25. Kapitel

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Da ich nächste Woche eine wichtige Prüfung hatte, kam ich nicht darum herum mich zumindest für wenige Stunden dem Uni-Stoff zu widmen. Und so sehr ich mich auch wehrte, half das Lernen mir dabei wieder einen klareren Kopf zu bekommen.

Den brauchte ich auch, wenn ich das heute wirklich durchziehen wollte. Thomas zur Rede stellen und den Streit mit Zoe beenden.

Meine beste Freundin war mir die letzten Tage aus dem Weg gegangen. Heute war ich vom ins Schloss fallen unserer Wohnungstüre geweckt worden. Doch entgegen meiner Hoffnung, hatte Zoe das Haus bereits verlassen.

Erbärmlich.

Ich drehte die Musik, die durch meine Kopfhörer dröhnte, lauter, im Versuch meine Gedanken zu übertönen. Trotzdem flüsterte meine innere Stimme immer wieder gehässige Kommentare in mein Ohr, bis ich es schließlich aufgab mich auf den Text vor mir zu konzentrieren.

Ich hatte nun schon zum dritten Mal die gleiche Zeile gelesen und nicht das Gefühl irgendein Wort daraus verstanden zu haben.

Stattdessen brühte ich mir einen Kaffee und machte mich auf den Weg zu Madam Dubois, um meine Schicht nun doch etwas früher als geplant zu beginnen.

Heute sollte ich für sie einige Bestellungen verpacken und versenden, eine halbwegs entspannende Arbeit, vor allem wenn Madam Dubois Kater sich zu mir gesellte.

Als ich den Laden aufschloss, meine Chefin hatte mir letztes Jahr endlich einen Schlüssel überlassen, nachdem sie mich für verantwortungsbewusst genug befunden hatte, machte ich mich sofort an die Arbeit.

Ich suchte die gewünschten Bücher zusammen, druckte die Etiketten aus und verpackte sie schönsäuberlich in Kartons. Als ich nach einer gefühlten Ewigkeit endlich fertig war, hatte sich die Nachmittagssonne hinter einer Wolkenwand verzogen und draußen schien es noch kälter, wie normal.

Die Pakete zur nächsten Postfiliale zu bringen, erwies sich dagegen als recht schnell erledigt, auch wenn mir wieder einmal fast die Finger abfroren. Ich plauderte noch kurz mit Jeff, dem Dienstältesten Mitarbeiter, der mir sogleich eine Schachtel Weihnachtsbäckereien für Madam Dubois und mich mitgab.

Insgeheim versuchte ich den Moment hinauszuzögern, mich in mein verstaubtes Auto zu setzen und zu Thomas zu fahren. Denn egal was ich heute erfahren würde, es würde für mich in einer Katastrophe enden.

Ich wusste, dass ich noch tausende von Dingen finden konnte, um mich von Thomas abzulenken und womöglich sogar das Gespräch weiter hinauszögern. Doch genauso sehr wie mich mir wünschte nie wieder mit ihm Kontakt zu haben, wollte ich auch wieder in seiner Nähe sein. Wollte von ihm in den Armen gehalten werden.

Ich schlenderte von Wohnhaus zu Wohnhaus, während ich in Gedanken noch immer zwischen meinen beiden Möglichkeiten herumsprang. Nach Hause gehen und Thomas verlassen oder zu ihm Fahren.

Ich kam nicht umher an Zoes Worte zu denken – dass auch er furchtbare Angst haben musste. Denn wer mochte schon mit einem Sterbenskranken Typen Zusammensein? Wer schon?

Ich. Ich. Ich.

Den Kopf schüttelnd, wie um mich aus dem Gewirr aus Gedanken zu befreien, überquerte ich die Straße zu der Seitengasse wo mein Auto parkte. Ich machte neben ihm halt und schlang meine beiden Arme um mich. Tränen sammelte sich in meinen Augenwinkeln und ei schmerzhaftes Ziehen machte sich in meiner Bauchgegend breit – ein schmerzhaftes Verlangen.

Scheinwerfer zerrissen die Nacht und ich machte einen Satz zurück, bevor mich das heranrasende Fahrzeug überfahren konnte. Heftiges Hupen und jede Menge beleidigender Flüche folgten und ich fühlte mich wie aus einer Starre gerissen.

Meine vor Schock zitternde Hand ging zum Autoschlüssel und ich entsperrte mein Auto. Sollte mich doch der Teufen holen – ich musste mich zumindest mit Thomas ausreden. Und vor allem musste ich ihn ein letztes Mal sehen. Einfach nur sehen, schwor ich mir.

Ich setzte aus der Parklücke und begann mich in den mäßigen Abendverkehr einzuordnen. Als ich in der Gasse stehen bliebe, in der Thomas wohnte, hatte ich das Gefühl die Fahrt war nicht lange genug gewesen. Hatte ich überhaupt einen Plan, wenn ich jetzt auf die Klingen drückte? Was wollte ich ihm sagen? Wie wollte ich es ihm sagen?

Schleppend ging ich zu der großen Eingangstür. Meine Hände zitterten noch immer so schrecklich, dass ich fast auf die falschen Klingen drückte. Gott erbarme dich, wenn ich mich jetzt auch noch mit einem belästigt-fühlenden Mieter herumschlagen musste. Dann würde nämlich mein seidendünner Nervenfaden reißen. Und zwar endgültig.

Ich zählte die Sekunden und als ich schließlich eine Vertraute Stimme am anderen Ende der Leitung hörte, rutschte mir das Herz in die Hose. „Ja?"

Außerdem hatte es die Sprache verschlagen. Ich brauchte weitere unangenehme fünf Sekunden ehe ich mich soweit gesammelt hatte um ein „Ich bin's". herauszubringen.

Die Tür gab ein Surren von sich und ich trat in das noch kühlere Stiegenhaus ein. Die Schritte bis zu seiner Wohnung erschienen mir kürzer als zuvor und ich konnte meine Hände nicht dazu bringen still zu halten.

Als ich vor seiner Türe stand, knapp vor einen Zusammenbruch, und plötzlich sein Gesicht zwischen Tür und Angel auftauchte, da war es, als wäre jeglicher Funke von Nervosität ausgelöscht. Augenblicklich hörte das Zittern in meinen Händen auf. Meine Gedanken beruhigten sich und in meinem Kopf wurde es um so vieles leiser.

„Nadiya.", erklang es atemlos aus seinem Mund.

The Way of our Hearts - Ist Liebe Stärker als die Angst?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt