Das Wohl der Kinder steht an erster Stelle Teil 13 (49)

241 31 13
                                    

Max's Sicht

„Eine Fünf? Wie ist das denn passiert? Du hast doch so viel mit Raf geübt", verlangt mein Vater nach einer Erklärung. Betrübt starre ich auf den Esstisch und betrachte den Brandfleck den ich mit einer Kerze verursacht habe.

„Halloooo, jemand zu Hause", ertönt es plötzlich fragend aus dem Flur, begleitet von einer zufallenden Tür. Erschrocken fahren unsere Köpfe herum bevor wir begeistert aufspringen und jeder von uns versucht als erster zu dem Besitzer der Stimme zu gelangen. „Cat / Tante Cat, was machst Du denn hier?" rufen wir im Chor, während Rafael und ich auf sie zustürmen. Cat geh in die Knie und zieht uns in eine feste Umarmung. „Es ist so schön euch endlich wieder zu sehen. Brooklyn ist ohne euch nur halb so schön", flüstert sie uns zu. Es dauert eine weile bis sie uns aus ihren Armen entlässt und wir unsere Glieder entwirren. Sie geht lächelnd zu unserem Dad und umarmt ihn ebenfalls, wenn auch viel kürzer. „Magnus hat mich angerufen und um Hilfe gebeten. Ich war gerade bei ihm im Krankenhaus. Er hat mir seinen Schlüssel mitgegeben falls ihr nicht da seid", erklärt sie uns.

„Aber bisher hat doch alles super geklappt", merkt unser Vater verwirrt an. Rafael entkommt ein Schnauben was er gerade noch in ein Husten umwandeln kann. Tante Cat sieht unseren Dad nur mitleidig an. Dieser räuspert sich und fordert sie auf doch erst einmal richtig rein zu kommen. „Um Himmels Willen, was ist denn hier passiert?", ruft sie entsetzt aus als sie das Wohn-und Esszimmer betritt. Ihrem Blick folgend stelle ich zum ersten Mal fest dass es wirklich sehr chaotisch aussieht. Auf dem Esstisch liegen überall verteilt Dads Papiere, und irgendwo unter dem Haufen befindet sich sein Laptop. Er kommt zwar im Moment früher nach Hause, arbeitet dafür aber hier bis spät in die Nacht. Wir haben ihn morgens des öfteren schlafend am Tisch gefunden. Dann haben wir ihm eine Decke um die Schultern gelegt und in der für alle Toastbrot vorbereitet. Wir haben ihn erst kurz bevor wir zur Schule mussten geweckt und ins Bad gescheucht. Da wir nach der Schule mehr oder weniger uns überlassen waren haben wir zwar Hausaufgaben gemacht aber es ansonsten ausgenutzt dass uns niemand zum aufräumen auffordert. Unter dem Wohnzimmertisch haben wir eine Bude gebaut, wofür auch einige Sofakissen benutzt wurden. Überall im Zimmer ist Spielzeug verteilt. Der Fußboden ist mit den dicken Sofapolster dekoriert weil wir Safari gespielt haben. Der Boden war das Wasser und die Polster Felsen auf die wir springen mussten um zur Couch/Insel zu gelangen. Durchs Wasser konnten wir natürlich nicht gehen, das war wegen den darin lebenden Krokodilen viel zu gefährlich. Dad kratzt sich verlegen am Nacken. Ich ahne schon was gleich kommt und hasse es dass ich Recht behalte. „Also los", klatscht Cat in die Hände. „Ihr Jungs holt euch Wäschekörbe packt euer Spielzeug da rein und transportiert es in eure Zimmer. Alec, Du räumst zuerst den Tisch auf und danach schnappst Du Dir den Staubsauger".

„Aber die Sachen brauche ich doch no...", setzt Dad an wird aber durch Tante Cats Blick gestoppt. Unheimlich wie sehr sie diesen Blick perfektioniert hat so dass selbst Erwachsene tun was man ihnen sagt. Sogar die Ärzte im Krankenhaus, wo Tante Cat arbeitet, wagen es nicht ihr zu widersprechen. Letztes Jahr wurde sie zur Oberschwester befördert. Papa witzelt immer dass sie das inoffiziell schon seit Jahren ist.

Als sie sich wieder zu uns dreht rennen wir sofort los, bevor sie noch etwas sagen kann sind wir schon auf dem Weg um die Körbe zu holen. Die saubere Wäsche die noch da drin ist kippen wir kurzer Hand aufs Bett unserer Eltern. Wenn wir die auf den Boden werfen gibt es bestimmt Ärger. Gemeinsam sammeln wir unsere Sachen in der ganzen Wohnung ein. Ich habe gar nicht bemerkt wie sehr wir uns ausgebreitet haben. Papa hätte das niemals zu gelassen. Bei Dad durften wir das zu Brooklynzeiten allerdings auch nicht. Erst seit wir hier in Idris fest hängen achtet er nicht mehr so sehr darauf was wir tun. Deswegen ist Papa vermutlich auch so verärgert. Er versucht es zwar nicht zu zeigen aber wir haben zufällig mal mitbekommen wie er sich während eines Telefonats mit Onkel Ragnor beschwert hat dass Dad so selten da ist und viel vergisst. Er ist darüber sehr traurig scheint aber noch die Hoffnung zu haben dass es nur eine schwierige Anpassungsphase ist.

Mittlerweile sind alle Sachen wieder in unseren Zimmern, allerdings noch nicht vollständig verstaut. Dad wurde vor einer Weile zur Arbeit gerufen und ist somit vorerst vom aufräumen befreit. Als ich gerade meine Stofftiere auf dem Bett anordne tritt Cat durch die offene Tür. In der Hand hält sie einen Zettel der verdächtig nach meiner Klassenarbeit aussieht. „Max, was ist das? Das sieht Dir gar nicht ähnlich", bemerkt sie besorgt und wedelt mit dem Test vor meiner Nase herum.

„Ich hab mit ihm geübt", ertönt Rafs' Stimme von der Tür her. „Er hat alle Antworten gewusst". Beide sehen mich fragend an.

„Ich.......", druckse ich herum. „Es.......". „Der Lehrer..".

Unsere Tante kommt zu mir, setzt sich aufs Bett und klopft auffordernd neben sich. „Setz Dich. Und dann fang noch mal langsam von vorne an", stoppt sie mein Gestotter. Seufzend kletter ich aufs Bett und schnappe mir ein Kissen das ich fest an mich drücke. Rafael gesellt sich ebenfalls zu uns.

„Ich habe so viel für die Arbeit gelernt, aber dann kam der blöde Unfall und ich konnte nicht schreiben und musste unserem blöden Lehrer die Antworten diktieren aber er hat einfach etwas anderes aufgeschrieben, aber das wird mir doch niemand glauben, ich bin doch nur ein Kind und er ein Lehrer", sprudelt alles aus mir heraus.

Jetzt wo ich erst einmal angefangen habe zu reden kann ich gar nicht mehr aufhören. Dicke Tränen fließen unkontrolliert über mein Gesicht. Ich erzähle Cat alles was seit unserer Ankunft passiert ist. Ihre Augen werden immer größer, genau wie ihr sprachloses Entsetzen. Rafael holt zwischendurch scharf Luft was mich daran erinnert dass er nichts von dem Schwimmbadunfall wusste. Unsere Tante hat uns irgendwann in ihre schützenden Arme gezogen und lässt mich einfach reden. Es tut gut endlich alles los zu werden. Am Ende kann ich nur noch flüstern: "Ich möchte nach Hause".

Malec  Kurzgeschichten 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt