Das Wohl der Kinder steht an erster Stelle Teil 10 (46)

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Max' Sicht:

Ich muss irgendwann beim Fernseh gucken eingeschlafen sein denn Rafaels Stimme holt mich langsam aus der Traumwelt zurück. Anscheinend ist er bei Papa in der Küche, was er erzählt kann ich nicht verstehen. Noch nicht ganz wach strecke ich meine Glieder aus und gähne nochmal herzhaft bevor ich die Decke vor die Couch werfe. Das Kühlpack, das ich vergessen habe, wird von der Decke mitgezogen und rutscht unter den Sessel. Egal, ich hebe es später auf. Wenn ich mich recht erinnere wartet irgendwo ein Schokoladenpudding auf mich. Behutsam setze ich den Fuß auf. Er tut noch weh aber nicht mehr so doll wie vorher. Langsam geh ich zu den anderen in die Küche. Rafael sitzt, mit dem Rücken zu mir, auf der Arbeitsplatte und erzählt von seinem Biologiereferat. Anscheinend darf sich jeder ein Tier aussuchen über dass er schreibt und später einen Vortrag hält. Ich bin mir ziemlich sicher dass ich weiß welches Tier er wählt, auch wenn ich den Anfang ihres Gesprächs nicht mitbekommen habe.

Plötzlich überschlagen sich die Ereignisse. Grinsend rufe ich aus: „Ich wette Du hast Dir direkt die Schildkröten gesichert", als Papa einen Topf mit kochendem Wasser vom Herd nimmt. Rafael, der mich nicht bemerkt hat zuckt vor zusammen und schmeißt dass Kochbuch das neben ihm liegt von der Platte. Durch den Aufprall vom Buch erschreckt dreht Papa sich, mit dem Topf noch in der Hand um, tritt genau auf das Buch, rutscht aus und landet auf dem Boden. Der Pott landet neben seinem Bein und das Wasser spitzt in alle Richtungen.

Papa liegt wie ein Käfer auf dem Rücken und verzieht sein Gesicht schmerzhaft. Rafael hüpft von der Theke und kniet sich neben ihn während ich, noch wie erstarrt, an der selben Stelle stehe. Erst als Rafael ruft: „Papa, Papa, geht es Dir gut", fällt mir wieder ein wie man sich bewegt. Sofort stürme ich zu den Beiden, mein eigener Fuß ist vergessen.

„Papa, bist Du in Ordnung? Kannst Du aufstehen? Sollen wir Dir hoch helfen", plappere ich drauf los. Unser Vater scheint unsere Panik zu bemerken und atmet ein paar mal tief durch bevor er versucht sich aufzusetzen, was anscheinend nicht so einfach ist. Mein Bruder und ich versuchen ihn so gut es geht zu unterstützen. Trotzdem hat seine Stirn einen leichten Schweißfilm als er endlich in sitzender Haltung am Küchenschrank lehnt und sein Bein umklammert.

Eine Weile sitzen wir einfach nur neben Papa, streicheln ihm mitfühlend über die Schultern und warten dass der Schmerz nach lässt und er wieder aufstehen kann. Irgendwann wendet er sich an Rafael und spricht leise. „Bitte hab keine Angst. Aber ich denke ich muss einen Krankenwagen anfordern. Kannst Du mir bitte mein Handy geben und dann bitte vom Festnetz euren Vater anrufen, ihm sagen was passiert ist. Er soll ins Krankenhaus kommen".

Rafael nickt tapfer und rennt ins Wohnzimmer um beide Telefone zu holen. Mit zitternden Fingern reicht er Papa sein Handy bevor er mit dem anderen Dad anruft. Ich bekomme nur beiläufig mit wie Papa mit jemandem spricht und erzählt was passiert ist. Es ist als ob ich kurz vorm einschlafen bin und alles nur noch durch Watte höre. Mein Gehirn scheint nur noch mit halber Kraft zu arbeiten. „Dad nimmt nicht ab", berichtet Rafael.

„Nicht schlimm. Wir kriegen das hin", versucht Papa uns zu beruhigen. „Rafael hol bitte die kleine lila Reisetasche aus meinem Kleiderschrank und pack da mein Portemonnaie, Handy, Zahnbürste, Zahnpasta und Unterwäsche rein. Und am besten noch einen Block, damit ich eurem Vater aufschreiben kann was ich brauche falls ich ein paar Tage bleiben muss. Sonst vergisst er die Hälfte".

Gerade als er mit der Tasche in die Küche kommt klingelt es an der Tür. Rasch läuft er zurück in den Flur und lässt die Sanitäter herein. Zügig kommen zwei Männer auf uns zu und schieben mich sanft zu meinem Bruder, der direkt seinen Arm um mich legt. Behutsam schneiden sie Papas Hosenbein auf und betasten vorsichtig sein Bein. „Ich fürchte das ist gebrochen Mr. Lightwood-Bane. Sie müssen leider mit kommen. Ist jemand hier der sich um die Kinder kümmern kann", möchte der rothaarige Sanitäter wissen.

„Nein", krächzt Papa. „Mein Mann ist arbeiten und geht nicht ans Telefon".

„Das macht nichts. Seid ihr zwei schon mal mit einem Krankenwagen gefahren", will er von uns wissen. Wir schütteln beide schüchtern den Kopf. „Ich bin übrigens Ernst", stellt er sich vor, während er und sein Kollege Papa auf eine Liege schieben und fest schnallen. „Und der lange Lulatsch da ist Berthold", erklärter auf seinen blonden Kollegen zeigend. „Ihr dürft auch Ernie und Bert zu uns sagen, das tun die meisten". Kurz auflachend lächel ich ihn schüchtern an.

„Ich bin Max, das ist mein großer Bruder Rafael und das ist unser Papa. Mein Dad nennt ihn Magnus oder Schatz. Aber ich denke es ist besser wenn ihr ihn Magnus nennt", erkläre ich ihnen ernsthaft woraufhin die Erwachsenen loslachen. Vor lauter Lachen brauchen sie zwei Anläufe um die Trage hoch zu heben.

Immer noch grinsend ordnet Ernie den Aufbruch an. „Los geht's Jungs. Unser Chauffeur wartet vor der Tür".

Wir dürfen vorne neben dem Fahrer sitzen der uns die einzelnen Knöpfe am Armaturenbrett erklärt während er sicher zwischen den Autos und diversen Hindernissen durchfährt. Es sieht toll aus wie die Autos vor uns aus dem Weg eilen. Es hat etwas von einer bunten Schafherde, die sich für uns teilt. Im Nu sind wir am Krankenhaus, im Nachbarort, angekommen. Idris selbst hat keines. Jemand öffnet von außen die hinteren Autotüren und zieht die Trage heraus. Ernie kommt zu uns und hebt uns nacheinander vom Sitz. Er nimmt unsere Hände und wir folgen den Krankenpflegern die unseren Vater durch die Gänge schieben. Vor einer Tür mit der Aufschrift -Röntgen- hält einer der Pfleger uns auf. „Hier dürft ihr nicht rein".

Wir setzen auf die Stühle gegenüber der Tür und starren sie gebannt an. Nach einer Weile kommt Bert mit der Reisetasche und gesellt sich zu uns. „Ich habe den Chef eures Vaters erreicht, er hat versprochen euren Dad sofort zu informieren", erklärt Bert seine Abwesenheit. Gemeinsam fixieren wir die Tür während Ernie versucht uns mit Geschichten über lustige Vorfälle abzulenken.

Malec  Kurzgeschichten 2Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt