22. Kapitel

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Nach exakt 20 Minuten stand auch ich am Strand von Brighton. Die salzige Meeresluft schlug mir ins Gesicht und ich konnte fühlen wie meine Schuhe im Sand versanken.

In schnellen Schritten eilte ich zum Pier, der mittlerweile nurmehr von der untergehenden Sonne erleuchtet war.

Die Balken knarzten, als ich mit meinen Sportsschuhen drüber lief und mich überkam ein willkommenes Gefühl der Melancholie. Der Strand hatte mich schon immer an Frankreich erinnert und jetzt mehr als sonst.

Es dauerte nicht lange, da fand ich Thomas vor den Schaltern des kleinen Vergnügungsparks, der in den Hochzeiten und vor allem mittags von Touristen überrollt wurde. Doch nicht heute.

„Hey", begrüßte er mich, zwei Stiele Zuckerwatte in der Hand.

Ein Lächeln schlich sich auf mein Gesicht. Wie lange war es her, seit dem ich das letzte mal Zuckerwatte gegessen hatte? VIEL ZU LANGE!

Ohne groß darüber nachzudenken, griff ich nach der rosa Watte und biss einmal herzhaft ab. Nachdem ich den kurzweiligen Zuckerschock überlebt hatte, erwiderte auch ich: „Hey."

Plötzlich verdüsterte sich sein Gesichtsausdruck unsd er sah zu Boden. War das Scham, den ich da erkennen konnte?

„Nadiya, ich muss mich bei dir entschuldigen. Für die letzten Wochen."

„Thomas." Ich unterbrach ihn. Er musste die wunderbare Stimmung jetzt nicht durch seine Erklärungen zerstören. Doch das brachte ihn scheinbar nur dazu noch hektischer zu sprechen.

„Bei dir muss es vermutlich so angekommen sein, als wäre ich ein totales Arschloch und das stimmt vermutlich auch." Er lachte nervös. „Aber ich wollte dir erklären warum ich-"

„Thomas!"

Er verstummte und sah mich verzweifelt an. „Ich will dir doch nur-"

„Ich will es aber nicht hören! Nicht heute!" Seine Augenbrauen zogen sich zusammen und er sah mich irritiert an.

„Schau doch." Ich deutete auf die Leute um uns, eigne davon gingen Hand in Hand umher, andere schossen Selfies. „Sie sind glücklich, verstehst du? ICH will auch einmal glücklich sein und vergessen, dass diese ganze Aktion eigentlich vollkommen verkorkst ist." Ich nahm fasste nach seiner freien Hand und suchte seinen Blick. „Und du machst mich glücklich!"

„Selbst nach unserem letzten Date?"

„Ein kluger Mann hat mir einmal gesagt, die Liebe ist nicht perfekt. Außerdem verlange ich nicht, dass wir unsere Probleme ignorieren – nur vergessen. Für einen Abend."

In Thomas Blick stand unterdrückter Schmerz, doch er nickte. „Dann lass uns Karten kaufen und für eine Tag die Realität vergessen."

Wir fuhren mit dem Riesenrad. Und dem Karussell. Und wir bestellten uns noch zwei Stiele Zuckerwatte und aßen so viel Süßes, dass uns Morgen bestimmt der Bauch weh tun würde. Und wir machten Selfies.

Zusammenfassen könnte man sagen, dass waren die besten Stunden meines Lebens. Und auch Thomas hatte so ausgesehen, als hätte er einen Heidenspaß gehabt.

Stunden später saßen wir erschöpft auf einer der Bänke, als Thomas das Gesicht vor Schmerzen verzog. Seine Hand glitt zu seiner Schläfe und ich sah ihn besorgt an. „Wieder die Migräne?"

Er nickte nur. „Kannst du mir meine Tabletten aus dem Rucksack bringen – rechte Seite in einer Nebentasche." krächzte er.

„O-okay, ich beeile mich!"

Wie auf heißen Sohlen rannte ich zu den Schließfächern und holte Thomas Sachen heraus und fand neben seiner Trinkflasche auch gleich die orangene Pillendose in seiner Seitentasche.

The Way of our Hearts - Ist Liebe Stärker als die Angst?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt