Nach zwei Stunden, in denen Thomas und ich auf dem Eis herumgewirbelt waren, lehnte er erschöpft an der Plastikwand, die das Eis zum umliegenden Weg abtrennte. Ich hatte ihm gerade eine neu gelernte Figur gezeigt, die ich mir von einer anderen Eiskunstläuferin abgeschaut hatte, als Thomas das Gesicht verzog und begann sich die Nasenwurzel zu massieren.
„Was ist los? Migräne?", fragte ich besorgt, doch Thomas winkte ab.
„Nicht so schlimm." Doch als ich bemerkte, wie schwer es ihm viel sich aufrecht zuhalten, brach ich mein Kunststück ab und fuhr zu ihm an den Rand. Ich griff ihm um die Taille, um ihm zusätzlich zu stützen, als ich ihn von der Bahn führte.
Unter gemurmelten Protest suchte ich uns eine freie Bank und half ihm sich hinzusetzen. „So, und diesmal wirklich - was ist los?"
„Kopfschmerzen", gab er keuchend von sich. „Aber es geht schon, wirklich."
„Sicher", schnaubte ich. „Soll ich dir was zu trinken bringen? Wasser, oder brauchst du etwas mit mehr Zucker?"
Unter meinem strengen Blick gab Thomas sich schließlich geschlagen. „Wasser, und kannst du mir die Tabletten aus der rechten Seitentasche meines Rucksacks bringen?", murmelte er schwach, sodass ich ihn kaum verstand.
„Kommt sofort!", erklärte ich und sprintete, soweit es meine Schlittschuhe zuließen, zu den Garderoben, um eine Wasserflasche und Thomas Kopfschmerztabletten zu besorgen.
Als ich zurück von meiner erfolgreichen Suche kam, hatte Thomas sich vornübergebeugt und massierte seine Nasenwurzel. „Hier!", ich hielt ihm das Wasser und das Päckchen Mexalen hin und er schluckte, ohne zu zögern zwei Pillen hinunter und spülte mit etwas Wasser nach.
„Danke."
„Kein Problem. Ich habe auch manchmal Migräneanfälle, das Einzige, was da dann noch hilft, sind Aspirin und ganz viel Ruhe."
Thomas Mundwinkel wanderten für einen Moment nach oben, doch schon bald übernahmen die Schmerzen wieder seine Züge.
„Ich weiß nicht, ob das heute noch etwas mit dem Eislaufen wird", gestand er nach einigen Minuten mit reuevoller Stimme.
„Hey, ist schon okay", beruhigte ich ihn und legte einen Arm um ihn. „Ich hatte heute genug Spaß, wir müssen nicht länger bleiben. Wenn du willst, bring ich auch nach Hause."
Nach einigen Sekunden, in denen ich förmlich sehen konnte, wie es in seinem Gehirn ratterte, brachte er schließlich ein „Danke" heraus. Mit einem zufriedenen Lächeln half ich ihm hoch und führte ihn zu den Garderoben.
Nachdem wir unseren Spind geräumt und ich die Eislaufschuhe zurückgebracht hatte, machten wir uns auf den Weg durch die kleinen Gässchen zu meinem Wagen. Als ich vor meinem knall-pinken Citroën stehen blieb, brachte Thomas ein Schnauben hervor.
Selbst Zoe hatte, als ich ihr meinen Wagen zum ersten Mal präsentiert habe, geschnaubt. Ihr war die Farbe einfach zu mädchenhaft, hatte sie gemeint.
Ich hingegen fand das strahlende Rosa fantastique. Die Farbe erinnerte etwas an die inneren Blüten von Pfingstrosen, die immer etwas dunkler waren als die Äußeren. Außerdem war Rosa meine Lieblingsfarbe und als ich den Wagen vor zwei Jahren bei einem Räumungsverkauf entdeckt hatte, weil das Autohaus einen Wasserschaden hatte, hatte ich, ohne zu zögern zugeschlagen.
Thomas quetschte sich auf den Beifahrersitz und musste aufgrund seiner Größe ordentlich nach hinten schieben. Kaum erklang das Klack vom Einrasten der Gurtschnalle, raste ich auch schon aus der provisorischen Parklücke.
„Erinnere mich daran, nie wieder mit dir Auto zufahren!", keuchte Thomas, als ich in einem sehr wilden Manöver über eine mehrspurige Kreuzung fuhr.
„Ach komm schon, das ist noch gar nichts! Du hast mich noch nie in einem Stau erlebt!"
Thomas gab einen gequälten Laut von sich als ich einmal zu scharf links abbog und er gegen die Fensterscheibe gedrückt wurde.
„Fahr nächste Kreuzung links, dann lass mich bitte aussteigen", bettelte er.
„Aber klar!", versicherte ich ihm und gab das letzte Stück noch einmal Gas, bis ich einen leichten Grünton auf Thomas Gesicht zu sehen vermochte.
Ich hielt (um Thomas Nerven zu schonen) vergleichsweise sanft in einer Nebengasse und zog die Handbremse. „Und, noch alles dran?"
„Noch." Er ließ ein leidvolles Lächeln auf seinem Gesicht aufblitzen. „Aber danke für den Ritt nach Hause."
„Immer wieder gerne!" Ich gab ihm einen Kuss auf die Wange und Thomas machte sich daran auszusteigen. „Ruf mich an, wenn du was brauchst! Ich schwöre, im Kochen bin ich besser als im Autofahren!"
„Mach ich", versicherte er mir, bevor er ausstieg und sich zu einem Gebäudekomplex an der anderen Straßenseite aufmachte. Er winkte mir kurz zu, dann verschwand er durch die große Flügeltür nach drinnen und ich fühlte ein sehnsuchtsvolles Stechen in meinem Herzen.
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The Way of our Hearts - Ist Liebe Stärker als die Angst?
ChickLitIst Liebe stärker als die Angst? Nach dem Verlust ihrer Mutter hat Nadiya Lacroix nur ein Ziel - ihr Studium am University College London beenden und einen Job als Psychologin bekommen. Und natürlich die Schulden bei ihrem Vater begleichen. Liebe ha...