Kapitel 7 - Die Boten

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Volle Fahrt voraus teilt das Luftschiff die Wolkendecke des einbrechenden Himmels. Nachtschleichers Wut scheint durch seinen Ernst besänftigt zu sein, doch irgendetwas beschäftigt ihn weiter. In ihm tobt ein Streit zwischen zwei Stimmen. Die eine, die von Anfang an „Verräter" schreit und die andere, die „Beeilung!" ruft. Eine dritte Stimme ist seitdem er den Lord wegschickte, verstummt. Bisher war sie die auf die er immer hörte, doch nun ist sie verstummt. Die zwei schreienden Stimmen verstummen wie auf einen Schlag ebenfalls, als ein brennendes Stück Himmel an seinem Luftschiff vorbei fällt. Er rüttelt sich aus seinem inneren Gespräch, das er nur über sich ergehen ließ und erblickt ein Feld entflammter, fallender Himmelsstücke, die aus dem feuerroten, zerrissenen Weltendach fallen und Lunas Schloss, dass nunmehr ebenfalls eine halbe Ruine ist.
Ein pochendes Schuldgefühl macht sich in ihm breit, es schreit lauter als die zwei Stimmen, die sich stritten. So laut, dass er meinte es würde auch außerhalb seines Kopfes zusehen sein. Wie ein schlechter Albtraum schickt es ihm Bilder in den Kopf. Bilder von dem brennenden Palast des Grafen. Hin und her schwirren ihm diese Bilder, bis sie mit Lunas Schloss vor seinen Augen verschmelzen. Er weiß vom Anblick her nicht, wo Luna ist, bloß in seinem Inneren, tiefer in ihm als die Stimmen schreien, dass es ihr gut geht.
Doch daran kann er nicht denken, denn ein Himmelsstück reißt ihm ein Loch in das Luftschiff, dass augenblicklich selbst zu brennen beginnt. Er ist mitten in das Feld des fallenden Himmels gesteuert, jetzt muss er da dringend heraus. Das erste Triebwerk des Schiffes ist nun durch den Brand in die Luft geflogen und riss dabei weitere Löcher in den eigentlichen fliegenden Panzer. Im Sturzflug stürzt er kontrolllos auf den unendlichen Ozean zu. Nun schreit eine neue Stimme. Zwar nicht laut, doch dafür voller erzürnter Trauer:
„Du Idiot! Konzentriere dich auf jetzt nun nicht auf das was war. Jetzt bist du in Gefahr. Jetzt. Jetzt! Im Jetzt sind wir verloren!"
Wieso nur jetzt, denkt er sich und setzt sich seiner Ohnmacht bewusst auf den Boden.
Ohne eine Regung hält er sich die Augen zu, um seinen eigenen Untergang nicht zu betrachten. Es fühlt sich für ihn an wie Stunden, doch es war keine halbe Minute, da ertönt ein Wiehern. Er schenkt dem Geräusch keine Bemerkung, doch es kommt wieder. Immer und immer wieder. Immer und immer lauter.
Verwundert ob es vielleicht schon die Pferde des jüngsten Gerichtes, das gerade vorfährt um über ihn zu urteilen, schaut er auf. Kein helles Licht, nur die flammende Hölle, in der er sich nach wie vor befindet, erstreckt sich vor ihm. Und ein weißer Schimmel, mir losgerissenen Zügeln und einem Kaninchen auf dem Rücken, dass wie verrrückt auf die abgelaufene Sanduhr am Hals des Pferdes zeigt.
„Jetzt beweg dich endlich.", ruft eine bekannte Stimme von unter dem Luftschiff. „Beweg dich!"
Nachtschleicher schreckt auf und steigt ohne zu fragen, ohne eine weitere Aufforderung auf den Rücken den Schimmels, mit dem weißen Häschen. Und zusammen reiten sie davon. Er wirft einen Blick zurück zu dem Schiff, das mittlerweile im brennend im Wasser versinkt. Vor seinem inneren Auge verschmilzt auch dieses, aber nicht mit Schloss oder Palast, sondern mit der fliegenden Stadt, die in Trümmern ins Meer stürzte und den Grafen unter sich begrub.
„Hör auf darüber nachzudenken.", ruft die Traumzauberin von einem anderen Schimmel aus zu ihm herüber.
„Luna", freut sich Nachtschleicher, aber er wird prompt misstrauisch: „Woher weißt du-...?"
„Worüber du nachdenkst? Vergiss nicht, dass ich die Träume zaubere, die Ordnung erhalte. Du solltest sehen woran du Schuld trägst, doch dieses Mal sollst du begreifen: Du hast eine Wahl. Du kannst eingreifen. Du sollst eingreifen."
Er schaut sie noch lange an, bevor Wesen aus Stein und mit Flügeln durch den zerbrochenen Himmel hereinstürzen. Luna und Nachtschleicher wenden ihre Blicke zu ihnen und Luna spricht in Entsetzen.
„Es ist zu spät... Er ist da."

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