17. Kapitel

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„Zoe?"

„Hm?"

„Glaubst du ich schaffe es diese 40 Seiten bis morgen noch in mich einzusaugen?", fragte ich und deutete auf den riesigen Stapel an Stoff vor mir auf dem belegten Esstisch.

Zoe, die wieder einmal auf der Couch lümmelte, drehte ihren Kopf in Zeitlupe zu mir, um mich dann von oben bis unten zu mustern. „Einsaugen ja, ausspucken wohl eher nicht."

„Und wenn ich es auf 20 Seiten kürze? Nur das wichtigste?", obwohl natürlich schon das wichtigste übertrieben, hochgestochen formuliert war und mir Kopfschmerzen verpasste, wenn ich es auch nur ansah.

„Lern einfach, Naya, es wird so oder so nicht weniger", stieß Zoe genervt hervor.

„Ich weiß – aber ich kann mich einfach nicht dazu überwinden...", murrte ich. „Stattdessen rechne ich mir aus, wie viele Stunden Schlaf, ich heute höchsten habe, wenn ich in sieben Stunden fertig bin. Und das auch nur, wenn ich mir nicht diese elenden Beispiele im Buch anschaue-"

„Du machst mich wahnsinnig!", entfuhr es Zoe und sie machte mit ihren Händen eine Geste, die deutlich zeigte, wie sie mir den Hals umdrehte.

Ich zeigte ihr den Stinkefinger.

Dann glitt mein Blick zu dem Skriptum vor mir und ich blätterte es motivationslos durch. Immerhin ein kleiner Fortschritt. Ich kam bis zur Hälfte als mein Handy plötzlich ein Brummen von sich gab.

„Wehe dir!", drohte Zoe, doch ehe sie zu Ende gesprochen hatte, war meine Hand zu meinem Black Berry gezuckt und hatte es entsperrt.

Darf ich auf dein Angebot mit dem Kochen zurückkommen und dich zu mir einladen?

Thomas.

Ein Lächeln schleicht sich über mein Gesicht und ich sah im Augenwinkel wie Zoe den Kopf schüttelte. „Du hast die Arbeitsbereitschaft eines Faultiers", kommentierte sie trocken.

„Wenn dein", ich überlegte, wie hieß ihr derzeitiger Freund noch gleich hieß – Brad, Brian, Brunswick? – „Br..."

„BRUNO!"

„Ja, genau - wenn dein Bruno dich auf ein Dinner zu zweit einlädt, dann sagts du doch auch nicht nein!"

„Ich hab auch einen festen Job!"

„Klar", ich verdrehte die Augen, „und dein Bruno ist mehr als nur ein Two Night Stand."

„Ach leck mich doch!"

„Ne, bist nicht so ganz mein Typ", erwiderte ich genauso trocken wie Zoe vor einigen Sekunden.

Zoe mordlustiger Blick verfolgte mich noch, als ich schließlich den Rückzug in mein Zimmer antrat.

Nachdem ich die Zimmertür geschlossen hatte, ließ ich mich auf mein Bett nieder und holte mein Handy heraus. Klar, was hältst du von morgen Abend? Soll ich irgendetwas mitnehmen?

Nur dich ;)

Ich schickte ihm einen Kussmund und sank nun ganz aufs Bett. Ein herrliches Gefühl durchströmte mich und hätte ich es nicht besser gewusst, hätte ich gesagt es war Liebe. Doch so schnell konnte man sich nicht verlieben, oder?

Während mein ganzer Körper in diesem wohligen Gefühl versank, begann meine innere Stimme mich mit meinen tiefsten Ängsten zu verspotten.

* * *

Nach einem mehr als nervenaufreibenden Tag in der Uni, kam ich am späten Nachmittag nach Hause und bemerkte, dass Zoe verschwunden war. In der Küche fand ich einen kleinen Zettel, auf dem stand, dass sie, wo ich mich ja heute Abend auswärts amüsieren würde, sie zu ihrem Freund fahren würde, um selbst ein bisschen Spaß zu haben.

Natürlich hatte sie weder die Worte Spaß noch Freund verwendete, wie als würde sie absichtlich versuchen mich so oft erröten zu lassen, wie es nur ging. Vor allem, wenn sie mir äußerst detaillierte Geschichten über ihre Sexkapaden erzählte.

Manchmal beneidete ich Zoe für ihr Aussehen. Hätte sie gewollt, hätte sie ihren Job als Anwältin aufgeben und eine Karriere als Model machen können. Doch Zoe war ein Freigeist und sie würde sich niemals in schicke Outfits stecken lassen nur um dann hirnlose Fotos schießen zu können. Da würde sie sich eher ein Bein ausreißen, hatte sie mir mehr als einmal versichert.

Mit einem Lächeln legte ich den Zettel beiseite und räumte meine Sachen aus der Tasche. Ich schlüpfte noch schnell unter die Dusche und zog mir frisches Gewand an, bevor ich auch schon wieder losmusste. Denn wie gestern angekündigt, hatte ich vor heute mit Thomas Spaß zu haben und das restliche Leben für einen Moment zu vergessen.

Als ich aus der Tür spazierte, hatte ich mich für einen braunen Lederrock entschieden, der mir bis zu den Knien reichte und einen weißen, kuscheligen Pullover, den mir Madame Dubois letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte. Darüber trug ich einen langen schwarzen Mantel, den ich mir mal schnell aus Zoes Garderobe stibitzt hatte.

Die Fahrt von meiner Wohnung zu Thomas' dauerte nicht länger als eine halbe Stunde, ich wäre vielleicht sogar einige Minuten zu früh gekommen, hätte mir nicht ein blauer Audi meine Parklücke weggeschnappt.

Mehr als verärgert war ich noch einige Runden gefahren, bis ich einen gefühlten Kilometer weiter noch einen Platz für meinen Wagen fand.

Es lag noch nicht besonders viel Schnee für die Jahreszeit, aber ich war trotzdem froh mich für meine schneefesten, superwarmen Stiefel entschieden zu haben.

Als ich vor Thomas Haustüre stand, musste ich nicht einmal Klingeln, da ertönte schon ein Surren und die Tür schwang auf und öffnete den Blick für eine langen, breiten Gang, der am Ende in einem vollkommen begrünten Innenhof mündete.

Kurz davor, fand sich an der linken Seite ein neu moderner Aufzug, der vom Stil zwar nicht in das sonstige Bild des Gebäudes passte, aber eine nette Ergänzung darstellte. Vor allem, wenn er funktionierte.

Ein lautes Ping kündigte die Ankunft des Lifts an und ich stieg sofort ein. Wenn man schon mal die Chance bekam mit einem Lift zu fahren und nicht drölfzig Stockwerke zu gehen, dann musste man sie auch nutzen!

Wie Thomas mir gestern noch geschrieben hatte, wohnte er wie ich im vierten Stock, und als ich nach wenigen Sekunden wieder aus der gläsernen Hülle ausstieg, da fiel es mir nicht schwer ihn zu finden.

Dieser stand nämlich, in schwarzer Anzughose mit Trägern und einer weißen Hemdbluse, in der Tür und grinste als wären Ostern und Weihnachten auf einen Tag gefallen. Zugegeben, ich grinste auch.

The Way of our Hearts - Ist Liebe Stärker als die Angst?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt