Mik
Mit einem ohrenbetäubenden Scheppern stürzt die Klinge neben mir in den Stein. Meine Augen, welche eben noch von Panik aufgerissen wurden, kneife ich nun fest zusammen. Doch das Schwert hat mich nicht verletzt. Stattdessen hat Nia meine Fesseln zerschnitten.
Ausgefranste Kabel liegen hinter mir auf der Brunnenfassade. Zögernd bewege ich meine Finger, löse meine verschlungenen Handgelenke voneinander. Und bin frei.
Nia hält seine Waffe noch immer. Dabei schaut er grimmig auf mich hinunter. Als ich seinen Blick erwidere, verwandelt sich der Ausdruck in eine Mischung aus Bedauern und Schmerz, bis er meinem Blick nicht mehr standhalten kann.
"Nia," setze ich an. In derselben Tonlage, welche ihn vorhin noch wahnsinnig gemacht hat. Jetzt scheint meine Stimme nur noch Wut in ihm auszulösen.
"Verschwinde jetzt." Sein Blick wandert hinter uns, zwischen die letzten Häuserblocks der Stadt, dort wo der Wald hohen schneebedeckten Bergen weicht.
Ich verstehe was er meint.
Trotz dessen, dass ich nicht lange auf der Erde saß, schmerzen meine Gelenke als ich mich aufrichte. Nia überragt mich wie immer knapp.
Ich schaue zu ihm hoch, während er angestrengt meinen Blick meidet, doch ich bekomme kein einziges Wort heraus. Dabei möchte ich ihn so vieles fragen, angefangen mit der Frage, ob er unsere Freundschaft tatsächlich für einen Haufen Fremder wegwirft.
"Mik, bitte."
Ich weiß nicht, wie lange wir so dastanden, aber anscheinend lange genug, dass Nia die Geduld verliert. Jetzt sieht er mich doch an und während ich in seine blassen Augen schaue, welche für mich plötzlich verschlossen erscheinen, lässt mein unbändiger Frust auch mich wütend werden.
"Ich hoffe wirklich, du bereust das hier nicht."
Mit diesen Worten wende ich mich ab, drehe mich um und laufe starr geradeaus. Ich spüre Nias Blick im Nacken, doch es ist mir egal. In diesem Moment könnte ich weinen, schreien, vor Wut toben, vielleicht sogar dankbar sein oder zu Boden sinken, doch ich entscheide mich dafür taub zu werden. Alle meine Gefühle sperre ich weg, weil ich weiß, dass Nia mich gerade verraten hat, und dieser Fakt könnte mich auf der Stelle zerstören.
Nicht von ihm getötet worden zu sein macht unlogischer Weise alles nur noch schlimmer.
Wie von selbst setzen sich meine Beine in Bewegung. Der Drang die Verzweiflung und nun auch die Enttäuschung zurückzulassen bauscht sich unweigerlich in mir auf und entweicht schließlich in Form von Energie als ich plötzlich beginne zu rennen.
Meine brennenden Muskeln können mich ablenken, gleichzeitig habe ich das Gefühl vor allem davonzulaufen, was mich verletzt hat. Ich verdränge das Wissen, um die tiefsitzenden Narben, welche dieser Augenblick am Brunnen hinterlassen hat. Gleichzeitig mache ich mich bereit auch diesen Schmerz später ertragen zu müssen. Aber nicht jetzt, jetzt laufe ich und brenne.
Mein Weg führt mich den Highway hinauf bis in den Wald. Während ich mit heißen Tränen in den Augen Äste und Gestrüpp aus meinem Weg zerre, bekomme ich den Eindruck, der Wald würde sich nach und nach nur für mich öffnen. Hinter mir zerfließen Palmen, Ranken und Erde jedoch wieder zu einem grünen Brei, so als würde der verdammte Dschungel mich verschlucken.
Ich blicke nicht mehr zurück, vor mir kann ich aber auch nichts erkennen. Da bin nur ich im Hier und Jetzt in dieser Arena ohne Ausweg oder Entkommen vor meinem Schicksal.
Mein Atem geht schwer, alles glüht. Vor allem mein Herz droht darunter zu zerbersten. Ich bemerke nicht einmal, dass der trockene Waldboden bald schneebedecktem Stein weicht, dass sich Blätter und Palmen in Tannenadeln verwandeln, dass es immer kälter und mir immer schwindeliger wird.
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Warclash
AventuraZehn Clasher. Eine tödliche Insel. Ein gefährliches Spiel. Als Mik und Nia gemeinsam mit acht weiteren Clashern auf einer einsamen Insel erwachen, fehlen ihnen jegliche Erinnerungen an ihre Vergangenheit. Eine bedrohliche Instanz verspricht den Clas...