bitte diese leckeren Waffeln wie letztes Mal!"

Laura salutierte und nahm uns die Karten aus der Hand. „Kommt sofort!"

Ich sah ihr für einen Moment nach, bevor ich begann weiterzureden. „Selbst wenn man die Tatsache außer Acht lässt, dass arrangierte Ehen zu dieser Zeit In waren und die Welt sowieso sehr patriarchistisch gestaltet war, kann ich Julias Eltern trotzdem nicht verstehen! Was muss man für ein Monster sein seiner Tochter ihr eigenes Glück zu verwehren?"

„Ich denke nicht, dass das Glück ihrer Tochter nicht wichtig war. Sie hatten nur eben eine andere Vorstellung, was sie glücklich machen würde."

„Ach ja?", fragte ich schnippisch. „Dann rechtfertigst du damit also, dass sie sie über ihren Kopf hinweg entschieden haben, sondern auch, dass eine alte Fehde mehr Bedeutung für sie hat als das Wohlergehen ihrer Tochter?! Denn das ist es, worauf es hinausläuft!"

„Warum machst du dich so an den Fehler ihrer Eltern fest?"; fragte Thomas mit gerunzelter Stirn.

„Weil es mich aufregt, dass Eltern immer glauben sie wüssten, was am besten für ihre Kinder ist und in keiner Weise ihre Träume und Wünsche miteinbeziehen!"

„Ich denke, du wirst keine Mutter und keinen Vater finden, der seinem Kind absichtlich sein Glück verwehrt."

„Da hab ich aber andere Erfahrungen!", platze es aus mir heraus, bevor ich mich beherrschen konnte. Ich schloss meine Augen und versuchte meine Gedanken an meinen Vater so gut es ging zu verdrängen. Den der hatte in einem bis jetzt so schönes Date überhaupt nichts verloren. Ich würde nicht zulassen, dass er mir auch noch das hier vermieste.

Die Falten an Thomas Stirn vertieften sich. „Kein gutes Thema?"

„Nein, es ist nur...ach egal."

Thomas schien zu erkennen, dass es nichts bringen würde mich dazu zu drängen zu erzählen, was mir im Magen lag. Dennoch wandte er seinen Blick nicht ab, er sah mich nur weiter nachdenklich an. Eine fast schon unangenehme Stille übernahm den Raum und schaffte es nur schwer meinen Fuß davon abzuhalten herumzuwippen.

* * *

Ich war so verkrampft mir jeden nur möglichen von Thomas Gedanken vorzustellen, dass ich erschreckt zusammenzuckte, als Laura uns unsere Bestellungen servierte. „Ich hoffe es schmeckt!"

Und so schnell Thomas Cousine aufgetaucht war, war sie auch wieder verschwunden und mit ihr die Gelegenheit die unangenehme Stille zu überbrücken.

Meine Hand wanderte zu dem kleinen Körbchen in der Mitte des Tisches und ich nahm mir ein frisches Pain au Chocolat das mich unweigerlich an meine Heimat erinnerte. Für einen Moment schloss ich meine Augen und konzentrierte mich auf den süßlichen Geruch des Gebäcks, dass noch wunderbar warm war.

„An was denkst du?", unterbrach Thomas Stimme meine Träumerei.

„An zu Hause", erwiderte ich mit verträumter Stimme. „Meine Maman und ich sind jeden Sonntag zur Pâtisserie unter uns gegangen und haben alle nur möglichen Süßigkeiten genascht."

„Wir haben fast mein ganzes Leben in Frankreich verbracht, aber kurz vor ihrem Tod sind wir dann nach England gezogen.", fügte ich erklärend hinzu.

„Tut mir leid – das mit deiner Mutter.", antwortete Thomas mitfühlend.

„Ja, mir auch." Ich strich mir eine Strähne zurück hinter das Ohr und sah unsicher zu Thomas. „Aber lass uns über etwas fröhlicheres reden – zum Beispiel deine Waffeln! Die sehen nämlich ausgezeichnet aus!", ergänzte ich, um zumindest etwas Konversation zu machen.

Dabei war meine Aussage nicht einmal gelogen, denn Thomas Gauffres sahen wirklich himmlisch aus. Mehrere Herzförmige Waffeln waren übereinandergelegt und mir zähflüssiger Schokolade übergossen worden. Zahlreiche Beeren und Fruchtstücke lagen darüber verteilt und den glorreichen Abschluss bildete eine Eiskugel, die verdächtig nach Himbeere aussah.

„Willst du probieren?"

„Unbedingt!", antwortete ich enthusiastisch. „Man schmeckt das guuuuut!", stöhnte ich, gefangen vom Geschmack der frischen Waffel.

„Das nächste Mal weißt du, was du bestellen musst!"

Das nächste Mal. Für einen Moment fühlte ich mich, als wäre ich von einem Zug überfahren worden. Das nächste Mal. Doch dieses Mal ließ ich die gehässige Stimme in meinem Kopf nicht gewinnen und ließ die Freude mich überschwemmen. Das nächste Mal.

Thomas wurde sichtlich unruhig, je länger ich nichts sagte. „Es sei denn du willst das nicht?"

„Nein!", rief ich lauter als gewollt und wieder hatte ich ungewollt die ungeteilte Aufmerksamkeit der anderen Gäste. „Ich meine – natürlich will ich!", erklärte ich nun etwas leiser. „Ich habe eher gedacht, du hättest mittlerweile genug von mir."

„Niemals.", antwortete Thomas mit fester Stimme. „Ich weiß wir hatten nicht den besten Start, aber ich mag dich. Und ich habe nicht vor so leicht aufzugeben."

„Gut.", ich legte meine Hand auf seine und sah ihm tief in die Augen. „Ich mag dich nämlich auch."

* * *

Während im Hintergrund Baby one more time von Britney Spears im Radio lief und ich passend dazu in der Küche herumtanzte, saß Zoe noch am Tisch und musterte mich mit zusammengekniffenen Augen. „Was um Himmels Willen treibst du da?", entfuhr ihr es schließlich.

„Spaß haben."

„Ja. Aber WARUM?"

„Darf ich denn keinen Spaß haben?"

„Doch, aber nicht, wenn du gerade von deinem ersten Date mit Thomas zurückkommst und mir partout nicht erzählen willst, wie es gewesen ist!"

„Solltest du dich nicht vielmehr mit deinem eigenen Liebesleben auseinandersetzen?", fragte ich zurück.

„Ha! Und jetzt wechselt sie auch noch das Thema!"

„Du bist der penetranteste, neugierigste Mensch, den ich jemals kennengelernt habe."

„Und du weichst schon wieder meiner Frage aus! Also: War dein Date so gut, dass du hier fröhlich herumhüpfts wie ein Affe oder verdrängst du gerade alles was heute Früh passiert ist?"

Als ich wieder nicht antwortete, konnte ich förmlich sehen, wie bei Zoe die Sicherung durchbrannte. „Sag wenigstens ob Top oder Flop?", befahl sie mir eindringlich.

„Wir treffen uns Ende dieser Woche wieder, reicht das?"

Zoe begann breit zu grinsen und nickte hektisch mit dem Kopf. „Aber wehe du erzählst mir dann nicht haargenau was passiert ist!"

Ich stieß ein Seufzen aus und trocknete den letzten Teller ab. Das konnte noch eine Woche werden. 

The Way of our Hearts - Ist Liebe Stärker als die Angst?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt