Das Wohl der Kinder steht an erster Stelle Teil 22 (58)

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Alec's Sicht:

Gedankenverloren saß ich an meinem Schreibtisch und starrte auf den Bildschirm. Eigentlich müsste ich ich einen Bericht fertig stellen doch die richtigen Worte wollen mir einfach nicht einfallen. Vielleicht weigert mein Hirn sich mich mit den passenden Ausdrücken zu versorgen weil ich unbewusst gar nicht nach Hause möchte. Denn dort erwartet mich seit Monaten nur gähnende Leere und Stille. Es fällt mir schwer mich dort aufzuhalten, es ist einfach viel zu ruhig. Früher wurde ich von Rafael und Max freudig, mit strahlenden Gesichtern, an der Tür begrüßt, gefolgt von meinem lächelnden Mann. Nun ist dort gar nichts. Wenn ich jetzt durch die Tür trete kommt mir allenfalls etwas aufgewirbelter Staub entgegen. Meine Familie fehlt mir unglaublich. Selbst wenn ich bei ihnen in Brooklyn bin fühle ich mich ein wenig fremd. Meine Söhne freuen sich immer noch wenn sie mich sehen, doch ich spüre auch wie sie sich allmählich von mir entfernen. Bei meinem ältesten fällt es mir besonders auf. Er wirkt Magnus gegenüber sehr beschützerisch und scheint immer halbwegs damit zu rechnen dass ich morgens verschwunden bin. Dabei würde ich doch nie, nach Idris zurück fahren, ohne mich zu verabschieden. Doch es ist als ob Rafael sich innerlich langsam von mir verabschiedet.




Letztes Wochenende saß ich mit den Jungs auf der Couch und wir waren gerade dabei es uns, für einen Filmabend, richtig gemütlich zu machen als Max sich plötzlich an Rafael wandte. „Findest Du nicht auch dass uns zu einem perfekten Filmabend noch etwas fehlt?, fragte er seinen großen Bruder schelmisch grinsend. Der schien, im Gegensatz zu mir, sofort zu wissen worum es ging.

„Du hast Recht", rief er, sprang auf und rannte zu Magnus in die Küche. Ich konnte hören wie er aufgeregt nach Magnus rief, der gerade dabei war die Minipizzen aus dem Ofen zu holen. „Papa", sprach er in einer Tonlage die einem sofort sagte dass er etwas möchte. „Weißt Du womit Du mich und Max total glücklich machen könntest?"

„Womit?" kam von Magnus misstrauisch die Gegenfrage.

„Mit Schokopopcorn", ertönte Rafs Stimme honigsüß, woraufhin Magnus lachte.

„Was hat euer Vater denn gesagt als ihr ihn gefragt habt?", erkundigt mein Mann sich vorsorglich. Es kann früher ab und zu vor dass wenn einer von uns Nein gesagt hat die Jungs sich einfach an ihren anderen Vater wandten. „Den habe wir gar nicht gefragt", kam die prompte Antwort, wie selbstverständlich. Erschrocken zuckte ich zusammen als mir klar wurde dass meine Söhne sich neuerdings immer an meinem Mann wandten wenn sie die Erlaubnis für etwas brauchten. So als gingen sie davon aus dass ich gar kein Mitspracherecht mehr habe. Ich kann ihnen diese Annahme nicht einmal verdenken. Aus ihrer Sicht ist es bestimmt völlig logisch dass der dauerhaft anwesende Erziehungsberechtigte das sagen hat. Bedrückt lauschte ich Magnus' sanftem Tadel darüber dass er mich doch bitte nicht übergehen und mich fragen soll wenn ich mich im selben Raum wie Rafael befinde. Raf's „Ok" klingt gleichzeitig irritiert und verunsichert.

„Schau" ertönt Magnus leicht gedämpfte Stimme, so als ob er nicht möchte dass ich die folgenden Worte höre. Das meiste bekomme ich trotzdem mit. „Ich weiß dass euer Dad kaum noch hier ist und ihr ihn vermisst. Mir geht es doch genau so. Aber ich habe wenigstens euch. Für Alec ist es bestimmt noch schwieriger, so allein in Idris. Wenn er seinen Job nicht so sehr lieben würde wäre er sofort mit uns nach Brooklyn zurück gekehrt." Was Rafael vor sich hin murmelt kann ich nur aus Magnus' entsetzter Antwort erahnen. „Nein Raf. Bitte denk das nicht. Euer Vater liebt euch über alles." Erschrocken schaute ich zu Max rüber. Doch der war so auf den Fernseher fixiert dass er, von den Gespräch in der Küche, nichts mitbekommen hat. Krampfhaft versuchte ich die aufsteigenden Tränen zu unterdrücken und starrte vehement auf den Bildschirm als ich meinen Mann und meinen Sohn zurück kommen hörte. Keinesfalls sollten sie meine Tränen sehen. Aus dem Augenwinkel bemerkte ich wie Magnus mir einen prüfenden Blick zu warf. Er versuchte eindeutig heraus zu finden wie viel ich mitbekommen hab. Ich zog ihn neben mich auf die Couch und in eine feste Umarmung während ich versuchte möglichst fröhlich aus zu sehen. Zum Glück wurde er von Max' lautstarker Begeisterung über sein Lieblingspopcorn abgelenkt und beobachtete ihn amüsiert.


Stunden später, nachdem wir die Jungs, die während des zweiten Film eingeschlafen sind, in ihre Betten getragen und zugedeckt haben, lagen wir eng umschlungen im Bett. Wir lagen einfach nur da und genossen die Gegenwart des anderen. Innerlich seufzend stellte ich fest wie sehr ich diese Vertrautheit, Wärme und Geborgenheit doch vermisst habe.



Bedrückt fahre ich den PC herunter und räume meinen Schreibtisch auf. Ich werde heute eh nichts vernünftiges zu Stande bringen. Kurz überlege ich mich einfach auf der Couch in meinem Büro nieder zu lassen. Doch die ist schon unbequem wenn man nur darauf sitzt. An Schlaf ist da nicht zu denken, daher verwerfe ich diese Idee schnell. Nach einem letzten prüfenden Blick lösche ich alle Lichter und trete den Heimweg an. Zurück in die leere, leblose Wohnung. Mein einziger Lichtblick ist das kommende Wochenende. Da kann ich meinen Mann wieder im Arm halten. Zudem steht da auch unser Hochzeitstag an.

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⏰ Letzte Aktualisierung: Oct 10, 2021 ⏰

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