Das Wohl der Kinder steht an erster Stelle Teil 1

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Magnus' Sicht

Amüsiert betrachte ich unsere Söhne, die hellwach und aufgeregt ihr Frühstück in sich rein schaufeln. Normalerweise würden sie um diese Uhrzeit noch halb schlafend am Tisch sitzen und im Schneckentempo essen. „Jungs, esst bitte langsamer, sonst wird euch schlecht und wir müssen den Ausflug ausfallen lassen", kläre ich die beiden Schlinger auf.

„Neeeein", ertönt es von beiden gleichzeitig und sie werden ein bisschen langsamer. Mein Mann grinst mich nur an und zerzaust Rafaels schwarze lockige Haare noch ein wenig schlimmer als sie eh schon sind.

Unsere Adoptivsöhne sehen witziger Weise je einem von uns ähnlich. Rafael, der ältere, hat genau wie mein Mann schwarze lockige Haare, die immer unordentlich aussehen. Beide sind dünn, groß, blass und bevorzugen dunkle Farben.

Max dagegen ist eher wie ich. Wir lieben Farben, ausgefallene Outfits und tolle Frisuren. Aktuell hat Max leicht bläuliche Haare, das war allerdings ein Unfall. Egal wie sehr ich ausgefallene Frisuren liebe, ich würde meinem 7 jährigen Sohn nicht erlauben sich die Haare zu Färben.

Max war vor kurzem, zu einer Trollparty eingeladen worden. Justin, sein früherer Schulfreund war besessen von diesen kleinen hässlichen Dingern mit den bunten Haaren und bestand darauf dass jedes Kind eine andere Haarfarbe haben musste. Er ging sogar so weit jedem die Farbe vorzuschreiben damit später keine doppelt vorhanden ist. Ich muss zugeben die Kinder sahen auf den Bildern, die mir geschickt wurden, wirklich toll aus. Am Tag der Party rief mein Verleger überraschend an um etwas mit mir zu besprechen. Und da Simon ein Mensch ist der gerne und viel redet wurde ich ihn nicht so schnell los. Mein Sohn, dem die Wartezeit eindeutig zu lang wurde beschloss sich die Haare selbst einzusprühen. Dummerweise nahm er dafür nicht, die extra besorgte Karnevalsfarbe sondern erwischte Rafaels blaue Sprühdose mit Metallic-Effekt, die er für sein Kunstprojekt benutzt hatte. Hätte ich nicht solange am Telefon fest gesessen und das Malheur sofort entdeckt wäre die Farbe bestimmt noch gut raus waschbar gewesen. Doch als ich Simon endlich abgewimmelt hatte musste ich mich beeilen um Max noch pünktlich zu Partybeginn abzusetzen und Rafael auf dem Rückweg vom Basketball abzuholen. In dem Chaos fiel mir die merkwürdige Farbe nicht auf. Und Alec, der ihn abends abholte und ihn ausnahmsweise allein ins Bett brachte bemerkte gar nichts. Am nächsten Morgen war es zu spät. Ich verfrachtete Max sofort unter die Dusche und wusch ihm mehrfach die Haare. Doch gebracht hat es nichts. Es dauerte Wochen bis die Farbe sich langsam raus wusch. Wochen in denen ich immer wieder von verärgerten Müttern angemacht wurde weil ich meinem Kind die Haare gefärbt hatte. Max wurde nicht müde immer wieder stolz zu erzählen dass er das selbst gemacht hat, woraufhin mir dann noch Vernachlässigung der Aufsichtspflicht vorgeworfen wurde.

Lächelnd betrachte ich Max, der neben mir sitzt und unruhig auf seinem Stuhl hin und her rutscht. . Seine Haare sind leider immer noch leicht bläulich, aber es wird langsam, besser. Ich beschließe die zwei zu erlösen und forder sie auf sich Abfahrbereit zu machen. Innerhalb von Sekunden sind sie aus der Küche raus und stürmen in den Flur um sich die Schuhe anzuziehen. Alec bemerkt schmunzelnd „Wenn sie zur Schule gehen sollen sind sie nie so schnell"!

„Das Vergnügen haben wir nächste Woche wenn die Sommerferien vorbei sind und der Unterricht wieder beginnt", stöhne ich. Bevor Alec etwas erwidern kann kommen unsere Söhne in die Küche gerannt und drängen uns zur Eile an. Sie haben den Autoschlüssel sogar schon mit gebracht.

Während der ganzen Fahrt unterhalten sie sich aufgeregt darüber welche Tiere sie sich zuerst ansehen wollen und fachsimpeln über die verschiedenen Reptilienarten. Rafael ist ein absoluter Schildkrötenfan. Er liebt ihre ruhige, gelassene Art. Er hat bereits Namen für die Schildkröten ausgesucht, die er später einmal haben möchte. Leonardo, Raphael, Donatello und Michelangelo. Alec, ahnungslos wie er manchmal ist, hat ihn gefragt wie er denn auf die ungewöhnliche Namenswahl gekommen ist. Was ihm ein Gruppen-Augenverdrehen ein brachte. Die Kinder konnten nicht verstehen dass Maryse und Robert ihrem Vater die wichtige Bildung über die verschiedenen Zeichentrickhelden verwehrt haben

Max mag Schildkröten zwar auch, aber seine große Liebe gilt den Echsen, die seiner Meinung kleine Dinosaurier sind. Ganz Unrecht hat er da ja nicht. Auch unser Jüngster hat natürlich schon Namen für seine zukünftigen Haustiere. Littlefood, Cera, Ducky, Spike und Petry. Beide Jungs sind tatsächlich davon überzeugt dass sie ihre Wunschtiere eines Tages bekommen. Ich selbst bin mir da noch nicht so sicher. Natürlich möchte ich dass sie lernen Verantwortung zu übernehmen, aber kleine Kinder können so Sprunghaft sein. Vielleicht sind sie von den Tieren gelangweilt sobald sie welche haben. Und dann müssen wir uns drum kümmern. Was heißt ich muss mich drum kümmern da mein Mann den ganzen Tag arbeitet. Ich arbeite zwar auch, aber von Zuhause aus. Wobei ich unseren Söhnen ja zugute halten muss dass ihre Tiervorlieben seit Jahren konstant sind.

„Wir sind da". Die Stimme meines Mannes und der Jubel der Kinder holen mich in die Gegenwart zurück. Mein Blick wandert zu dem großen Schild über dem Eingang, Idris-Zoo. Nur mit Mühe unterdrücke ich ein abfälliges Schnauben. Die Stadt Idris und ihre Bewohner sind irgendwie davon besessen ihren Stadtnamen überall einzubringen. Es gibt die Idris-Bibliothek, das Idris-Cafe, die Idris-Bäckerei, die Idris-Grundschule...... Alec's Familie stammt von hier, erst als Alec 15 Jahre alt war ist er mit seinen Eltern nach NewYork gezogen. Seinem Vater wurde damals die Leitung des NewYorker Polizeipräsidiums angeboten. Ach ja, ein Idris-Polizeirevier gibt es natürlich auch. Aber Robert hatte es gereizt für eine Weile in NewYork zu leben. Gott sei Dank, sonst hätte ich Alec wohl nicht kennen gelernt, was seinen Eltern vermutlich lieber gewesen wäre. Aus einem nicht mehr nachvollziehbaren Grund vertritt man in Idris der Meinung dass man nur etwas Wert ist wenn man hier geboren wurde, bzw. die Familie von hier stammt. NewYorker und andere „Ausländer" dürfen gerne zu Besuch kommen und ihr Geld hier lassen aber ansonsten ist kein Kontakt erwünscht.

Ironischer Weise sind wir vor 2 Wochen hier her gezogen da Alec für das Idris-Institut angeworben wurde. Und nun hat sich deren Einwohnerzahl um 2 Waschechte NewYorker erhöht, Max und mich. Rafael's verstorbene Familie stammt tatsächlich von hier. Daher ist er überall ein gern gesehener Gast. Unser Jüngster und ich werden mehr oder weniger ignoriert. Ich bin gespannt was passiert wenn die Schule wieder los geht. Rafael wird bestimmt keine Probleme bekomme, aber Max? Innerlich hoffe ich dass die Kinder in Idris vielleicht noch nicht so stur sind wie ihre Eltern und Großeltern. Doch damit möchte ich mich heute noch nicht befassen. Die letzten Schulfreien Tage sollen uns allen nur Freude bereiten. Außerdem hatte ich mir selbst versprochen dass ich Idris, meinem Mann zu Liebe, eine Chance gebe. Er hat sich so sehr über das Arbeitsangebot des Instituts gefreut. 

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