Kapitel 27

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Anna genoss die Dusche. Nachdem sie sich dreimal eingeseift hatte, fühlte sie sich endlich wieder sauber, trotzdem blieb sie noch eine Weile unter dem Wasserstrahl. Sie liess das warme Wasser über ihren Körper laufen, spülte den gestrigen Schmutz weg. Zwei Mal musste sie sich gestern Bors hingeben. Sie wusste selbst nicht, wie sie es immer wieder hinkriegte mit diesem Mann zu schlafen, aber sie schaffte es und nach jedem Mal verlor sie ein Stück von sich selbst. Doch sie glaubte daran, dass sobald sie alle wieder frei waren, würde sie alles wieder zurückbekommen, was sie geopfert hatte. Sie schaltete das Wasser ab, stieg aus der Dusche, trocknete sich ab, cremte sich mit Bodylotion ein und zog sich dann an. Sie zog den weissen, rückenfreien Jumpsuits mit den weit ausgeschnittenen Hosen an, sie mochte dieses Kleidungsstück, dann föhnte sie sich noch die Haare. Bevor Anna das Zimmer verliess, sammelte sie sich noch einmal, denn heute musste sie Adrian überzeugen, dass sie Bors liebte. Dass sie glücklich war. Vorerst. Mit gespielt fröhlicher Miene verliess sie ihr Zimmer und ging in die Küche.
„Guten Morgen zusammen.", grüsste Anna Steven und Bors. Beide grüssten freundlich zurück, Anna küsste Bors flüchtig und machte sich dann eine Tasse Kaffee.
„Bevor du Adrian triffst, Anna, möchte ich zuerst noch ein paar geschäftliche Dinge erledigen.", meinte Bors. „Aber ich denke so nach der Mittagszeit wäre es dann soweit. Ist das für dich in Ordnung?"
„Natürlich, nimm dir Zeit.", erwiderte Anna lächelnd, nahm ihre Tasse Kaffee und ging zu Bors.
„Wunderbar.", sagte Bors, stand auf und küsste sie kurz. „Ich hole dich dann. Bis später."
Bors verliess die Suite und Anna blickte ihm nach. Sie musste sich noch gedulden, bevor sie Adrian endlich wieder sehen konnte. Zusammen mit Steven ging sie hinaus auf den Balkon, um eine Zigarette zu rauchen.
„Sei beim Treffen mit Adrian vorsichtig.", sagte Steven, nach ein paar Zügen.
„Ich bin doch immer vorsichtig.", erwiderte Anna stirnrunzelnd.
„Sei noch vorsichtiger als sonst.", meinte Steven nachdrücklich. „Es gibt einen Grund wieso Bors doch noch zugestimmt hat."
Anna nickte, Steven hatte recht, sie musste wirklich sehr vorsichtig sein. Sie rauchten beide fertig, dann gingen sie ins Wohnzimmer.
„Ich sollte mich auch noch um ein paar Dinge kümmern, bevor ich abreise.", informierte Steven Anna.
„Bist du wirklich bis Freitag weg?", fragte Anna leise.
„Ja, leider schon.", antwortete Steven und fügte dann, als er ihr bestürztes Gesicht sah, hinzu. „Tut mir leid Kleines, aber du kriegst das alles schon hin. Ich werde mich verabschieden, bevor ich abfahre. Versprochen!"
Er lächelte ihr Mut zu und Anna erwiderte sein Lächeln, dann verliess er die Suite und liess sie allein zurück. Um sich die Zeit zu vertreiben und um nicht an das bevorstehende Treffen mit Adrian zu denken, schaltete Anna den Fernseher ein. Sie zappte zuerst wahllos durch die Sender, bis sie bei einer Tierdokumentation stehen blieb. Als die Uhr fast Mittag zeigte, wurde Anna zunehmend nervöser. Immer wieder blickte sie auf die Uhr. Sie konnte es kaum noch erwarten, Adrian wieder zu sehen. Da sie immer nervöser wurde beschloss Anna, eine Zigarette zu rauchen. Sie ging auf den Balkon und zündete sich sogleich eine an. Sie musste die Fassung bewahren, Bors durfte nichts davon merken. Nach der Zigarette war Anna immer noch ein wenig nervös, sie setzte sich wieder vor dem Fernseher und atmete ein paar Mal tief durch. Sie versuchte sich zu beruhigen, in dem sie immer wieder ein paar Mal tief durchatmete, während sie weiter die Dokumentation im Fernseher verfolgte und nicht auf die Uhr blickte. Somit verstrich die Zeit und als Bors sie holte, war es bereits nach dreizehn Uhr.
„Dreh nicht durch, wenn ich Adrian umarme. Er ist nur ein Freund und ich habe ihn schon lange nicht mehr gesehen.", erklärte Anna Bors, als sie die Suite verliessen.
„Ich werde mich zurückhalten.", meinte Bors lächelnd und nahm ihre Hand in seine. Anna erwiderte sein Lächeln und sie wurde wieder ein wenig nervös, hoffte aber, dass Bors es nicht merkte. Hand in Hand stiegen sie gemeinsam die Treppe hinunter. Sie waren mitten auf der Treppe, da konnte Anna Adrian bereits sehen. Er stand wartend vor der Kellertür, Jack stand eine Armlänge von ihm entfernt und James stand vor der Eingangshalle. Beide blickten angespannt, als ob sie mit einem Fluchtversuch rechnen würden. Am liebsten wäre Anna zu Adrian hingerannt, aber das konnte sie nicht tun, also unterdrückte sie diesen Drang. Sie rief sich in Gedanken zurück, was heute ihr Ziel war. Nämlich Adrian glauben zu lassen, dass sie Bors liebte und nicht ihn.
„Adrian.", rief Anna freudig, als sie und Bors ihn fast erreicht hatten. Adrian drehte sich um und Anna konnte sehen, wie sich sein Kiefer anspannte, als er sie Hand in Hand mit Bors sah. Sie liess Bors Hand los und umarmte Adrian, welcher ganz überrascht reagierte.
„Wie schön dich wieder zu sehen.", sagte Anna, als ob sie sich unter normalen Umständen treffen würden und nicht in diesem Haus gefangen waren.
„Ich freue mich auch dich wieder zu sehen Anna.", erwiderte Adrian ihre Begrüssung, aber ihre Umarmung erwiderte er nicht. Es verletzte Anna, doch sie liess es sich nicht anmerken.
„Komm, lass uns in den Salon gehen und ein wenig plaudern.", meinte Anna freudig und zeigte in die Richtung des Salons, dabei blickte sie Bors an und lächelte ihn liebevoll an. Bors wirkte ein wenig angespannt, erwiderte jedoch ihr Lächeln. Sie gingen in den Herrensalon, wobei Jack vor der Tür stehen blieb und Bors sich an der Bar in der Ecke setzte. Anna ging mit Adrian zu der Polstergruppe vor dem Kamin. Adrian setzte sich steif in das Sofa, während Anna sich auf einen Sessel setzte, so dass sie Bors unauffällig im Auge behalten konnte.
„Willst du etwas trinken?", fragte Anna ganz beiläufig. „Vielleicht ein Glas Wein?"
„Nein Danke.", antwortete Adrian knapp.
„Wirklich nicht? Ich habe das Gefühl, dass wir alle hier ein Glas Wein vertragen könnten.", meinte Anna und blickte zu Bors der sehr angespannt wirkte.
„Du hast recht Geliebte, ich glaube wir könnten alle einen Schluck Wein gebrauchen.", stimmte Bors ihr zu und wandte sich zu Jack. „Jack, sag William wir hätten gerne eine Flasche Weisswein."
„Danke Geliebter.", sagte Anna liebevoll zu Bors und sah, dass Adrian die Lippen zusammenpresste. Sie sah auch, dass er andere Kleidung trug, als sie ihn das letzte Mal gesehen hatte. Eine saubere Jeans und ein weisses Poloshirt, wobei das Shirt ihm ein wenig zu gross war. Adrian sah ordentlich aus, er sah nicht verhungert aus und weder müde noch misshandelt. Trotzdem hatte Anna das Gefühl, dass er ein wenig krank aussah, aber sie war froh ihn endlich wieder zu sehen, den Menschen, welchen sie wirklich liebte.
„Wie geht es dir?", fragte Anna lächelnd, als ob sie beide keine Gefangenen wären.
„Es geht mir gut.", meinte Adrian und versuchte zu lächeln. „Mir geht es gut. Ob du es glaubst oder nicht, aber ich werde gut behandelt."
„Natürlich glaub ich dir das!", äusserte sich Anna lachend. „Bors ist schliesslich kein Unmensch. Er ist ein guter, liebevoller Mann mit einem leicht aufbrausenden Temperament."
„Leicht aufbrausend?", sagte Adrian ungläubig.
„Ja.", meinte Anna und beobachtete wie William eine Flasche Weisswein mit drei Gläsern brachte.
„Leicht aufbrausend?", wiederholte Adrian.
„Du kennst Bors nicht.", verteidigte Anna Bors, wohlwissend dass dieser zuhörte. „Ich weiss, du denkst ich bin verrückt, weil ich das sage, aber Bors hat sich verändert und ich auch. Wir lieben uns."
Adrian blickte sie entsetzt und verletzt an, sodass Anna ihm kaum noch in die Augen schauen konnte. Es schmerzte sie, Adrian so zu verletzen, aber es musste sein. Sie stand auf und ging zu Bors an die Bar. William hatte die Flasche geöffnet und bereits eingeschenkt, auf ein Kopfzeichen von Bors verliess William den Salon. Anna lächelte Bors an, bevor sie zwei gefüllte Gläser von der Bar nahm und wieder zu Adrian ging. Sie überreichte ihm ein Glas Weisswein, welches er zögernd nahm und setzte sich wieder auf den Sessel.
„Ich liebe ihn und deswegen werde ich Bors heiraten.", offenbarte Anna Adrian mit gespielt glücklichem Ausdruck. Adrian blickte sie voller Entsetzen an, es war völlig ruhig im Salon, dann stand Adrian auf und drehte sich zu Bors um. Anna konnte sehen, wie angespannt Bors war, so wie sie selbst. Was hatte Adrian vor?
„Dann wären wohl Glückwünsche angebracht?!", presste Adrian angespannt hervor.
„Das wäre angebracht.", meinte Bors und lächelte ein wenig listig.
„Na dann, herzlichen Glückwunsch euch beiden.", sagte Adrian im leicht spöttischen Ton und hob das Glas. „Auf das glückliche Paar!"
Bors hob ebenfalls sein Glas, wobei er Adrian spöttisch belächelte, dann tranken beide aus ihrem Glas. Adrian drehte sich wieder zu Anna um und schaute sie verstimmt an.
„Bist du glücklich?", fragte er sie.
„Ja, das bin ich.", antwortete Anna, ohne zu zögern und lächelte glücklich. Adrians Kiefermuskeln spannten sich an, doch er sagte nichts, er nickte einfach und setzte sich wieder auf das Sofa.
„Und hast du dein Traumkleid schon gefunden?", fragte Adrian, ohne sie anzuschauen und trank wieder ein Schluck aus seinem Glas. Anna wusste, dass es ihn ziemlich wenig interessierte, was für ein Kleid sie bei der Hochzeit tragen würde. Er fragte nur, weil er ein Gespräch anfangen wollte.
„Ich habe noch kein Kleid, aber nächste Woche kommt Yuma vorbei und wird mir ein paar Kleider präsentieren.", erzählte sie und tat so als könnte sie es kaum erwarten.
„Wer ist Yuma?", wollte Adrian wissen.
„Yuma ist ein alter Freund von Bors und mein Stylist. Er ist der Beste des Landes.", erzählte Anna, wobei sie unauffällig zu Bors linste, welcher immer noch beobachtete. „Er ist auch mein Freund geworden."
Während Anna mit gespielter Begeisterung von ihrer bevorstehenden Hochzeit erzählte - Adrian gab hie und da einen Vorschlag ab, ansonsten hörte er zu - wurde Bors in dieser Zeit zwei Mal angerufen, wobei er beide Male den Salon verliess, um in Ruhe zu telefonieren.
„Hast du Lust eine Partie Schach zu spielen?", fragte Anna, gerade als Bors wieder in den Salon kam.
„Ich kann kein Schach spielen.", meinte Adrian nicht gerade freundlich und leerte sein zweites Glas Weisswein.
„Ich kann es dir beibringen, wenn du magst.", erwiderte sie freundlich, sie konnte es ihm nicht verdenken, dass er distanziert war, schliesslich hatte sie ihm ihre Liebe gestanden und nun liess sie ihn glauben, dass sie Bors liebte. Sie hoffte er würde zustimmen, denn ihr war es leid über eine Hochzeit zu sprechen, welche sie hoffte, dass sie niemals stattfinden würde. Adrian nickte, wirkte aber definitiv nicht begeistert.
„Ich hole das Schachbrett.", meinte Anna lächelnd und stand auf. Sie lächelte Bors zu, bevor sie den Salon verliess, um oben das Schachbrett zu holen. Schnell hastete sie die Treppe hoch und holte das Schachspiel vom Wohnzimmer, sie wollte Adrian nicht allzu lange mit Bors allein lassen. Wer weiss ob da nicht etwas passieren würde und so ging sie schnell wieder hinunter. Als Anna wieder im Salon war, sass Adrian immer noch, sein Weinglas war wieder gefüllt, ihres auch. Im Raum herrschte eine frostige Stimmung und Anna stellte das Schachbrett mit mulmigen Gefühl auf den Salontisch.
„Geliebte?"
Anna blickte zu Bors auf und er winkte sie zu sich. Lächelnd ging sie zu ihm an die Bar.
„Danke nochmals, dass du das hier zulässt.", bedankte sich Anna leise, so dass nur Bors sie hören konnte.
„Hauptsache du bist glücklich.", meinte Bors ebenfalls leise. „Ich werde jetzt wieder arbeiten gehen und euch allein lassen."
„Du lässt uns allein?", fragte Anna und hob die Augenbrauen.
„Ja, das tue ich. Ich habe gemerkt, dass ich damit leben kann, wenn Adrian dir Gesellschaft leistet.", antwortete Bors leise. „Er wird dich nicht bedrängen, das hat er mir versprochen und wenn doch, ist Rick immer in der Nähe."
„Danke Geliebter!"
Anna küsste Bors hingebungsvoll und er küsste inbrünstig zurück.
„Ich hole dich, sobald ich mit der Arbeit fertig bin.", informierte Bors sie und lächelte sie charmant an, bevor er den Salon verliess. Anna blickte ihm, mit ihrem gespielten verliebten Blick nach, bis er im Büro war, dann setzte sie sich zu Adrian zurück. Sie stellte die Figuren auf und beobachtete Adrian. Er wirkte auf sie missmutig und angespannt, was Anna nicht wunderte, immerhin musste er zusehen, wie sie mit Bors glücklich war. Natürlich war es für sie alles nur gespielt, aber das wusste Adrian nicht. Für ihn sah es aus, als ob Anna Bors wirklich lieben würde, so wie es für alle aussah. Nachdem sie alle Figuren aufgestellt hatte, erklärte sie Adrian wie Schach gespielt wurde. Es dauerte eine Weile, bis er alles verstanden hatte, aber schlussendlich war er soweit, seine erste Partie Schach zu spielen. Sie hatten gerade jeweils vier Züge gespielt, als Steven in den Salon trat. Überrascht hob Anna ihre Augenbraue nach oben, war irgendetwas nicht in Ordnung?
„Hey Kleines.", sagte Steven brüderlich und schaute dann Adrian freundlich an. „Hallo Adrian, wie geht es dir?"
„Hey Steven, es geht mir gut, soweit es mir hier eben gut gehen kann.", antwortete Adrian immer noch leicht missmutig, er bewegte seinen Springer und blickte dann zu Steven, dieser nickte verständlich.
„Ist etwas nicht Ordnung?", wollte Anna von Steven wissen.
„Nein.", meinte Steven stirnrunzelnd. „Ich komme, um mich zu verabschieden, so wie ich es versprochen habe und du anscheinend vergessen hast."
Anna schaute ihn entschuldigend an, denn sie hatte es in der Tat vergessen, dass Steven heute noch abreise.
„Tut mir leid Steven.", entschuldigte sie sich, sie bewegte einen Bauer, nur damit Adrian am Zug war und stand dann auf. „Ich war mit meiner Aufmerksamkeit und Gedanken ganz woanders."
„Ich weiss und so wie es aussieht, hat alles gut funktioniert.", erwiderte Steven lächelnd.
„Ja, das hat es.", bestätigte Anna ebenfalls lächelnd.
„Ich sollte jetzt losfahren.", meinte Steven, er umarmte sie und flüsterte noch leise in ihr Ohr: „Sei vorsichtig und tue nichts unüberlegtes."
„Mache ich, keine Sorge.", flüsterte Anna zurück, sie löste sich aus seiner Umarmung und wünschte ihm eine gute Fahrt.
„Vielen Dank. Tschüss ihr beiden.", verabschiedete sich Steven und verliess den Herrensalon. Anna konzentrierte sich wieder auf das Spiel, dabei blickte sie immer wieder zur Tür da sie das Gefühl hatte, beobachtet zu werden. Die erste Partie Schach konnte Anna für sich entscheiden, was aber nicht sonderlich schwer war, schlussendlich war Adrian Anfänger. Sie waren mitten in der zweiten Partie, als Bors in den Salon kam. Anna wusste, die Zeit mit Adrian war für heute vorbei.
„Wir sehen uns.", verabschiedete sich Anna von Adrian und stand auf, ohne das Spiel zu beenden oder irgendwelche andere Worte, als ob er ihr gleichgültig wäre. Lächelnd nahm sie Bors Hand und sie verliessen den Salon. Auf der Veranda wartete bereits Jack, um Adrian zurück in den Keller zu bringen. Anna freute sich bereits auf den nächsten Tag, einen weiteren Tag welchen sie mit Adrian verbringen konnte. Einen weiteren Tag welchen sie mit dem Mensch verbringen konnte, den sie wirklich liebte.

Gefangen im Schatten der Liebe - Wieso ich?Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt