8. Kapitel

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Das Klappern meiner Schuhe erfüllte die beinahe leere Straße, während ich und eine kleine Gruppe frühreifer Teenager durch die Nacht zog. Das dumme Gepfeife hinter mir ignorierte ich zusehends, doch ich beschloss trotzdem auf Nummer sicher zu gehen und Zoe anzurufen. Vielleicht hatte sie ja Lust etwas Trinken zu gehen und den ganzen beschissenen Tag zu vergessen.

Ich musste sie nicht einmal lange überreden, da versprach sie schon, mich in zehn Minuten im Pub zu treffen, das man getrost als unsere Stammkneipe bezeichnen konnte.

Die Straße war geziert von alten Gebäuden, bunte Caféhausstühle standen an die Wand gelehnt und Blumenkästen hingen von den Fenstern im Erdgeschoss. Einzig und allein ein kleines Pub, dass ich bereits einige Male mit Zoe besucht hatte, war noch geöffnet.

Die gedämpfte Musik und das grelle Licht einiger Neonschilder waren wie eine Rettung für mich. Denn wenn ich die Teenies hinter mir richtig eingeschätzt hatte, waren sie kaum alt genug, um in eine Bar zu gehen. Nach dem miserablen Abend mit meinem Vater hatte ich mir außerdem eine kleine Entspannung verdient.

Um nicht allzu formell zu wirken, löste ich den hohen Pferdeschwanz und ließ mir die Haare über die Schultern fallen. Ich öffnete mein kleines Etui und frischte mein verwischtes Make-up auf, das ich mit meinen Tränen über meiner Wange verteilt hatte. Ich hatte zwar keinen Spiegel dabei, doch ich hoffte nicht allzu erbärmlich auszusehen.

Kaum, dass ich das Pub betrat, fühlte ich, wie der ganze Ballast, der sich über den Tag hinweg angesammelt hatte, verschwand. Weg waren die Probleme, weg die Enttäuschung.

Ich setzte mich gemächlich auf einen der hölzernen Barhocker und bestellte einen Gin Tonic mit Eis – mein Lieblingsgetränk. Der Alkohol erwärmte meine Kehle und ich spürte wie sich der bittere Geschmack in meinem Mund ausbreitete. Ich nahm noch einen Schluck, diesmal etwas mehr und ließ mich berauschen.

Viel zu schnell war das Glas leer und ohne zu fragen, stellte mir der Barkeeper ein Neues vor die Nase. Ich schob ihm einige Scheine hin und trank es in wenigen Schlucken aus. Also bestellte ich ein Weiteres.

Irgendwo zwischen dem ersten und fünften Drink war auch Zoe endlich zu mir gestoßen. In kürzester Zeit benahmen wir uns wie ein lallendes Liebespärchen und als ich mich dann auch noch auf ihren Schoß setzte, begannen eigne der Typen in der Kneipe zu johlen. Perverslinge.

Tatsächlich wollte ich einfach nur von meiner besten Freundin umarmt werden und mich ausheulen. Ich bemerkte nur am Rande wie sich Leute zu uns gesellten, doch bald wieder abdampften. Anscheinend hatte ich meine Ich-hasse-Menschen-Aura doch noch aktiviert.

Gerade als ich den nächsten Gin Tonic leer trinken wollte, ging die Tür des Pubs auf und ein Stoß kalter Luft durchfuhr den Raum. Wenn es so weiter ging, muss man mich abflammen, um mich wieder von hier wegzubekommen.

Genervt fuhr ich um, und erblickte eine Person, die ich heute Abend am wenigsten erwartet hätte. Thomas.

* * *

Mit zwei weiteren Typen an seiner Seite trat er herein und suchte sich einen Platz am anderen Ende der Bar. Die Stimme in meinem Kopf begann alarmiert zu kreischen und ich zog ein finsteres Gesicht. „Klappe."

Der Barkeeper beäugte mich schief, schien mein Verhalten aber auf den Alkohol zu schieben der meine Sinne benebelte. „Soll ich euch n' Taxi rufen?"

„Braocust do necht", lallte Zoe vor sich hin und schleuderte ihm die Bezahlung für den letzten Drink hin.

Meine Beine mussten beide eingeschlafen sein, denn als ich begann vom Hocker zu gleiten, fand ich mich plötzlich mit dem Rücken auf dem dunklen Hartholzboden wieder, den Blick auf das grelle Licht einer flackernden Lampe über mir gerichtet, die mich schon den ganzen Abend lange genervt hatte. Einer Lampe, die außer ihrer flackernden Qualitäten, einen potthässlichen, gläsernen Lampenschirm mit Blümchenmuster besaß.

Ich blinzelte mehrmals, bevor ich versuchte mich aufzurichten, doch ehe ich mich auch nur annähernd aufgerappelt hatte, packte mich eine Hand am Oberarm und zog mich hoch.

„Loslassen!", brüllte ich und begann wild um mich zu schlagen.

Doch der Barkeeper besann meine Kampfkünste nur eines gelangweilten Blickes und stellte mich wieder auf beide Beine. „Ich denke, ich werde euch doch n' Taxi rufen, Mädls. Du kannst ja nicht einmal allein stehen."

Immer mehr Leute begannen ihre Aufmerksamkeit auf mich zu richten und ich fühlte das plötzliche Bedürfnis hier so schnell wie möglich zu verschwinden. „Ja, ja", murmelte ich und begann von einer ebenfalls torkelnden Zoe gestützt Richtung Tür zu schwanken.

Doch als hätte ich es nicht geahnt, hörte ich auch schon eine bekannte Stimme hinter mir. „Nadiya?"

Ich kratzte jedes bisschen meines verbliebenen Verstandes zusammen, drehte mich um und blickte direkt in Thomas Gesicht, der mich besorgt musterte.

„Jaaa?", lallte ich ihm entgegen und sah ihn verständnislos an. Die Situation wäre viel weniger peinlich, wenn er mich einfach hätte gehen lassen.

„Weißt du wer ich bin, Nadiya?", fragte er, mit einem schiefen Grinsen auf den Lippen.

„Jaaa", antwortete, bevor ich plötzlich wild zu kichern begann. „Du bist der heiße Typ aus dem Laden, der mir seine Nummer gegeben hat."

„Heißer Typ? Mann, Thomas, die Frau ist ja wirklich ganz dicht. Jeder mit Augen im Kopf würde sehen, dass ich hier der heiße Typ bin", quatschte einer seiner Freunde rein und boxte Thomas in die Seite.

Ich wandte mich zu dem Unruhestifter und fragte lallend. „Und wer bist duuu?"

„Alex. Schön sie kennenzulernen, Miss", antwortete er mit einem breiten Grinsen und salutierte.

Ich nickte verständnisvoll und drehte mich langsam wieder um und begann weiter in Richtung Ausgang zu torkeln. Zoe, die es vorzog, die beiden noch ein eingehender zu mustern, sog ich hinter mir her.

„Nadiya, bist du dir sicher, dass du so nach Hause-"

Noch ehe er den Satz beendet hatte, fand ich mich erneut am Boden vor. Diesmal war ich wenigstens auf meinen Po gefallen und nicht der Länge nach auf den Boden geklatscht. Zoe entfuhr ein Lachen und ließ sich ebenfalls auf den Boden plumpsen.

„Ich weiß ja nicht, wie du das siehst, Kumpel, aber ich würde sagen, deine Frage erübrigt sich."

Thomas seufzte und kniete sich vor mich auf den Boden. „Nadiya!" Er nahm mein Gesicht in beide Hände und zwang mich ihn anzusehen. „Soll ich jemanden anrufen, der euch nach Hause bringt?"

„Ngh", lallte ich.

„Was?"

„Nein!", erklärte ich lauter.

Thomas seufzte erneut und ich hörte seinen Freund im Hintergrund lachen. „Nadiya, auch wenn ich es nicht gerne sage, so werdet ihr es nicht bis nach Hause schaffen."

„Wer sagt das?", fragte ich giftig zurück.

„Ich, und jetzt hör zu: Entweder du rufst jemanden an, der euch abholt oder du lässt mich euch nach Hause bringen, ja?"

„Nach Hause!", wiederholte ich energisch.

„Genau, nach Hause." Ehe ich mich versah, wurde ich hochgehoben und der gesamte Raum begann sich zu drehen.

The Way of our Hearts - Ist Liebe Stärker als die Angst?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt