Kapitel Sechsundzwanzig

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Mik

Ich komme mit einem schrillen Piepsen im Ohr zu mir. Mein Kopf fühlt sich seltsam bleiern an. Meine Gedanken zerlaufen darin wie zähes Kaugummi.

Es ist bei Weitem nicht so schlimm wie an dem Tag, an dem ich zum ersten Mal ohne Erinnerungen aufgewacht bin, trotzdem fühle ich mich benutzt.

Ich versuche mich schwankend auf die Füße zu stellen. Die Türöffnung vor mir steht noch immer weit offen. Meine Augen brauchen einen Moment, bis sie sich an die helle Nachmittagssonne gewöhnt haben, doch dann erkenne ich in einiger Entfernung eine große Staubwolke in den Himmel emporsteigen. Augenblicklich spüre ich auch das unnatürliche Vibrieren des Bodens unter meinen Füßen.

Was ist nur in der Stadt passiert? Ich erlaube es mir nicht mir Sorgen zu machen, stattdessen fällt mir eine weitere Sache auf. Auf keinem der Bildschirme blinkt mehr eine Fehlermeldung, ich entdecke auch keine roten Lämpchen mehr, welche eine Notstromversorgung signalisieren. Sogar der Computer auf dem Podest scheint endgültig außer Betrieb zu sein.

Ich fluche stumm. Jetzt muss ich mir etwas anderes ausdenken, um die anderen davon zu überzeugen, dass wir alle bloß Teil eines üblen Experimentes sind, welches keineswegs von mir in die Wege geleitet wurde, sondern von Samuel Yuro.

Vorausgesetzt, dass sie alle noch am Leben sind.

Ich gebe mir Mühe den anhaltenden Schwindel in meinem Kopf zu ignorieren und renne los.

Das Geäst der hohen Bäume scheint einen dunkleren Schatten zu werfen, als sonst. Dornen und Ranken hindern mich daran schneller zu laufen.

Während ich mein Bestes versuche nicht zu stolpern, werde ich das Gefühl nicht los, dass der Wald, womöglich sogar die gesamte Insel eine Art Eigenleben besitzt, welches von keiner existierenden Stromversorgung abgestellt werden kann.

Als ich endlich in der Stadt ankomme, höre ich schon nach den ersten Blocks surrende Maschinen und menschliche Kampfgeräusche. Außerdem fällt mir das Atmen an der staubigen Luft schwer.

Vor mir erstreckt sich bald ein riesiger Trümmerhaufen. Natürlich bestand die Stadt schon vorher hauptsächlich aus Ruinen, Schutt und hinterher auch aus feuchtem Beton, aber die Kulisse, die sich mir beim Einbiegen in die nächste Straße bietet, lässt all diese Zerstörungen wie leichte Gebrauchsspuren aussehen.

Ein gesamter Wolkenkratzer liegt in sich zusammengefallen auf dem Highway. Gebäude und eventuelle Pflanzen in dessen Umgebung wurden gleich mitgerissen. Überall liegt feiner Sand und es riecht nach Moder.

Unter dem großen Trümmerberg erkenne ich erst beim Näherkommen den riesigen Roboter liegen. Er scheint von dem enormen Gewicht des Wolkenkratzers komplett außer Gefecht gequetscht worden zu sein.

Augenblicklich verlangsamen sich meine Schritte. Ob aus Wehmut oder Furcht vor dem Wiedersehen mit den Clashern, wage ich nicht zu entscheiden.

Auf der anderen Straßenseite, welche weitestgehend verschont geblieben ist, sticht mir als erstes die Silhouette eines dunkelbraunen Körpers ins Blickfeld. Diese Ansicht irritiert mich etwas, weil ich es nicht gewohnt bin nackte Arme der anderen zu sehen. Jegliche Körperstellen sind normalerweise von dickem Neoprenstoff verdeckt.

Seltsamerweise ist es das, was ich als erstes bei diesem Anblick denke. Im zweiten Moment realisiere ich, dass es sich bei der Gestalt um Caleb handelt und, dass er dabei ist sein Schwert gegen eine kleinere Version des Kampfroboters zu schwingen.

Die Clasher kämpfen noch immer, selbst wenn der Riese bereits besiegt scheint. Intuitiv weiß ich, dass Nia dahintersteckt.

Vorsichtig nähere ich mich der Szenerie. Gleichzeitig kämpfe ich mit dem Drang loszurennen und selbst anzugreifen. Das wäre wahrscheinlich keine gute Idee, wenn ich bedenke, dass ich keinerlei Waffen bei mir habe.

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