Kapitel 28

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Die nächsten paar Tage vergingen und immer, wenn Anna mit Adrian Zeit verbrachte und so taten, als ob sie Schach oder ein Kartenspiel spielten, planten sie in Wirklichkeit ihre Flucht. Doch so einfach war es nicht. Sie wussten zwar, wie sie das Anwesen am besten heimlich verlassen konnten, aber sie wussten noch nicht, wann der beste Zeitpunkt war. Ausserdem wussten sie nicht, wohin sie dann gehen mussten. Sollten sie zur Polizei gehen oder lieber bei einer privaten Person um Hilfe bitten? Bors war einflussreich und Anna wusste nicht, ob er bei der Polizei Freunde hatte. So wurden aus den Tagen wieder Wochen und die Hochzeit rückte immer näher, welche Anna weiterhin mit gespielter Freude organisierte. Sie spielte ihre Rolle immer noch perfekt, doch sie konnte nicht verhindern, dass ihr immer öfters übel wurde und sich öfters übergeben musste. Oft war der Gedanke über die bevorstehende Hochzeit der Grund, doch nun geschah es öfters, nachdem sie Bors küsste oder er sie berührte. Sie schaffte es zwar immer sich erst zu übergeben, wenn Bors schon weg war, doch wie lange konnte sie es noch vor ihm verbergen? Sie wusste, dies war das Zeichen ihres Körpers und ihrer Seele, dass es nun genug war. Doch sie musste noch eine Weile durchhalten. Sie war froh, dass es noch nie nach dem Sex mit Bors passiert war. Wieso wusste sie selbst nicht. Wichtig war, dass Bors und Steven nichts bemerkten, wobei, bei Steven hatte Anna das Gefühl, dass er etwas vermutete. Anna sass auf einem Gartenstuhl im Garten vor dem Pool und dachte über den Fluchtplan nach, während sie die späte Morgensonne mit einer Zigarette genoss. Adrian wollte, dass Anna Steven in den Fluchtplan einweihte, doch Anna wollte nicht, dass Steven erneut mit sich selbst in Konflikt stand. Sie wollte ihn nicht vor die Wahl stellen, sein Vater oder sie. Vielleicht weil sie Angst vor dem Ergebnis hatte, schliesslich war Steven wie ein grosser Bruder für sie.
„Hey meine Geliebte."
Anna drehte sich nach Bors Stimme um, dieser kam gerade aus dem Büro und lief zu ihr.
„Mein Geliebter.", schnurrte Anna gespielt, als er sie erreichte und zerdrückte ihre Zigarette im Aschenbecher. „Bist du mit der Arbeit bereits fertig?"
„Nein, leider nicht.", antwortete Bors und zog sie vom Stuhl in seine Armen. „Ich werde heute nicht so schnell mit der Arbeit fertig sein."
„Schade.", sagte Anna traurig.
„Ich habe heute Mittag ein Treffen, also bin ich später dann weg.", informierte Bors sie. „Aber Steven ist hier und wird später vielleicht Zeit für dich haben."
„Es wäre schön mal wieder ein wenig Zeit mit Steven zu verbringen.", meinte Anna lächelnd. „Noch schöner wäre es mit dir."
„Wir werden bald wieder mehr Zeit haben.", erwiderte Bors, er streichelte sanft ihr Gesicht. „Wir sehen uns heute Abend."
Bors küsste sie leidenschaftlich, dann liess er sie los und ging mit charmantem Lächeln zurück in sein Büro. Anna setzte sich wieder und wollte sich eine neue Zigarette anzünden, als ihr übel wurde. Schnell stand sie auf und rannte ins Gäste Bad, wo sie sich dann im Klo übergab. Sie verliess das Bad sobald sie glaubte, dass nichts mehr herauskommen würde und stieg langsam die Treppe hinauf.
„Anna, warten Sie einen Moment."
Anna drehte sich um und sah Rick auf sie zukommen.
„Akio Takahashi, ihr Hochzeitsplaner ist am Telefon.", informierte er sie und hob sein Handy in die Höhe. „Er hat ein paar Fragen wegen der Musik."
„Tut mir leid Rick, sag ihm ich fühle mich gerade nicht wohl und würde ihn später anrufen.", wimmelte Anna ihn ab, dieser Hochzeitsplaner hatte ihr gerade noch gefehlt.
„Ist alles in Ordnung?", fragte Rick besorgt.
„Alles bestens, mir ist nur ein wenig übel, das ist alles.", meinte Anna und stieg weiter die Treppe hoch. Sie hörte wie Rick, Akio vertröstete und Anna wurde schon wieder übel. Rasch ging sie in die Suite, hetzte sich in ihr Bad und übergab sich erneut. Als es vorbei war, setzte sie sich auf den Boden und lehnte sich erschöpft an die Fliesenwand. Sie fühlte sich hundeelend und schwach. Anna wusste, sie musste mit diesem Spiel aufhören, doch aufhören konnte sie erst, wenn ihre Freunde nicht mehr in Bors Gewalt standen. Sie musste so schnell wie möglich mit Adrian die Flucht ergreifen. In weniger als zwei Monaten war die Hochzeit. Anna wurde wieder übel und sie musste sich erneut übergeben. Sie hörte nicht wie die Tür geöffnet wurde, so bemerkte sie Steven erst, als sie spülte. Sie lehnte sich zurück an die Wand und blickte Steven erschöpft an. Er schaute sie besorgter an denn je.
„Was schaust du so Steven, du hast mich schon in schlimmerer Verfassung gesehen.", murmelte Anna erschöpft. Steven antwortete nicht, sondern nahm aus dem Badschrank einen Waschlappen und machte diesen nass. Dann kniete Steven neben sie und tupfte ihr sanft mit dem kalten, nassen Lappen über die Stirn.
„Rick denkt, dass du schwanger bist.", liess Steven sie wissen. „Er hat dich oft rennend ins Bad gehen sehen und dann hast du immer leicht blass das Bad wieder verlassen."
„Wann hat er es das erste Mal gesehen?", fragte sie leise, während Steven ihr ganzes Gesicht sanft mit dem kalten, nassen Lappen abtupfte.
„Letzte Woche.", antwortete Steven ruhig. „Bors glaubt auch, dass du schwanger bist."
„Und wenn schon, sollen sie glauben, dass ich schwanger bin.", flüsterte Anna und schloss die Augen.
„Anna sieh mich an.", forderte Steven mit liebevoller Strenge und hörte auf ihr Gesicht zu betupfen. Was sie nicht erfreute, da es ihr gut tat, also öffnete sie widerwillig ihre Augen und blickte müde in Stevens graue Augen.
„Wir beide wissen, dass du nicht schwanger bist. Du weisst wieso du dich tagtäglich übergeben musst, oder nicht?"
„Ja.", flüsterte Anna.
„Dann hör auf damit!"
„Ich kann nicht."
„Anna, ich habe dich in der Tat schon in schlimmerer Verfassung gesehen, aber das hier fügst du dir selbst zu. Hör auf mit der Schauspielerei!", verlangte Steven energisch.
„Ich kann nicht.", wiederholte Anna leise. „Ich bin fast am Ziel."
„Du wirst in diesem Zustand niemals an dein Ziel gelangen. Dein Körper erträgt dieses Spiel nicht bis zur Hochzeit. Hör auf damit!"
Anna wusste, dass sie Steven doch noch in die Fluchtpläne einweihen musste und hoffte, er würde sich für sie entscheiden und nicht für seinen Vater.
„Die Hochzeit war nie das Ziel. Das Ziel war immer eine Flucht zu zweit.", offenbarte Anna Steven. „Adrian und ich arbeiten seit Wochen an einem Fluchtplan."
„Wieso seid ihr dann noch hier?", wollte er wissen, er schien nicht erbost zu sein, dass sie es ihm erst jetzt erzählte. „Wieso seid ihr nicht schon auf der Flucht?"
„Weil wir nicht wissen, wo wir Hilfe holen können. Wir wissen nicht wohin. Wir kennen uns hier nicht aus, aber du schon Steven.", flüsterte Anna verzweifelt und plötzlich kam alles in ihr hoch. Die Verzweiflung, die Angst, den Schmerz, den sie ertragen musste und Tränen rannen ihr über die Wangen.
„Steven bitte, hilf uns! Hilf mir!", schluchzte Anna. „Ich kann nicht mehr! Ich will nicht mehr! Bitte hilf mir Steven!"
Steven setzte sich auf den Boden und nahm sie in den Arm.
„Beruhige dich Kleines.", flüsterte er und drückte sie an sich. „Beruhige dich. Ich krieg dich hier raus, kleine Schwester. Ich kriege dich raus."

Gefangen im Schatten der Liebe - Wieso ich?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt