Kapitel Eins

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Mik

Zuerst bin ich ein einziger Schmerz. Nichts anderes zählt als Schmerz und Kälte. Ich bin mir nicht sicher, ob ich schreie oder ob dieser Ton das Echo einer unklaren Vergangenheit ist. Mein Kopf ist leer, als hätte es ihn noch nie vorher gegeben. Es ist dunkel um mich herum, aber ich weiß nicht, ob meine Augen geschlossen sind oder mein Geist. Vielleicht ist es die Sonne, die ein Licht durch meine Anästhesie brennt, aber ich kann jetzt sehen.

Atme ich überhaupt? Plötzlich spüre ich die stachelige Oberfläche unter meinem Rücken. Meine Augen suchen die Umgebung ab, auch wenn noch kein anderer Muskel meines Körpers lebendig geworden ist. Es ist Sand. Ich liege an einem Strand gefährlich nah am Meer. Die salzige Luft drückt in meine Lunge und zwingt mich, endlich meinen ersten Atemzug zu nehmen, der sich als laut und entlastend herausstellt. Ich kann mich nicht an meinen letzten erinnern. Ich kann mich an nichts erinnern.

Wo bin ich? Als nächstes kann ich den Lärm des Ozeans wahrnehmen. Riesige Wellen brechen am Strand. Es ist ein weicher Klang in einer einzigen Verwirrung. Das Wasser peitscht gegen meine Füße wie eine kalte Vorahnung. Plötzlich erfüllt eine laute Vision meinen Kopf so schmerzhaft, dass ich wieder schreien muss. Ich sehe zwei Kinderfüße, die über einen weißen Strand tapsen, nur einen Wimpernschlag später verschwimmt das Bild wieder und ist in meinem Kopf verschwunden. Unauffindbar, selbst für mich.

Ich bemerke, wie das Meer mich unter seiner Oberfläche begräbt, sodass es erneut still wird. In der nächsten Sekunde bricht alles auseinander, als mein Körper sich wieder aus dem gnadenlosen Meer befreit hat. Ich schmecke das brennende Salz in meinem Hals, das versucht, mich zu töten. Der Sand peitscht mir ins Gesicht, bis mein Körper lebendig wird, meine Muskeln beginnen, mir zu gehorchen.

Ich kann mich an Land retten. Jemand legt den Schleier ab, der meine Sinne noch bis eben bedeckt hielt. Jetzt ist die Welt klar und bunt. Panisch drehe ich meinen Kopf von einem Punkt zum nächsten. Strand, Ozean und ein Wald, der mit dem Sand verbunden ist.

Bin ich auf einer Insel? Ich drehe mich um, aber es gibt nichts weiter am Horizont, als eine glänzende Reflexion einer durchsichtigen Wand über dem Wasser, dem Himmel und überall dort, wo ich in die Unendlichkeit sehen kann. Wie ein Käfig. Es sind unzählige Sechsecke, die ein Netz um die gesamte Umgebung weben, als wäre die Luft dahinter verpixelt.

Ich wische nasse Haare aus meinem Gesicht, während ich lerne zu stehen, ohne zu stolpern. Meine Beine versinken bis zu den Knien im Wasser. Meine Augen und mein Mund brennen von Sand und Salz.

Mein Blick gleitet meinen Rumpf und meine Beine hinunter. Ich trage eine zweite schwarze Haut, die aussieht und sich anfühlt wie ein dünner Neoprenanzug, aber sein Material ist flexibel und lässt meine Haut atmen. Ich mache meine ersten richtigen Schritte und nachdem ich bei den ersten Versuchen immer wieder falle, schaffe ich es schließlich zu einem Baum. Er sieht aus wie eine Mischung aus Palme und der winzigen Version einer Weide. Ich höre Wind durch den Wald ziehen. Alles sieht zu grün, zu gestellt, zu surreal aus.

Ich stütze meinen schlaffen Körper an dem Stamm. Seine Rinde ist nass und krümelig, sodass ich es schaffe, sie abzubrechen und eine hellgrüne Oberfläche erscheint. Als ob der Baum sich schälen müsste. Ich beobachte verunsichert meine Finger. In was für einem Traum bin ich?

"Hallo?"

Mein Kopf schnellt herum. Jemand hat geschrien. Die Stimme muss ein zweites Mal schreien, damit ich realisiere, dass es eine menschliche Stimme ist, Ist jemand da draußen?

Die Stimme ist eindeutig männlich. Sie kommt aus den Bäumen und wird immer lauter, kommt näher. Schließlich höre ich Schritte, die über Blätter gehen.

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